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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

22. 4. 2013 - 21:07

Fußball-Journal '13. Eintrag 13.

Warum österreichischen Fußball schauen? Ein Bekenntnis aus zufällig-aktuellem Anlass.

Das ist das Journal '13, meine regelmäßige Web-Äußerung in ungeraden Jahren. Im Gegensatz zu 2003, '05, '07, 2009 und 2011 heuer nicht täglich.

Heute wieder mit einem Eintrag ins Fußball-Journal 13 - ein aus dem Anlass-Fall einer minimal umgestellten Rapid-Mannschaft entstandenes Bekenntnis.

Es gibt ja (nicht wenige) Menschen, die jeder Äußerung zur intensiven Beschäftigung mit österreichischen Fußball mit etwas, was sie für ein Killer-Argument halten, begegnen: "Was tust du dir das an? Ist doch eh Hopfen und Malz verloren!"

Abgesehen davon, dass dieser H&M-Verlust mit den Plätzen 15 und 33 (UEFA-Vereins/Team-Ranking) auf eh statthaftem Level passiert, ist diese Herangehensweise in etwa so sinnvoll wie der Ratschlag, sich nicht mit heimischer Politik zu beschäftigen, sondern das globale Dorf als Heimat zu betrachten, sich nicht mit hiesiger zeitgenössischer Kultur aufzuhalten, sondern die internationalen Netzwerke zu bemühen oder die Lebensmittel-Preisgestaltung beim Supermarkt um die Ecke zu ignorieren und sein Essen nur online zu bestellen. Oder auf heimische Medien (ohnehin minderwertig) zu verzichten und gleich die New York Times zu lesen.

All das ist nur theoretisch machbar: wer wissen will, wie die nähere Umgebung tickt, wird um eine nähere Beschäftigung mit österreichischen Befindlichkeiten aber nicht herumkommen.

Der Fußball etwa erzählt sehr viel über Land und Leute.

Aktuell gibt er Wasserstandsmeldungen über Primitiv-Populismus, Toleranz-Politik gegenüber Neonazis, falsch verstandene direkte Demokratie, Homophobie, Modernismus-Verweigerung, strukturelle Korruption, persönliche Bereicherung, Geiz und Gier und öffentliche Eitelkeits-Befriedigung ab; allesamt lehrstückhaft.
Ganz ohne einen österreichischen Fall Hoeneß schafft es der heimische Sport die gesamte Palette österreichischer Gegenwart exemplarisch aufzuarbeiten.

Das ist aber nun kein Zuckerschlecken.
Weshalb sich dann - rein zahlenpraktisch gesehen - auch nicht mehr Österreicher zuschauertechnisch um eine Bundesliga-Runde scharen als Menschen ein (oder auch zwei) aktuelle/s Volksbegehren unterschreiben.

Über die, die sich in Sachen Religion, Staat und Demokratie halbwegs aktiv beteiligen, kann man genauso deppert daherreden wie über diejenigen, die sich mit Fußball beschäftigen. Und es ist genauso hirnlos kontraproduktiv.

Volksbegehren und Auseinandersetzung

Es sind - in beiden Fällen - nämlich viel mehr die Eskapisten, die den heimischen Kick, den österreichischen Umgang mit Religion oder Demokratie verdrängen, sich in virtuelle globale Welten flüchten, sich nicht auseinandersetzen wollen und glauben, sich mit der Hopfen & Malz-These, dem Sich-Rausnehmen vor der Mitverantwortung drücken zu können. Das international tuende Stammtisch-Gerede jener, denen das Österreichische an sich (egal ob Fußball oder Gesellschaft) zu minder ist, ist allerdings so relevant wie der chinesische Sack Reis; egal ob als Totschlagsargument-Zurufer daheim oder als mäßig interessante Österreicher außerhalb.

So, und jetzt werde ich dutzende Beispiele anführen, die meinen Appell zur Beschäftigung scheinbar widerlegen. Allerdings behandelt das die aktuelle Praxis, die durch eine kritische Masse, ein größer werdendes Korrektiv an Interessieren veränderbar und nicht für ewig in Stein gemeißelt ist.

Sich mit Fußball zu beschäftigen und in Österreich Fußball zu schauen (egal ob auf´m Platz oder im TV) sind zwei Paar Schuhe. Zweiteres möchte ich gar als Herausforderung bezeichnen.
Zum einen, weil die ständig gleichen wenigen Teams immer wieder gegeneinander spielen; zum anderen, weil es so etwas wie eine taktische Bandbreite, strategische Rafinesse und speziell auf das immer nächste Match abgestimmte System-Variationen nicht gibt.

