Erstellt am: 24. 4. 2013 - 17:34 Uhr
Fußball-Journal '13. Eintrag 14.
Das ist das Journal '13, meine regelmäßige Web-Äußerung in ungeraden Jahren. Im Gegensatz zu 2003, '05, '07, 2009 und 2011 heuer nicht täglich.
Heute wieder mit einem Eintrag ins Fußball-Journal 13. Und zwar mit einer Erklärung dessen, was der neue Sturm-Coach Markus Schopp gestern unbedacht vor sich hergesagt hat.
"Spielsysteme", sagt Markus Schopp bei seiner Vorstellungs-PK am Dienstag, "sind in meiner Idee mittlerweile a bissl überbewertet, es geht viel mehr um die Spielanlage. Ein Spielsystem richtet sich, find ich, in erster Linie nach der Art und Weise der Spieler, die dir zur Verfügung stehen. Ich glaub viel entscheidender ist es heutzutage, die richtige Spielanlage zu wählen, mit dem deine Mannschaft gegen den Gegner nachher auch auftritt. Und dementsprechend sag ich einmal bin ich diesbezüglich schon gereift, weil auch für mich lange Zeit immer wieder Systeme in den Vordergrund gestellt wurden. Klar geht es um eine Grundordnung, aber die Wahrheit ist, eine Spielanlage ist für mich heutzutage eigentlich das Entscheidende."
Mit dieser wörtlich zitierten Aussage möchte ich weniger jegliches Fehlen der Klarheit des Ausdrucks, die bei Hyballa so präsent war, beklagen. Mir geht es darum, dass es zu dieser schwammig formulierten Ansage keine journalistische Nachfrage gab. Aus gutem Grund: mehr als die reinen Schlagworte (Taktik, System, Spielanlage) interessiert eine zur Analyse unfähige Zunft ja nicht. Deswegen kann man sie, wie Schopp, der noch dazu die regionale Print-Macht hinter sich weiß (er war nicht umsonst Kolumnist bei der Kleinen Zeitung), auch so leicht wegbluffen.
Kein im eigenen Saft herausgebratener Zuschnellaufsteiger
Was sagt uns der ehemalige Italien-Legionär damit? Hat er vor - wie Peter Schöttel zu Beginn seiner Rapid-Ära - ein wenig mit den Anforderungen des modernen Fußballs schönzutun und die taktische Variationsbreite zu erhöhen?
Kaum.
Schopp ist kein Dillo, kein im eigenen Saft herausgebratener, bar jeder Coaching-Praxis zu schnell vom Ex-Teamspieler zum Cheftrainer aufgestiegener Seilschafter innerhalb der großen Freunderlwirtschafts-Szene - er hat eine Ausbildung im Taktik-Land schlechthin erfahren, in Italien. Und er referenziert nicht nur gern auf den großen Ivica Osim, sondern auf eine ganz bestimmte Italo-Schule, die ihm in seiner Zeit bei Brescia (gemeinsam mit Josip Guardiola) über den Weg gelaufen ist.
Schopp hat im Prinzip recht: das Spielsystem alleine sagt gar nichts aus. Das Blöde ist nur: in Österreich ist man, wegen des Bildungsdefizits der vergangenen Jahrzehnte, gerade erst einmal so weit, sich mit den Basics überhaupt erst gemein/vertraut zu machen. Erst die jüngste Generation (die Konzeptrainer, egal ob die heimischen wie Scherb oder Hütter, oder die ausländischen wie Schmidt oder Hyballa) hat dieses Wissen so stark eingebracht, dass auch die taktischen Tiefflieger der Krankl/Constantini-Generationen sich angegriffen fühlen, die Medien sich verpflichtet fühlen zumindest oberflächlich darauf einzugehen und der aufmerksame Teil der Fans sich verpflichtet fühlt, sich zumindest ein bisserl zu beschäftigen; und beim Spiel nicht nur immer auf den fliegenden Ball, sondern auch einmal auf die Bewegungen drumherum zu achten.
Wer Schritt 2 vor Schritt 1 macht, wird eher hinfallen
In diesem Zusammenhang könnte ich das Buch Taktik im Fussball von Erwin Kaussner (FreeLife-Verlag) empfehlen. Es fasst die Spielsysteme der Fußball-Geschichte und Gegenwart ein wenig trocken, aber beherzt zusammen.
Auch immer gut: das kleine Fußball-Taktik-ABC von Spielverlagerung.de.
Einige haben diese Basics jetzt verinnerlicht. Der zweite Schritt, der des selbstständigen Weiterdenkens, steht ihnen aber noch bevor. Und das/der gilt nicht nur in Fußball-Kreisen, sondern in ganz Österreich als große Herausforderung.
Beispiel aus der Praxis; da schreibt mir einer: "das kritisierte 4-2-3-1 kann ja nicht falsch sein, denn namhafte Mannschaften spielen dieses sehr erfolgreich".
Schritt 1 kapiert; Schritt 2 steht noch aus. Denn natürlich küsst erst die Interpretation des Systems das Werkel zum Leben. Und ein 4-2-3-1 mit zwei rein defensiv orientierten Sechsern ist allerspätestens seit Hollands Versagen bei der Euro zurecht Geschichte und kann deshalb auch bei Rapid zu nichts führen.
Markus Schopp, der - in seiner Erfahrung - natürlich schlauer und weiter ist als 99,9% der Szene, will über diese Basics hinaus. Leider formuliert er sein Anliegen so holprig und so patschert, dass es wie eine Absage klingt: "Spielsystem? Überschätzt. Ich brauch die richtige Spielanlage, basta!"
Was Schopp in Wirklichkeit wohl meint: "Das Spielsystem geben mir die Kicker, die ich zur Verfügung habe, vor. Was ich ihnen aber beibringen kann, ist aus einer fixen Grundordnung heraus variantenreich vorgehen zu können, auch mittels eines ganz konkreten Matchplans."
Warum sich immer an Mächtige und Medien andienen?
Klar ist sowas Komplexes schwerer zu vermitteln. Vor allem in einem Massensport, der so tut, als wäre er so einfach. Vor allem in einem Fußball-Land, in dem Comedians, Comic-Figuren, Wunderheiler und andere Populisten den Takt vorgeben.
Trotzdem steht es auch dem vielleicht bestausgebildetsten jungen Coach des Landes nicht zu, mittels ebenso populistischer Nebelgranatenwerferei ein eben frisch erwachtes Interesse an taktisch-stragetischen Fragen, an der frisch erschnupperten Möglichkeit von System-Varianten zurück in die Steinzeit zu bomben, nur um sich bei den die Seilschaften immer noch dominierenden Altstars oder den der Einfachheit der alten Zeiten nachweinenden Leitmedien anzubiedern.
Schopp muss ja nicht gleich hyballern - das verträgt die österreichische Gesellschaft nicht, proved. Stattdessen aber den totalen Backlash einläuten - auch wenn er es gar nicht so meint, weiß er wohl, wie sowas hierzulande rezipiert wird - zeugt von wenig Bewusstsein.