Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Yeah Yeah Yeahs sind die Queens Of The Cool Age"

Christian Lehner Berlin

Pop, Politik und das olle Leben

22. 4. 2013 - 10:53

Yeah Yeah Yeahs sind die Queens Of The Cool Age

Auf ihrem Album "Mosquito" wird erneut geschwirrt, gestochen und gesaugt, aber erstmals auch am eigenen Status gebohrt. Die Yeah Yeah Yeahs sind unser Artist Of The Week.

Modeband als Kompliment

Die Yeah Yeah Yeahs sind möglicherweise die coolste Band des Planeten. Sie sind auch eine der höflichsten. Beim Interview in einem dieser Major-Label-Glastürme in Midtown, Manhattan anlässlich der Veröffentlichung des zweiten Albums „Show Your Bones“ war es Karen O, die sich im Labyrinth der grauen Cubicles auf die Suche nach einen Stuhl für den etwas nervösen Fragesteller in meiner Person machte, und nicht ein Plattenfirmenmitarbeiter. Das hatte nichts von jener exaltierten, glamourösen Art-Punk-Queen, als die die Frontfrau des New Yorker Trios für gewöhnlich über die Rockbühnen dieser Welt stürmt (wenn sie sich nicht gerade in Glasscherben wälzt oder eine durch die Lippen gepresste Schampusfontäne gegen die Decke steigen lässt). Aber das war in diesem Moment auch nicht Karen O vom Planeten Rock sondern Karen Lee Orzolek, ein nettes Mädchen, das in New Jersey als Tochter einer Koreanerin und eines polnisch-stämmigen Amerikaners aufgewachsen ist und nie so recht wusste, wo ihr Platz ist. Beide haben mich schwer beeindruckt.

Yeah Yeah Yeahs

Interscope

Glitter and Capes

Wir haben sie ja schon oft gehört, die Geschichte vom sich selbst stilisierenden Außenseiter, der via Cape und etwas zusammengesparten Mut zum Superhero mutiert. In der Popmusik der Nullerjahre symbolisierte Karen O diese Figur wie keine zweite und fungierte solchermaßen auch als Stichwortgeberin für Lady Gaga, die sich in ihren ersten Interviews dafür auch immer artig bedankte, bevor sie Superstarluft schnupperte und seit dem voller Bewunderung um sich selbst kreist.

In einem größeren Zusammenhang läuteten die Yeah Yeah Yeahs in den USA gemeinsam mit den Ennui-Brüdern The Strokes und den Blues-Geschwistern The White Stripes das Garagen- und Punkrock-Revival der Jahrtausendwende ein. Im Kleineren legten sie mit den Künstler- und WG-Partnern Liars und TV On The Radio den Grundstein für den späteren Williamsburg/Brooklyn-Hype. Während die erstgenannten bis heute immer wieder auf der Anklagebank landen, weil sie für die Retrofizierung von Gitarrenrock hauptverantwortlich gemacht werden, sonnten sich die Williamsburger im Licht der Kritik. Diese sah in der leidenschaftlichen Kombinatorik diverser Krachstile und Beinfeger den adäquaten Soundtrack für das Internetzeitalter, denn das Triumvirat aus Brooklyn sollte sich als äußerst wandlungsfähig und wagemutig in Sound und Karrierefragen erweisen.

Die Yeah Yeah Yeahs begnügten sich jedoch nicht mit der Verdichtung von altem Lärm zu neuem Pop, sie setzten die musikalische Hybridisierung auf performativer Ebene fort. Dabei bilden der zurückhaltende Schlagzeuer Brian Chase und der stets schwarz gewandete Gitarrist und No-Wave-Dandy Nick Zinner den betont unauffälligen Hintergrund, vor dem Karen O in ihren intergalaktischen Post-Fashion-Outfits erst so richtig zur Geltung kommen kann. Als viertes Bandmitglied wird von der Band immer wieder die DIY-Schneiderin Christian Joy ins Treffen geführt, die bis heute exklusiv für die schrillen Bühnenoutfits von Karen O verantwortlich ist (aktuell springt die erblondete Madame O in einem gelben Jumpsuit mit Lederfransen über die Bretter). Erst in diesen Capes wird die schüchterne Karen Lee Orzolek zur Indie-Superheldin Karen O.

