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Robert Zikmund

Wirtschaft und Politik

23. 4. 2013 - 17:01

Lobbystan Forte

Mobilisiert ein Pharmakonzern das Innenministerium in der Drogenpolitik? Ein Interview mit Florian Klenk.

Vor wenigen Wochen habe ich für FM4 die Bundesinnenministerin Johanna Mikl-Leitner interviewt. Der Anlass war ihr Vorstoß, die Substitutionsbehandlung für Opiat-Abhängige zu "überdenken", wie sie es ausdrückte.

Konkret geht es der obersten Polizistin des Landes um retardierte Morphine, wie sie etwa im Medikament "Substitol" vorkommen. Das führe zu einem Schwarzmarkt-Problem, ist man in Innenministerium überzeugt.

"Es geht mir in erster Linie um die retardierten Morphine, weil unsere Statistik da ganz klar aufzeigt, dass der Schwarzhandel blüht und dass da ein Millionengeschäft drinnen ist."

Morphium-Tabletten

CC flickr.com/sfxeric

Ein Millionengeschäft wittert auch der Journalist Florian Klenk in der aktuellen Ausgabe des Falters. Allerdings anders als von der Ministerin dargestellt. Denn heute hat er diese Story so angekündigt: "Lobbystan forte': wie ein Pharmakonzern mit drei Lobby-Agenturen das Innenministerium in der Drogendebatte mobilisiert."

Ich habe Florian Klenk zum Interview getroffen:

Von welchem Pharmakonzern ist denn da die Rede und wie wirkt sich das auf die Substitutions-Vorstöße und die Drogenpolitik der Innenministerin aus?

Es gibt einen Konzern, der heißt Reckitt Benckiser. Der hat ein Präparat unter Lizenz, das angeblich missbrauchssicherer ist, als die Präparate, die jetzt verwendet werden. Allerdings sagen die Ärzte, dass dieses Präparat bei den Patienten nicht gut ankommt, weil es nicht jene Wirkung entfaltet, die Drogensüchtige brauchen. Daher haben Präperate in Österreich auch nur einen recht geringen Marktanteil. Seit einigen Monaten gibt es drei Lobbying-Agenturen Ecker&Partner, Mastermind und Perry Consulting, die sehr starkes Lobbying, sowohl im Innenministerium als auch bei Ärzten, machen. Sie versuchen, die Debatte dahingehend zu verändern, dass sie sagen, die am Markt befindlichen Drogenersatzstoffe wären nicht sicher genug, würden eben am Schwarzmarkt landen und dass es deshalb andere Medikamente bräuchte. Ganz die gleiche Diskussion hat es vor Kurzem in Deutschland gegeben.

Die Ministerin spricht ja immer davon, dass sie die Morphine weghaben will. Soll das jetzt eine Konkurrenz zu allen bestehenden Medikamenten sein? Was für eine Stoffgruppe ist das ungefähr?

Das sind sogenannte Buprenorphine - Subutex und Suboxone. Das sind zwei Präparate, die in Österreich einen relativ kleinen Marktanteil haben - Suboxon hat einen Marktanteil von 5 Prozent, Subutex ungefähr 18 Prozent. In anderen Ländern hingegen, in den USA und in Frankreich, werden diese Präparate viel stärker verschrieben. Die Wiener wollen diese Präparate nicht so sehr, weil sie sagen, dass sie nicht die Wirkung haben, die die Patienten brauchen. Das Interessante ist, dass es in Deutschland vor einiger Zeit genau die gleiche Diskussion gab wie bei uns. Und dort sind die Ärzte drauf gekommen, dass die Firma Reckitt Benckiser sogar die Gesetze geschrieben hat. Die haben eigene Gesetzesentwürfe formuliert und über Lobbyisten und Ärzteverbände an den Bundestag herangetragen. Ein Arzt hat das öffentlich gemacht und es gab einen riesigen Wirbel, weil man das erste Mal gesehen hat, dass die Drogendebatte eben nicht nur von Politikern geführt wird, sondern auch von Pharmakonzernen, die vielleicht nicht nur das Interesse von Patienten, sondern auch den Profit im Sinn haben.

Also ein ähnliches Spiel, das wir zum Beispiel auch bei der Saatgutverordnung sehen. Dort halt auf europäischer Ebene, hier sehr Österreich-spezifisch. Wie bist du denn auf das Thema gestoßen? Was waren deine Quellen?

