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Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

14. 4. 2013 - 14:11

Lob der Trägheit

Der Song zum Sonntag: Kurt Vile - "Wakin On A Pretty Day"

Bislang war jedes neue Album von Kurt Vile eine Verbesserung gegenüber dem Vorgänger. Die frühen Aufnahmen der Songwriters und Musikers aus Philadelphia, die Vile als Tapes und CDRs ohne große Motivation vertrieb, erinnerten in ihrem Lo-Fi-Charme, mit ihrem Rauschen und Knistern, dem Scheppern der Drum-Machine und ihrer allgemeinen Unaufgeräumtheit eher an die Spinnertheit von Ariel Pink als an Bob Dylan.

Nun ist im Lauf seiner Karriere nicht bloß der "Sound" als Sound, wie das eben oft so kommt, ein sauberer geworden, besser produziert und adretter frisiert, auch das Songwriting hat Kurt Vile von den anfänglichen beiläufig aus dem Ärmel geschüttelten Skizzen zu kleinteilig gebauter Großpoesie ausformuliert. Allein: Kurt Vile merkt man die Ambition nicht an. Ein 70-minütiges Kunststück wie sein eben erschienenes, fünftes Album namens "Wakin On A Pretty Daze" summt und brummt durchwegs so beiläufig, als wäre es dem schlaf- oder auch anders-trunkenen Kurt Vile in der Hängematte zugefallen. "Daze" bedeute soviel wie "Benommenheit", "Dusel", "Nebel" – und zwar nicht im meteorologischen Sinne.

Kurt Vile

Kurt Vile

Kurt Vile

Zwar gibt es auf "Wakin On A Pretty Daze" – das jetzt schon ohne Übertreibung als ein Album des Jahres ausgerufen werden darf - allerlei Synthesizer, Saxophon, Harfe und auch eine gute, alte Kuhglocke zu erleben, all das Instrumente-Aufkommen tritt hier jedoch stets als unterstützendes Beiwerk hinter Viles Songwriting in den Hintergrund. Es geht hier immer um Viles gezupfte Gitarre und seinen nöligen, gelangweilten Singsang.

Gemeinhin gilt Vile als "Slacker", eventuell auch als Mann, der langsammachenden Rauchwaren nicht abgeneigt ist. Tatsächlich aber ist Vile ein Musiker, der in seinem Leben – neben vielen, vielen einfach sehr guten - schon gut ein Dutzend Songs geschrieben hat, die allesamt in den Kanon des Classic oder Folk Rock eingehen sollten. Ein Mann, der sein Leben auf die Reihe gekriegt hat, ein "Family Man", wie er selbst immer wieder gerne betont, mit 33 schon 10 Jahre verheiratet und Vater zweier Kinder, der lieber zuhause bleibt als Party zu machen.

Den Wirrungen der Welt steht er mit zen-hafter Ruhe gegenüber. Die Songs auf "Wakin On A Pretty Daze" - mehr als die Hälfte überschreiten eine Spieldauer von 6 Minuten - sind kreisförmige, gleichmütig vor sich hingleitende Mediationen darüber, dass das Leben schon auch schön ist, selbst wenn es gerade vielleicht schwierig und blöd ist. Kurt Vile singt hier wärmende Zeilen, die kleine Glücksmomente transportieren: "Snowflakes are Dancing/Discman is Pumping".

Ein Höhepunkt unter vielen ist – mit einer minimalen Lautverschiebung im Titel – das Quasi-Titelstück des Albums: "Wakin On A Pretty Day" eröffnet die Platte und dauert neuneinhalb Minuten – auch ein Statement. Das Stück ist eine Anleitung zum Müßiggang und verdichtet ein zentrales Thema im Schaffen von Kurt Vile. Wir wachen auf, der Tag ist fein. Bleiben wir liegen oder gehen wir spazieren im Park? Alles ist richtig. Es geht hier keineswegs um eine Kapitulation, um Resignation oder Egalheit. "Wakin On A Pretty Day" sagt, dass wir die Freude spüren sollen. Morgen dann wieder Revolution.

Wenn Kurt Vile "Yeah-Yeaaah-Yeyeyeah" singt, dann klingt das kaum wie hysterisch in die Welt getragene Euphorie, sondern viel mehr wie eine vor sich her gemurmelte Zustimmung und ein leises, schon auch erfreutes, aber ebenso indifferentes Einverständnis damit, dass jetzt eben gerade die ersten Sonnenstrahlen seinen Bauch kitzeln, während er da so auf der Veranda sitzt. "Wakin On A Pretty Daze", "Wakin On A Pretty Day" - manchmal ist alles gut. Eventuell auch heute.