Erstellt am: 20. 4. 2013 - 15:32 Uhr
Happy Record Store Day!
Heute ist Record Store Day! In Österreich sind 14 Plattenläden mit dabei.
Speziell für diesen Tag haben auch Österreichische Bands wie Luise Pop, Half Girl und Destroyed But Not Defeated Lieder veröffentlicht.
Detroit ist eine Geisterstadt, in der es nicht mehr viel zu holen gibt - möchte man meinen. Als ich im letzten Jahr die bankrotte Zombiestadt besucht habe, war ich aber auch überrascht, wie sich die Menschen mit der Situation arrangieren. Urban Gardening ist da noch das harmloseste und hat mit der mittlerweile recht hippen und auch in anderen Städten wie New York zelebrierten Bobo-Dachgarten-Gemüsekultur wenig zu tun.
HolydieExplorer.com
Da werden Besitztümer wie leere Bier- und Limonadeflaschen gesammelt und Altmetall wie Kupfer aus alten Leitungen entnommen. Generell wird alles, was nicht niet- und nagelfest ist, aus den leeren Häusern hinausgeschafft und zu Geld gemacht. Und innerhalb kurzer Zeit ist ein Haus "ausgeschlachtet" und leer.
Die Menschen, die Detroit verlassen, nehmen meist nur das Nötigste mit. Soviel, wie in ein Auto reinpasst. Sperrige Dinge bleiben zurück.
Alexandra Augustin
Buchtipp:
"Rasende Ruinen - Wie Detroit sich neu erfindet", Katja Kullmann, Edition Surkamp, 2012
So bleiben auch Schallplatten zurück, denn Schallplatten sind groß und schwer. Der Plattenverkäufer Brad Hales freut sich über diese Tatsache. In Downtown Detroit auf der einst pulsierenden Hauptstraße, der Woodward Avenue, betreibt er seinen Second Hand Plattenladen. Alle Platten, die er dort verkauft, stammen aus den unzähligen verlassenen Häusern Detroits. Deren einstige Bewohner haben sie, als sie wegzogen, zurückgelassen, denn Platten wiegen viel und sind schwer zu transportieren. Andere Detroiter wiederum, die in den Ruinen nach brauchbaren Dingen suchen, finden die Platten und bringen sie zu Hales.
Laurie Smolenski
Der freundliche Enddreißiger wirkt auf den ersten Blick ein bisschen wie ein Exot in seiner eigenen Stadt, in der hauptsächlich Menschen mit afroamerikanischen Wurzeln leben. Über 80% sind das immerhin. Milchblasse Haut, rote Kotletten, eine Nickelbrille auf der Nase und ein 70er-Jahre-T-Shirt mit bunten Kringeln und eine Schlaghose am Leib. Als hätte Brad Hales die Zeit in den 1960ern und 1970ern angehalten. Auch musikalisch. Denn Brad handelt bei "People's Records" ausschließlich mit originalen Platten von damals - zeitgenössische Musik sucht man hier vergebens.
"Ich interessiere mich nicht für zeitgenössische Popmusik, sondern ich suche gezielt nach alten Schallplatten. Auch Reproduktionen von alten Tonträgern interessieren mich nicht. Ich möchte die originalen, alten Stücke selbst finden. Das macht einen großen Unterschied".
Brad Hales
Auf dem riesigen Regal an der Wand stapeln sich bis unter die Decke Pappkartons, die randvoll mit "fourtyfives" gefüllt sind. Alphabetisch geordnet ist hier aber nichts, sondern alles nur grob thematisch sortiert.
Brad Hales
"Sixties Soul", "Motown", "Doo Wop Girl Groups", "Bluegrass" und "Jazz" hat Brad Hales mit Filzstift kunstvoll auf die Pappkartons gezeichnet. Und in jeder Kiste lauern kleine Schätze, die entdeckt werden wollen. Die Liebe zu alten Tonträgern hat sich bei Brad Hales schon in frühester Kindheit manifestiert.
Aufgewachsen ist er mitten in Detroit und so war er immer eng mit der Musik der Stadt verbunden. Und es war letztlich auch die Liebe zur Musik, die ihn in der desolaten Stadt gehalten und nicht wie so viele andere wegziehen lassen hat.
"Downtown fand früher jeden Sommer das 'Jazzfestival Detroit' statt. Dort konnte man viele großartige Konzerte sehen, und zwar umsonst. Musiker von Weltformat sind dort aufgetreten: Fantastische Menschen wie zum Beispiel Jusuf Lateef, Sun Ra and His Arkestra und Dave Brubeck."
Brad Hales
Nach ein paar Standortwechseln (weil in seinen alten Laden eingebrochen worden ist), hat Brad Hales nun seinen Platz an der Woodward Avenue gefunden und seit knapp zwei Jahren betreibt er seinen Raritäten-Store. Der Name "People's Records" hat sich mittlerweile weltweit herumgesprochen. Vor allem aus England und Japan kommen Musikliebhaber angereist. Denn unter Sammlern gilt "People's Records" als einer der besten Plattenläden Amerikas. Ein Ausflug dorthin lohnt sich, bereits ab 1-2 Dollar kann man hier Tonträger erstehen.
Aber nicht jede Platte ist für ein Schnäppchen zu haben - manche sind ein kleines Vermögen wert.
"Die teuerste Platte, die ich bisher gefunden habe, war eine von Eddie Parker mit dem Titel: 'I am Gone'. Ein Stück Detroit-Soul-Musik aus den 1960er Jahren. Für 7.000 Dollar habe ich sie auf eBay verkauft. Ich wünschte, ich hätte sie nicht verkauft. Aber das konnte ich mir nicht leisten. Die Platte war mehr wert als mein Auto und alles was ich zu dieser Zeit besessen habe. Es war mir einfach nicht möglich, sie zu behalten."
Brad Hales
Wertvolle Tonträger wie diese 7.000-Dollar-Schallplatte warten in alten Garagen, auf alten Dachböden oder in Kellern auf neue Besitzer, die sie schätzen und spielen. Doch Brad muss schnell sein und sie finden, bevor sie wie die Häuser selbst ihre Form verlieren und kaputt gehen:
"In Detroit ist es im Sommer sehr heiß und im Winter sehr kalt. Wir haben im Winter Schnee und die Luftfeuchtigkeit ist hier sehr hoch. Das macht das Papier und die Platten kaputt. Menschen bewahren ihre Platten im Keller, auf dem Dachboden oder in der Garage auf. Das sind alles keine optimalen Orte dafür. Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit und Mutter Natur."