Erstellt am: 18. 4. 2013 - 18:32 Uhr
Der Kummerkasten summt
Meistens sollte man ja in den Titel eines Albums nicht allzuviel wortwörtlichen Sinn hineindeuten. Die Bands - sofern sie nicht gerade Funpunk-Bands sind - geben sich da nicht selten alle Mühe eher vage und mysteriös zu bleiben und nicht alles wie eine Kalenderblattweisheit allzu einfach vorneweg zu erklären. Der junge Herr Deptford Goth hat sich aber bei seinem Debüt-Album "Life After Defo" schon etwas gedacht: Zum einen spielt offensichtlich eine kleine Wortjonglage mit dem "Life After Death" hinein, zum anderen ist "Defo" eine Kurzform von "Defintitely". Die Platte handelt also von einer Reise in ein nebulöses Zwischenreich, einem Schritt hinein ins Vage und Ungewisse.

Deptford Goth
Der in London ansässige Produzent und Multiinstrumentalist Daniel Woolhouse ist ein melancholischer Stubenhocker, der sich zuhause in seinem Kämmerchen Gedanken über die Welt zusammenreimt. Vor allem das wunderbare Stück "Union" hat seinem Projekt Deptford Goth schon einiges an Lorbeeren eingebracht, die Erwartungen für seinen vor kurzem erschienenen, ersten Longplayer waren hoch. "Life After Defo" bleibt jetzt aber bescheiden. Es ist eine liebe und niedliche Puppenstubenmusik, die keine Welt erschüttern will, sondern bloß die blöden Verfinsterungen in der Seele und das ganze Gefühlschaos im Leben in blauäugigem Heimwerker-Soul und in Wald- und Wiesen-Indietronica kanalisiert. Die Songs sind kleine Skizzen zu den Themen Liebe, Herzschmerz, Sehnsucht, Tod und der grundlegenden Schwermut im Leben. "Life After Defo" - das ist in Grautönen gehaltene Tagebuch-Poesie.

Deptford Goth
"Natürlich", möchte man fast sagen, hat Deptford Goth "Life After Defo" komplett alleine eingespielt. Klaviere, elektrische Orgeln, Gitarre, ein paar Handclaps und Beats, die unaufgeregt aus den Maschinen purzeln. Die Zutaten sind konzentriert angerichtet. Es ist minimalistische Popmusik, dargeboten mit schüchternem Lo-Fi-Charme. Im Sinne der Weichheit und bezüglich des betont verträumt ausgespielten Nostalgie-Faktors schmiegt sich Deptford Goth an die Ästhethik der Chillwave an, jedoch sind bei ihm die Sounds und Stimme nicht verwaschen und mit Rauschen zugemüllt, sondern prägnant und verständlich herausgearbeitet. Hier klappert ein Beat, hier fließt eine liebliche Melodie aus den Tasten, hier singt ein Mensch mit gläserener Stimme.
"Life After Defo" buchstabiert Intimität als Einsamkeit, es ist ein Musik gewordenes Seufzen, Murmeln und sehr leises Jauchzen. Deptford Goth möge gemeinsam mit den Soulboys James Blake, Youth Lagoon und Rhye die weinerlichste und herrlichste Boygroup des Universums gründen und endlich alle Steine zum Schmelzen bringen. Er taumelt im Halbschlaf zwischen putzigem Indie-Pop und geflüsterten Synthesizer-Balladen umher und schüttelt dabei beiläufig tatsächlich ganz zauberhafte Songs aus dem Ärmel. Zum Glück ist hier nicht alles Trostlosigkeit und Regenwetter: Bei allem Trübsinn schwingt auf "Life After Defo" immer doch noch eine immerhin mittelmäßig gesunde Zukunftsfreude mit. Nachdem wir von unseren heimeligen Zimmern aus ein paar Stündchen traurig in die Sterne geguckt und zu dieser schönen Musik die Verschwörung der Welt gegen uns besonders hart im Körper gespürt haben, wollen wir wieder in die Kälte hinausgehen und sagen: "Hurra!"