Der Einfalts-Brei der fehlenden strategischen Bandbreite

Die Einfalt des österreichischen Fußballspiels ist auf die fußballerische Einfalt der Trainer, die inhaltliche Ahnungslosigkeit der Funktionäre, aber auch die Ignoranz der Mainstream-Medien und auch eines Großteils des Publikums (auch die Hopfen&Malz-Champions-League-Schauer können dem, was sie im Stadion/am Bildschirm sehen, meist nicht folgen) zurückzuführen.

Zu Saisonbeginn kann man dort, wo neue Kräfte am Werk sind, ein paar neue Ideen erleben. Dabei bleibt es aber im Normalfall, bei einer Idee, die zu Routine werden soll.

Beispiel Bundesliga: Pfeifenberger und Kühbauer, Fuchsbichler, Kogler und Lederer gingen mit einer bewährten Idee (in unterschiedlichen Qualitäten) ins Rennen; Bjelicas alte Idee kannte die Konkurrenz noch nicht. Schöttel signalisierte eine neue Idee, verbrämte aber bloß eine alte.

Nur Stöger, Hyballa und Schmidt hatten eine wirklich neue Idee. Stöger hatte den schwersten Job - von Vastic dümmlichem Defensiv-Nichts in eine offensiv riskante Variante umzubauen, das war/ist ein Meisterstück.

Der kurze Hyballa-Exkurs:

Schmidt und Hyballa begannen mit bedingungsloser Offensive, zündeten Feuerwerke und fielen danach jeder auf seine Art, in ein mümmelndes Mittelmaß zurück. Schmidt konnte daraus nach seiner Personal-Offensive (Kampl, Mane etc) zurückkehren, Hyballa gefiel sich in zunehmend sinnloser wirkenden Battles mit den eigenen Spielern, Funktionären und lokalen Medien, verlor aber seine ursprüngliche Isdeolgie völlig aus den Augen.

Was der nach Hyballas Rauswurf ebenfalls zurückgetretene Aufsichtsratsvorsittzende Friedrich Santner hier über fehlende Nachhaltigkeit und die anderen Sturm-Versäumnisse sagt, ist ebenso interessant wie seine Reinwaschung Hyballas.

Von seinen Drei-Stürmer-Systemen ist nix übergeblieben - zuletzt war da nur ein ödes 4-2-3-1 zu sehen, Hyballa ist verösterreichert; sein Aus war nur eine Frage der Zeit.

Diese Minderleister sind es, die die meisten Liga-Matches öde und vorhersehbar machen, weil sie mit der immer selben, abgeflachten Methodik reingehen. In seinen letzten Tagen war Schöttel ein negatives Musterbeispiel dieser Kurve nach unten.

Zum Beispiel: die kleine Variante des Zoran Barisic

Dabei ist es so einfach. Zoran Barisic stellte für sein erstes Match, das Wiener Derby, personell kaum um, es behalf sich mit einer taktischen Kleinigkeit: und letztlich waren es diese Varianten, die einen - inhaltlich gar nicht verdienten - Punkt einbrachten.
Barisic' Grundformation in der Defensive: 4-4-2, flach. In der Offensive allerdings wurde daraus ein 4-1-1-4. Barisic ließ Wydra deutlich vor seinem Sechser Kulovits spielen, als echten Box-to-Box-Spieler, als zusätzlichen zentralen Angreifer - etwas, was Schöttel nicht einmal kannte. Vorne waren Deni Alar und Marcel Sabitzer gemeinsam in der Spitze; Alar wurde dort überraschend selten, Sabitzer nie eingesetzt. Beide rochierten immer wieder mit Linksaußen Guido Burgstaller und bildeten so ein unausrechenbares Dreieck, das vom rechts klebenden Trimmel (und eben Wydra) unterstützt wurde. Etwas, was Schöttel nie auch nur ansatzweise erprobt hatte.

Möglicherweise spielt Barisic nun den Rest der Saison mit genauo diesem Schmäh fertig - es wäre für die strategisch ärmliche Szene typisch. Und würde Österreich in seinem Hang zur fauligen Unveränderlichkeit perfekt widerspiegeln.

Vielleicht war es aber auch eine konkrete Idee für ein konkretes und besonderes Spiel, das Derby nämlich. Und vielleicht wartet Barisic im nächsten Spiel mit einer anderen Variante auf; es sind schließlich nur Details, an denen da geschraubt wird. Details jedoch, die das, was zuvor von Lahmarschigkeit nur so gestrotzt hatte, deutlich ansehnliches gemacht hat.
Nur so als Anregung; oder Hoffnung. Die ebenso für Markus Schopp gilt.