Das laufende Update, dem sich die Yeah Yeah Yeahs dabei unterziehen, macht sie für viele Menschen der Kritikerzunft grundverdächtig. Doch Modeband darf hier ausdrücklich als Kompliment verstanden werden. Karen, Nick und Brian dachten selbst am allerwenigsten daran, dass sie als Formation das erste Album überdauern würden.

yeah yeah yeahs

Interscope

YYYs now

Der frühe Sound der YYYs war ein scheinbar vor Selbstbewusstsein und Attitude strotzendes Ausweiden des bereits etwas streng riechenden Rock- und Punkkadavers. Trotz all der ausgestellten „Iggy meets Lydia“-Posen hatte man aber dennoch den Eindruck, dass diese feuerspeiende Sirene auf der Bühne ganz genau wusste, dass sich das alles längst nicht mehr ausgehen würde. Zu der selbstvergessenen, unbedingten Raserei gesellten sich Momente extremer Unsicherheit und überbordender Euphorie. Mit der Lebensverachtung und dem Zynismus der Punkschule von 1976 hatte der Ansatz der YYYs jedenfalls herzlich wenig zu tun. Karen O prusterte sich vielmehr durch Songpassagen wie einst Elvis bei der Lachversion von „Are You Lonesome Tonight“. Mit ihrem glänzenden Doppelkinn und Blaumiesen-Grinser wirkte sie dabei auf eine seltsame Weise glamourös, sinnlich und sexy as hell.

Das erste Album „Fever To Tell“ (2004) war ein affirmatives Bekenntnis zum Bandnamen und barg mit der Ballade „Maps“ laut NME den „besten alternativen Love Song aller Zeiten“. Plötzlich war man zu groß für die Garage geworden und die Band hatte auch keine Lust, forthin als schickes Szenegeflüster von einer Gallerie-Eröffnung in Chelsea zur nächsten PBR-Dosenwerfen-Party nach Brooklyn gereicht zu werden.

Fieber, Knochen, Blitz

Noch vor dem Nachfolger Show Your Bones (2006) entfläuchte Karen O nach LA zu ihrem neuen Liebesglück mit Regisseur Spike Jonze (für dessen Verfilmung von "Where The Wild Things Are" hat sie den Soundtrack komponiert und eingespielt). Die Band war mittlerweile auf einem Major gelandet. Entgegen aller Moden der Zeit orientierte man sich beim Songwriting am poppigen Grunge der Neunziger Jahre, landete bei der Kritik allerdings in der Wüste. 2009 schlugen die YYYs mit It’s Blitz erneut eine Volte und überraschten Fans und Kritiker mit einem Dance-orientierten Album. Die Gitarren landeten in der Ecke, wurden gegen Synthis ausgetauscht, die aber wiederum wie Gitarren gespielt wurden.

Was bei diesem rasanten Parkour-Lauf durch die Ästhetiken und Stile stets etwas untergegangen ist: das Dreiergespann hat an der jeweiligen Form gemessen auch immer klasse Songs zustande gebracht. „Fever To Tell“ mit seinen Gassenhauern „Date With The Night“ oder „Black Tonque“ hat im Gegensatz zu vielen anderen Platten von damals nichts von seiner manischen Qualität eingebüßt. Das weithin unterschätzte „Show Your Bones“ strahlt noch immer mit einem sehr weit gefassten Begriff von Rock zwischen Prärie und Großstadt und Stücken wie „Cheated Hearts“, „Gold Lion“ oder der balladesken Prog-Großtat „Warrior“, während „Heads Will Roll“ aus „It’s Blitz“ zurecht von der in den USA aufkommenden EDM-Szene adoptiert wurde.

