Erstellt am: 15. 4. 2013 - 12:30 Uhr
Hart und zart
Ein dummer Unfall meinerseits hat mich in der letzten Zeit nicht nur von Filmrezensionen abgehalten. Er verhinderte auch beinahe mein Interview mit der wunderbaren Olga Kurylenko. Glücklicherweise schaffte ich es im letzten Moment zu dem Gespräch, mit bandagierter Hand und Aufnahmegerät.
Kurylenko reiht sich für mich in eine lange Liste von Darstellerinnen ein, die das Gegenwartskino mit pulsierendem Leben erfüllen.
Während es zwar immer wieder einzelnen Filmen gelingt, als Gesamtkunstwerke aus dem aktuellen Einerlei der Remakes und Sequels hervorzustechen, fällt mir auf, dass es zunehmend einzelne Schauspieler sind, die Kino sehenswert machen. Schon ein guter Typ kann einen durchwachsenen Streifen erträglich machen. Eine grandiose Besetzung holt vielversprechende Arbeiten noch einmal auf ein ganz anderes Level.
Das war doch schon immer so, werden einige jetzt vielleicht bemerken. Nicht ganz, muss ich kontern. Denn in der post-postmodernen (Kino-)Welt der Zitate und Referenzen, in der sich vieles im Kreis dreht oder auf der Stelle tritt, in der vor allem Drehbuchautoren schwere Krisen durchlaufen, kommt den Akteuren eine neue Bedeutung zu. Wenn die Stories zunehmend versagen und auch irrlichternde Bilderstürme oft nur zu einer Ermüdung der Sinne führen, sind es Gesichter, Gestiken und Gefühlsausbrüche, die für eine tiefere Verbindung mit einem Film sorgen.
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Furchtlos in Abgründe taumeln
In meinem filmischem Universum gehören dieses Gesichter zunehmend Frauen. Sofort fallen mir Jennifer Lawrence, Marion Cotillard, Charlize Theron oder Jessica Chastain ein, natürlich auch Mia Wasikowska, Scarlett Johansson, Chloë Moretz, Charlotte Gainsbourgh, Julianne Moore und Quvenzhané Wallis.
Ich könnte lange über Carey Mulligan schwärmen, über Juno Temple, Beatrice Dalle, Gemma Arterton, Margarete Tiesel, Marisa Tomei, Mélanie Laurent, Christina Hendricks, Noomi Rapace, Greta Gerwig, Rooney Mara. Natürlich auch über die Fanning Schwestern, Mila Kunis und, ja, auch Kristen Stewart und Kristen Wiig.
Mehr als um Schönheit, Sexappeal oder all die anderen Ausstellungsmerkmale, mit denen es Hollywood-Actricen in Glamour-Gazetten schaffen, geht es bei diesen und anderen Schauspielerinnen um eine spezielle Energie, um eine bestimmte Furchtlosigkeit und, ganz pathetisch gesprochen, Bejahung des Seins. Auch oder gerade wenn die dazugehörigen Filme sich um Depression, Schrecken, Krisen und Abgründe drehen.
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Wenige Worte und viele Blicke
Womit ich wieder bei der faszinierenden Olga Kurylenko bin. Dem breiten Publikum und auch meiner Wenigkeit ist die aus der Ukraine stammende Darstellerin zum ersten Mal 2008 aufgefallen. Damals agierte sie an der Seite von Daniel Craig im James Bond Spektakel "Quantum Of Solace". Ihre toughe Figur der Camille, mit einer gewissen Unnahbarkeit abseits der üblichen Bondinen-Muster agierend, war noch das Beste an diesem schwächsten der neuen 007-Abenteuer.
Geballert und gekämpft hat Olga Kurylenko in den Anfängen ihrer Karriere viel: Nach einem Start mit düsteren Independentfilmen in ihrer Wahlheimat Frankreich machte sie sich mit knallharten Figuren in Videospielverfilmungen und Actionmovies wie "Hitman", "Max Payne" oder "Centurion" einen Namen.
