Erstellt am: 19. 4. 2013 - 18:58 Uhr
"Callcenter Monologe" - Lohnarbeit als Kunstform
Was muss man so als Kunststudent hackeln, um an Kohle zu kommen? Man kann kellnern gehen. Oder im Callcenter hackeln. So wie Stefanie Sargnagel. Wer ist das?
Stefanie Sargnagel
"Stefanie Sargnagel, geboren 1986 im Wiener Armenviertel, studiert Malerei bei Daniel Richter an der Akademie der bildenden Künste, lebt und arbeitet als Callcenteragent bei der Rufnummernauskunft und geht gerne ins Wirtshaus."
Und so berichtet die Dame täglich via Facebook Statusmeldungen über ihr vermeintlich gescheitertes Künstlerinnenleben, was es im Snackautomat im Callcenter neues zu snacken gibt, über Highlights der Woche (wie Essen gehen mit Mama im Running Sushi im Shopping Center), über Pärchenurlaube in der Ukraine und ein Supermarkt-Hummeressen zu Weihnachten in Simmering, bei dem die grünen Eingeweide des Schalentierchens über den Tisch verteilt werden.
Und wenn ihr fad ist, dann malt sie nihilistische krixi-kraxi Zeichnungen im MS Paint - aber was für welche. Da muss sich Tex Rubinowitz langsam um seinen Job fürchten, denn Frau Sargnagel, die als Markenzeichen stets eine rote Baskenmütze am Kopf trägt, hat's drauf.
Politisch zutiefst unkorrekt und ordentlich grauslich wird da ausgesprochen, was andere sich nicht auszusprechen trauen. Hinich. Poetisch. Hinich.
"Mein Leben ist die Hölle"
Hier ein "Best of" der besten Meldungen und Zeichnungen. Mehr davon gibt es bei der Lesung "Die Callcenter Monologe", das wird ziemlich leiwand.
Stefanie Sargnagel
Stefanie Sargnagels tumblr.
Am besten aber auf Facebook verfolgen.
Stefanie Sargnagels "Modeblog": guccibanana.blogspot.co.at
"Oasch" Lohnarbeit als Inspiration/ an.schläge, August 2012
Über Urlaub in der Ukraine hat Stefanie Sargnagel für das Vice Magazin geschrieben, ihre Geschichte gibt es auch in einem Buch: „Reise durch Europa“, Redelsteiner Dahimène Edition.
„Das Callcenter ist der Treibsand in der Wüste des Lebens. Das Callcenter ist ein trüber überfischter See. Das Callcenter ist wie ein langes Bad in warmem Senioren-Erbrochenen“ (Facebook, 18.10.2012)
„Mein erster lauter Schas im Call Center, alle tun so, als hätten sie nichts gehört, aber jetzt wissen sie alle Bescheid, wer hier der Chef is!“ (Facebook, 22.10.2012)
„Zu Beginn des 21. Jahrhunderts pflegten Künstler, Schriftsteller und Musiker sich in sogenannten "Callcenter" zu treffen." (3.5.2012)
“Immer wenn ich mich bei Tagesanbruch durch die grauen Straßen dieser gnadenlosen Stadt zur Callcenter Frühschicht schleppe, erwische ich mich dabei, wie ich am Weg laut Spirituals singe wie eine geschundene Baumwollpflückerin. Moin moin!” (9.4.2013)
„Manchmal höre ich in den Kopfhörern meines Headsets das Meer rauschen." (8.7.2012)
“Vielleicht geh ich in ein anderes Land auf Erasmus und ich erfinde mich neu und dann socialize ich ur arg und sag zu allen Kommilitonen "I LOVE THAT. I LIKE YOUR WORK. TELL ME MORE. I LOVE ART!" Und dann zu anderen Kommiltonen "OMG HER/HIS WORKS SUCKS SO MUCH HAHAHAHA LOLOLOL." Und dann läuft das Ding schon!” (8.4.2013)
Stefanie Sargnagel
"In meinem Callcenter gibt es eine Frau, die als Schriftstellerin tätig ist und ansonsten hin und wieder bei Märkten mitmacht und ihre selbsgestalteten Dinge verkauft, sie ist 43 und AHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHH
HHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHH
HHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHH
HHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHH"
(17.04.2013)
"Freu mich schon wenn das Bier leer ist und die Zigarette aus, dann kann ich endlich das nächste Bier trinken und die nächste Zigarette rauchen!" (Generelles Lebensgefühl)
"Dem Mann vom Lieferservice, ihm ist kalt, er hat Erfrierungen an den Zehen und seine Finger sind voll Brandblasen vom Fett der Quattro Fromaggi Pizza und seine Haut ist ganz rau vom Gegenwind beim Mopedfahren und sein Penis ist einfach abgefallen aus Angst vor der Zukunft. Ich geb ihm kein Trinkgeld, es hat keinen Sinn." (11.11.2012)
Lesung aus den Callcenter Monologen
Stefanie Sargnagel liest am Samstag, 20. April aus ihren Callcenter Monologen. Ab 19 Uhr im Spirali in der Paniglgasse in Wien. Der Eintritt ist frei.