Erstellt am: 19. 4. 2013 - 11:45 Uhr
Europäisches AutorInnen-Kino für Junge
Crossing Europe Filmfestival,
23. bis 28. April 2013, Linz
Crossing Europe
Risikobereitschaft und Eigenwilligkeit schätzt Christine Dollhofer, wenn es um Filme geht. Die Intendantin des "Crossing Europe" ist damit nicht alleine: Das Filmfestival in Linz feiert sein zehnjähriges Bestehen. Es hat sich längst herumgesprochen, dass Dollhofer und ihr Team aktuelle Schätze europäischen Filmschaffens in die Linzer Festivalkinos bringen.
Zudem legt das "Crossing Europe" mit seinem Wettbewerb, in dem ausschließlich Langfilmdebüts und Zweitarbeiten laufen, im Jubiläumsjahr den Fokus auf eine demographische Minderheit: Ein Fünftel der Bevölkerung in der Europäischen Union ist zwischen 15 und 29 Jahre alt. Europa, das ist jedoch mehr als die EU. Lieben, Leben, Loslassen und Loslegen - junge Hauptfiguren abseits klassischer Coming-of-age-Geschichten erzählen viel über den Ist-Zustand des Abendlandes und seiner unmittelbaren Nachbarn.
Da wären etwa: Ein spanischer Schüler, dessen engste Vertraute die eigene Fantasie und ein Teddy namens Deerhof sind ("Animals" von Marcal Forés). Eine Türkin, die ihre Wohnung und auch ihren Mann verlässt und in Istanbul anderen aus dem Kaffeesud liest ("Present Tense" von Belmin Söylemez). Tagsüber im Call Center, abends am liebsten Comedian, das wäre ein Brite gern ("The Comedian" von Tom Shkolnik). Privates Glück im prekären Dasein, darauf soll sich einer noch einlassen. Einem jungen Griechen bleibt einzig sein Kanarienvogel ("Boy Eating the Bird's Food" von Ektoras Lygizos).
Crossing Europe Filmfestival
Dem Trailer sei Dank
Der Wunderbarkeit und Schönheit vieler Filme werden Kurzbeschreibungen selten gerecht. Von europäischem AutorInnenkino erwartet man sich gesellschaftspolitische Geschichten. Das bekommt man als Publikum auch - allerdings gestaltet sich vieles auf der Leinwand unerwartet charmant und intensiv, und klang nur vorab nach bitterem Sozialdrama und dickem Klischee. Gut so. Wie die Filme von Przemysław Wojcieszek. Dem 39-jährigen polnischen Regisseur, Theatermacher und Drehbuchautor zollt das "Crossing Europe" diesmal Tribut und zeigt sechs seiner Filme.
Crossing Europe Filmfestival
Verortet
Mit Realitäten setzen sich die Dokumentarfilme der Reihe "Arbeitswelten" auseinander. Wie es etwa bei der griechischen Polizei zugeht, ist von aktueller Brisanz.
Orte im Abseits vermisst die Schiene "Randlagen": In Kooperation mit dem Afo Architekturforum Oberösterreich kuratierte Lotte Schreiber cineastische Reisen an Orte mit eigenwilligen Geschichten. Schreiber ihrerseits hat die Kurzdoku "GHL" im Freibad Gänsehäufel im Winter gedreht, die läuft im Doku-Programm des Festivals ebenso wie "Cinéma Inch'Allah!" über vier Non-Budget-Hobbyfilmer, die einen Exploitation-Film nach dem anderen realisieren. Das könnte lustig werden.
Crossing Europe Filmfestival
Was sich mit hoher Wahrscheinlichkeit vorhersagen lässt: Für die Musik-Dokus "The Chemical Brothers - Don't Think" und "Peaches does herself" könnte sich die Nutzung des Vorverkaufs auszahlen.
Crossing Europe Filmfestival
Alles in allem: 162 Spielfilme, Dokumentationen und Kurzfilme aus vierzig Ländern sind kommende Woche in Linz zu sehen. Oberösterreichisches Filmschaffen darf nicht fehlen.
Fünf Filme zur Eröffnung
Schon am Eröffnungsabend spiegelt sich die Bandbreite des Programms: Fünf Filme stehen am Beginn des "Crossing Europe" 2013. Die Österreichpremiere der Doku "Innere Blutungen" von Anatol Bogendorfer und Florian Sedmak katapultiert einen zurück in die 1960er und 1970er Jahre im Salzkammergut. Zeitlich gesehen ist die Doku ein Ausreißer im Programm. Der Thriller "Layla Fourie" indes spielt u.a. im heutigen Südafrika, die Regisseurin Pia Marais wurde in vergangenen "Crossing Europe"-Jahren bereits zwei Mal ausgezeichnet.
Am Limit balanciert auch der kleine "Winterdieb" im Spielfilm von Ursula Meier: Ein Bub versucht, sich mit seiner Schwester das bisschen Familienrest aufrecht zu erhalten und reichen Skitouristen Geld abzuknöpfen. Um gänzlich andere Taten geht es in "Sekret / Secret" von Przemysław Wojcieszek: Ein Performancekünstler konfrontiert sich mit der Vergangenheit seines Großvaters.
Schließlich startet die Genre-Kino-Schiene "Nachtsicht" in der Eröffnungsnacht und präsentiert gleich mal "The ABC's of Death" für all jene, die Gänsehaut, Grusel und Unterhaltung mit Hang zu Horror schätzen. 25 RegisseurInnen inszenieren Sterben auf bizarre wie unterschiedliche Arten. Filmexperte Christian Fuchs weiß schon jetzt mehr dazu.
Apropos Nächte
Klare, trockene Nächte wünsch' ich mir für Linz nächste Woche, denn die Nightline am OK Mediendeck wartet mit der Rückkehr von Shy, den Sex Jams, fLako, und anderen auf. Da kann man dann die Beinmuskulatur nach Kinostunden wieder in die aufrechte Position bringen.