Journalist Florian Klenk

www.florianklenk.at

Es hat damit begonnen, dass ich im Internet auf eine Seite gestoßen bin, die "Therapie statt Sucht" heißt. Da fungiert dann neben einigen anderen auch die ehemalige Gesundheitsministerin Andrea Kdolsky als Initiatorin der Seite. Und dort hab ich die gleichen Argumente gefunden, die auch die Innenministerin vorgetragen hat, teilweise sogar die gleichen Argumentationsmuster: dass Österreich neben Rumänien und Bulgarien das einzige Land sei, das noch diese Therapie macht zum Beispiel. Aber auch diverse Studien werden da zitiert. Und dann hab ich geschaut, wer finanziert diese Seite. Da war aber auf der Website keine Angabe, es hieß, es sei eine unabhängige und unparteiische Plattform. Durch die Recherchen bin ich aber drauf gekommen, dass es der Konzern Reckitt Benckiser war, der diese Seite unterstützt. Dann hab ich weiter recherchiert und gefragt, ob jemand von diesen Lobbyisten im Innenministerium von dieser Agentur Ecker&Partner war? Und tatsächlich: Im Dezember war eine Lobbyistin, die früher in der ÖVP als Kampagnenleiterin tätig war, beim Chef des Bundeskriminalamts - sie sagt das war ein privater Termin. Und so hab ich mich weitergehangelt und hab mir auch alle Verbindungen angesehen, die Reckitt Benckiser sich in Deutschland erarbeitet hat. Stück für Stück bin ich dahinter gekommen, dass der Konzern sehr massives Lobbying betrieben hat. Ich möchte betonen: Das ist kein strafrechtswidriges Lobbying, sondern ganz normales. Kongresse werden gesponsert, Gesetze formuliert, Patientenvereine gesponsert. Und auf diese Art und Weise werden der Politik Argumente geliefert, die dann die ÖVP verwenden kann.

Sehr viele Süchtige und in Substitution Befindliche - vor allem mit Morphinen - sind total verunsichert und haben Angst, dass ihnen das weggenommen wird. Aktuell berichtet auch der Kurier in einer Serie mit einem sehr seltsamen Experten. Ist das ein Versuch, in diesem Thema umzurühren. Die Menschen haben ja Angst. Wie beurteilst du das?

Ja ganz eindeutig. Das Innenministerium streut derzeit Horrorgeschichten. Es gab zum Beispiel am Sonntag im Kurier eine Geschichte über eine Ärztin, die hätte 100.000 Tabletten Substitol verkauft. Ich hab versucht, diese Geschichte gegenzurecherchieren. Die Wahrheit ist, die Ärztin hat kein Substitol verkauft, sondern sie hat Benzodiazepine verkauft, also Beruhigungsmittel und keine Ersatzdrogen für die Substitutionstherapie. Das ist zwar auch mutmaßlich kriminell, aber es hat nichts mit der Substitutionstherapie zu tun. Oder es wird der Herr Professor Hauptmann zitiert. Der hat in der wissenschaftlichen Szene einen unglaublich schlechten Ruf, weil er in Wirklichkeit ein politischer Ideologe ist, ein strammer Konservativer, der immer schon die Drogenpolitik verteufelt hat. Er behauptet, dass die Drogenpolitik 34 Milliarden Euro Schaden in Österreich anrichtet. Wenn man sich seine Berechnungen genauer anschaut, und ich hab das getan, ich hab sein Buch gelesen, dann kommt man drauf, dass das völlig absurd ist. Was er da berechnet, es ist völlig aberwitzig. Er rechnet sogar die Kindergartenkosten mit hinein. Aber diese Leute haben derzeit die Debattenhoheit. Sie werden auch ganz gezielt vermittelt und immer wieder empfohlen. Der Herr Hauptmann schreibt beispielsweise immer wieder in Polizeizeitungen.
Man versucht, eine - wie die Wiener Drogenpolitiker sagen - durchaus erfolgreiche Drogenpolitik (ich sag nicht, dass da alles gut ist, da gibt es viele, viele Fehler) und die Ruhe, die in die Drogenpolitik eingekehrt ist, zu stören. Der Zweck ist - und das ist jetzt die Parallele zu Deutschland - das Medikament, das verwendet wird, zu kriminalisieren. Die Ärzte sollen als Beitragstäter zum illegalen Suchtgifthandel kriminalisiert werden. Es gibt eine anonyme Website, die mit großer Wahrscheinlichkeit auch von PR-Agenturen gestaltet wird, auf der Ärzte mit Namen, Adresse und Foto angegriffen werden, weil sie Substitol verkaufen. Auch das gab es in Deutschland, auch dort gibt es anonyme Seiten und auf diese Art und Weise wird versucht, hier einen massiven Druck aufzubauen.

Die ganze Geschichte gibt es im Falter nachzulesen, vielen Dank Florian Klenk.