YYYs

Interscope

... and then

Stacheleinheiten

Und nun wird abermals der Stachel gewetzt. Mosquito markiert in gewisser Weise eine Rückkehr zu den dirty roots in Downtown, Manhattan, wo man sich durch die ersten Gigs im längst verschiedenen Brownies Club gerotzt hat. Die Truppe bezog in der Lower East Side ein kleines Studio, das sich in Besitz der Band befindet, um einige Demos aufzunehmen und um auszutesten, ob die Chemie noch stimmt. Diesen Sessions dürften wohl die feveresken Stücke „Sacrilege“, „Mosquito“ und „Area 52“ entstammen. Der alte Garagen-Sound wurde dabei um so einige Errungenschaften der Post-Punk und No-Wave-Szene New Yorks erweitert, die Jahrzehnte zuvor in den damaligen Brandruinen von Downtown werkte. Afrikanische Percussion-Attacken und grob behandelter Dub sind die neuesten Zugänge zum Multiversum der YYYs-Ästhetik („Under The Earth“, auch „Mosquito“).

yeah yeah yeahs

Interscope

Mosquito (Interscope Rec)

Für das von Ex-LCD-Soundsystem-Zampano James Murphy produzierte „Buried Alive“ gibt der Rap-Veteran Kool Keith (Ultramagnetic MC’s) in seiner 90s-Inkarnation Dr. Octagon („Blue Flowers“) ein allerdings unnachhaltiges Stelldichein. Auf „Despair“ wird die Handschrift von TV-On-The-Radio-Soundmeister David Sitek sichtbar und auch sonst geben die Yeah Yeah Yeahs einige Signaturen auf, die sich bisher trotz Stilwildwuchs durch alle Platten gezogen haben. Dabei funktionieren hier die ruhigeren Stücke wesentlich besser als die proklamierten Gassenhauer, die etwas zu offensichtlich die Geister von früher beschwören, anstatt sie an sich zu exorzieren. Die an dieser Band so heiß geliebten Sehnsuchtsmomente blitzen in Balladen wie dem Lost-In-New-York-Mantra „Subway“ auf. Das monotone Geräusch des ratternden Zuges gibt den Rhythmus vor und plötzlich hockt man mit Karen O in einem orangen Schalenplastiksitz eines U-Bahn-Waggons und trauert durch die Menschen hindurch dem entschwundenen Herzensglück nach, das irgendwo in der Menge untergetaucht ist. „Slave“ kettet sich an scheinbar unüberwindbare Standesdistanzen und feststeckende Lebenspositionen.

„Despair“ steht musikalisch mit den sich selbst Mut zusprechenden Lyrics exemplarisch für das Hook und Refrain-arme Aufbäumen der Songs auf „Mosquito“, die gegen Ende hin stets an Größe und auch Großartigkeit gewinnen. Der Vorhang fällt mit einem Happy End in Form eines flammendes Poems. Den „Wedding Song“ hat Karen O angeblich ihrem Bräutigam (Regisseur Barnaby Clay) während der Hochzeitszermonie vorgesungen. Ob die beiden wohl ihre Schwüre mit einem kräftigen „Yeah Yeah Yeah!“ beschlossen haben?

Mit „Mosquito“ haben die YYYs versucht, die Luft zu klären, ein logischer Schritt nach 13 Jahren Bandgeschichte und dem Dauerstatus als hippste Band des Erdballs. Das ist den dreien durchaus gelungen, auch wenn die Luft umfeldbedingt etwas dünner geworden ist. Wer weiß, vielleicht überraschen sie uns das nächste Mal mit einem Folk Album, eine Oper hat Karen O ja im vergangenen Jahr schon komponiert und erfolgreich in Szene gesetzt.