Ausgerechnet Cineastengott Terence Mallick entdeckte die mittlerweile 34-jährige Osteuropäerin für eine ganz andere Form des Kinos. In dem demnächst bei uns anlaufenden Streifen "To The Wonder", einer poetischen Bildercollage über den Anfang und das Ende der Liebe, schlüpft sie in die weibliche Hauptrolle. Mit wenigen Worten und vielen Blicken gelingt es Kurylenko das gesamte Spektrum an Freude und Frust auszudrücken, das für Malick eine Beziehung symbolisiert.
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Ground Control to Major Tom
Seit einigen Tagen gibt es aber noch eine andere Gelegenheit, Olga Kurylenko im Kino zu sehen. In dem Science Fiction Epos "Oblivion" begleitet sie einen gewissen Tom Cruise bei der Rettung der Menschheit.
"Oblivion" ist ein Film, in dem alles schimmert und glänzt. Zumindest am Anfang. Der blaue Planet steht anno 2077, nach einem Krieg mit Außerirdischen, zwar am Abgrund, aber die Überlebenden wohnen hoch über den Wolken, in futuristischen Designerbauten. Tom Cruise und Andrea Riseborough (noch so eine Schauspielerin, die man im Auge behalten muss) spielen ein Techniker-Pärchen, dass von so einem Himmelsquartier aus die Erde kontrolliert.
Regisseur Joseph Kosinski, seit "Tron Legacy" ein Spezialist für visuelle Sensationen, zeigt den Alltag der beiden in verführerischen Einstellungen. Als Jack Harper alias Cruise bei seinem täglichen Erkundungsflug auf ein unbekanntes Raumschiff stößt, ist es vorbei mit der apokalyptischen Zweier-Idylle. An Bord findet er keine bedrohlichen Aliens sondern Menschen aus Fleisch und Blut, allen voran eine mysteriöse Schönheit, verkörpert von Olga Kurylenko. Als gefährlich erweist sich der unerklärliche Fund dennoch, nicht nur für den Pärchenfrieden.
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Unterschiedlich visionäre Werke
Wie gesagt, es gibt jede Menge digitalen Eyecandy in diesem Film. Die chicen Dekors, stellenweise atemberaubenden Computerkreationen und der bombastische Score der Electrodarlings M83 erweisen sich aber als trügerisch. Denn mit einem pseudoverworrenen und aus diversen Sci-Fi-Erfolgen entlehntem Plot täuscht Joseph Kosinski nur Dramatik vor, in Wahrheit klafft ein Vakuum hinter der Erzählung.
"Oblivion" hat man, trotz berauschender Momente, nach dem Kinobesuch schnell wieder vergessen. Was uns zu der eingangs angesprochenen, schwierigen Situation des Unterhaltungskinos bringt. Olga Kurylenko kann der schlechten Story mit ihrer Präsenz nicht gegensteuern, degradiert sie der Film doch schmerzhafterweise zum verträumten Aufputz. Beim kurzen, aber charmanten Einzelinterview schwärmt die Ukrainerin dennoch extrem von Joseph Kosinski und dessen bis ins Detail vorgeplanten CGI-Kompositionen.
Noch mehr leuchten ihre Augen aber bei der Erwähnung von "To The Wonder": "Es ist eben das exakte Gegenteil eines Blockbusters, es gab kein Skript bei Terrence Malick", erzählt Kurylenko. "Es gab geheime Einzelmeetings mit uns Schauspielern, wo er uns den Background der Charaktere erklärte, dann bekamen wir die Szenen am jeweiligen Morgen vorgelegt." Es sei für sie eine große Ehre, in so unterschiedlichen visionären Werken mitzuspielen.
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Ob "Oblivion" dieses Prädikat verdient, darüber lässt sich streiten. Olga Kurylenko wünsche ich jedenfalls mehr Filme, in denen ihr wie in "To The Wonder", die ganze Weite der Leinwand gehört.