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Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

15. 4. 2013 - 14:36

Kraut und weirde Elektronik

Tipps fürs Donaufestival: Michael Rother, Beak, Laurel Halo, Tri Angle Records, PAN Records.

Donaufestival 2013

FM4 präsentiert Krèms brûlée. Mit Hype Williams, David Yow & Girls Against Boys, oOoOO, Michael Rother, Suuuns, The Haxan Claok, Ghostpoet, Death Grips u.v.a.
25. April – 4. Mai in Krems

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Das Donaufestival Krems bietet an zwei Wochenenden Ende April, Anfang Mai dieses Jahr ein Programm, das vielseitiger, reicher und so nah an der Vorderkante der Zukunftsforschung positioniert ist, wie nie zuvor. Eine kleine Selektion erwartbarer Höhepunkte vom ersten Wochenende:

Michael Rother präsentiert Musik von Neu!, Harmonia und ausgewählte Solo-Stücke: Auch wenn der Genre-Begriff ein schwammiger und unscharfer ist, wie das solche Schubladen-Etikettierungen eben an sich haben, ist Michael Rother einer der wichtigsten Agenten dieser Musik, die man gemeinhin "Krautrock" nennt. Mit seinem Partner Klaus Dinger an den Drums hat der Gitarrist Rother in den Siebzigern in der wegweisenden Gruppe NEU! vorgemacht, wie spannend und schwindlig machend Monotonie in der Rockmusik klingen kann, gemeinsam mit Dieter Moebius und Hans-Joachim Roedelius hat er sich unter dem Namen Harmonia schon früh dem elektronischen Summen des Kosmos gewidmet. Michael Rother hat in seiner langen Karriere schon so einige Blaupausen für etliche nachfolgende Bands gezeichnet.

Auch Geoff Barrow ist ein Freund des Krautrock. Der Mann mit den vielen Interessen und Einsatzgebieten, den man wohl auf ewig für seine Gruppe Portishead kennen wird, ist in Krems mit zwei Projekten am Start: Unter dem Namen Drokk entwirft er mit Partner Ben Salisbury elektronische, nachtschwarze Soundtracks für einsame Autofahrten über die Highways der Zukunft, mit dem Trio Beak> wildert er zwischen Psychedelik, Noise, verschleppten Beats und Kraut im Ungewissen.

Laurel Halo ist eine der wichtigsten und interessantesten Produzentinnen und - im Wortsinne - Stimmen der Gegenwart. Ihr 2012 erschienenes Debüt-Album "Quarantine" war ein Album des Jahres. Auf drei EPs hat sich die ursprünglich aus Ann Arbor, Michigan stammende Musikerin zunächst mit dem Dancefloor aus einem anderen Universum auseinandergesetzt und wahnwitzig stolpernde Beats und komisch ineinanderfließende Soundscapes gebaut, ihr erster Longplayer war dann hingegen eine allen Kategorien entrückte Übung in Minimalismus, Abstraktion und außerweltlichem Pop. Komplett absurde, teils nur schwer zu ertragende und ganz und gar herrliche Musik. Wie man so hört, bleibt Laurel Halo aber nie lange auf einem Fleck und interessiert sich auch bei Live-Performances kaum für das Nachstellen von bekanntem Material. Beim Donaufestival ist sie klangtechnisch dann vermutlich schon im Überübermorgen.

Zwei der heißesten und am hippsten abgefeierten Labels der letzten zwei, drei Jahre sind beim Donaufestival mit Showcases vertreten: Tri Angle Records galt und gilt ein bisschen immer noch - auch wenn das freilich die Macher und beteiligten Musiker nicht so gerne hören wollen - als Schaltzentrale des Witch House. Will heißen: Zeitlupen-Beats, Bruchstücke von HipHop und R’n’B in besonders zähflüssigen Sirup getaucht, spukhaft verpitchte Vocal-Samples, Atmosphäre in Schwarz-Grau. Tri Angle schickt vier Acts nach Krems: Evian Christ, oOoOO, The Haxan Cloak (mit hervorragendem neuen Album im Gepäck) und WIFE.

Zu Recht hat sich das Berliner Label PAN Records letztes Jahr in nicht wenigen Blogs in den entsprechenden Jahresbestenlisten ganz vorne im Ranking wieder gefunden. PAN bewegt sich atemberaubend in den Grauzonen zwischen Elektronik-Avantgarde, Drone, kaltem Ambient und Dancefloor für besonders talentierte Tänzer. Beim Donaufestival beschallen 4 Live-Acts von PAN (Lee Gamble, Helm, NHK’Koyxen, SND) und Label-Boss Bill Kouligas mit einem DJ-Set schon ab dem frühen Nachmittag die Minoritenkirche. Nicht versäumen.