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Erich Möchel

Netzpolitik, Datenschutz - und Spaß am Gerät.

8. 4. 2013 - 06:00

Ein EU-Webportal für Strafverfolger

Ein geleaktes Ministerratsdokument verrät: Da das geplante EU-Portal die Kompetenzen von Europol überschreiten würde, wird es in der neuen EU-Agentur für IT-Großsysteme angesiedelt.

Dokument

doc

Das von Statewatch veröffentlichte und mit 25. März datierte Dokument war Diskussionsgrundlage für die Sitzung der Arbeitsgruppe DAPIX des EU-Ministerrats am 26.3. Es ist zwar als "Europol" deklariert, trägt aber stilistisch eindeutig die Handschrift der Kommission.

"Die Plattform für Informationsaustausch ist als Portal konzipiert, über das europäіsche Strafverfolger Informationen zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit austauschen können. Das können allgemeine Informationen zum jeweiligen Rechtsrahmen oder zu nationalen Prozederes und Ereignissen sein, aber auch operative, verbrechensbezogene Daten."

So heißt es in einem als "vertraulich" gezeichneten und mit 25. März datierten Dokument von Europol, das die britische Bürgerrechtsgruppe Statewatch am Freitag veröffentlicht hat.

Dabei handelt es sich um ein "Geschäftskonzept (sic!) für eine Plattform zum Informationsaustausch von Strafverfolgern ". Dieses Unterfangen mit dem Kürzel IXP war bereits 2010 begonnen worden, um grenzüberschreitende, schwere Kriminalität, die inzwischen nicht mehr die Ausnahme, sondern schon eher die Regel ist, besser bekämpfen zu können.

Der Status quo

Der organisierten Kriminalität im Netz hatte man auf europäischer Ebene bis dato wenig entgegenzusetzen. Dass Identitätsdiebstahl via Internet in Tateinheit mit Betrug - in den USA mittlerweile die weitest verbreitete aller Deliktformen - in Europa eine sehr geringe Rolle spielt, ist keineswegs ein Beweis für die Effizienz der europäischen Fahnder. Vor allem die in Europa übliche Kombination aus Meldewesen und amtlichen Ausweisen hat sich hier als wirksames Gegenmittel erwiesen.

Ausweis

http://www.flickr.com/photos/zapthedingbat/

Für höhere Deliktformen gilt das jedoch nicht. Die regelmäßig wiederkehrenden Medienberichte mit stereotypen Titeln wie "Schlag gegen Kinderpornografie" suggerieren erfolgreiches Vorgehen, obwohl die Drahtzieher dabei so gut wie nie gefasst werden. Ebenso sind Meldungen über die Beschlagnahme von Erlösen aus diesem dreckigsten aller Geschäfte absolut selten, da die Kriminellen einfach schneller sind.

Wie der Ablauf praktisch aller dieser "Schläge gegen Kinderpornografie" zeigt, wird gegen die betreffenden, verdeckten Bezahlkanäle euorpaweit nach völlig unterschiedlichen Kriterien vorgegangen. Je nach Staat und Behörde weAccenture DHSrden sie zum Teil monatelang zur weiteren Beobachtung im Netz gelassen. Die letztlich Erwischten sind jeweils zumeist schon amtsbekannt, Verurteilungen sind Ausnahmen.

Benutzer und Rechte

Dem soll die bereits 2010 beschlossene Plattform für Strafverfolger abhelfen. Sehr weit gekommen ist man bis jetzt freilich noch nicht. Immerhin wurden die Eckpunkte für dieses sehr komplexe Vorhaben jetzt festgelegt. Die zukünftigen Benutzer der Informationsplattform werden in drei Kategorien eingeteilt: Erstens Beamte ohne operative Aufgaben mit Zugang zu allgemeinen Informationen wie Kontaktdaten, Rechtsdokumenten usw. Zweitens ermittelnde Beamte.

Diese Fahnder können dann auch auf operative Daten aus anderen Staaten zugreifen, allerdings nur auf einer "hit/no hit-Basis". So lässt sich beispielsweise in den dann zur Verfügung stehenden Datensätzen gezielt nach Namen suchen, das Suchergebnis führt jedoch nicht zu einem Ermittlungsakt.

Die anfragende Behörde erfährt lediglich, welche andere Behörde in welchem Land über weitergehende Informationen zum gesuchten Namen verfügt. Welche und wie viele Informationen weitergegeben werden, entscheidet dann eben jene Instanz, die diese Daten zu Verfügung gestellt hat.

Zu diesen beiden Benutztertypen kommt noch ein übergeordneter internationaler Koordinatortyp, der über weitergehende Rechte als die anderen beiden Gruppen verfügt.

Ausweis

http://www.flickr.com/photos/andresrueda/

Drei Phasen

Beginnen wird man mit einem reinen Kommunikationsportal, das auch ins Internet gespiegelt und vorerst selbst keine operativen, sondern nur allgemeine Daten prozessieren wird. Also: Kontakte, Adressen, Organigramme und Organisationspläne sowie Hotlines der Ѕtrafverfolger usw.

Phase zwei sieht die Einbindung bereits existierender Datenbanken vor, sodass es autorisierten Beamten in der dritten Phase dann möglich wird, mit einem einzigen Loginvorgang über das IXP-Portal direkt ins Schengen-Informationssystem oder in Interpol-Datenbanken zu gelangen.

Zuletzt soll ein einheitlicher Suchmechanismus quer durch alle angeschlossenen Datenbanken möglich sein, wobei Benutzer mit eingeschränktem Zugang auch Anfragen bei Datenbanken mit höheren Sicherheitsstufe tätigen können. Deren Administratoren entscheiden dann über die Erteilung von Auskünften.

Einheitliche Logins, heterogene Nutzer

Logischerweise müssen für ein einheitliches Login die Sicherheitsarchitekturen aller beteiligten Systeme vereinheitlicht werden. Das ist eine Aufgabe von enormer Komplexität, die kaum technischer, vielmehr aber logischer Natur ist. Die Datenbanksysteme samt der technischen Peripherie selbst sind längst Routine, das eigentlich Komplexe ist die Vergabe und Administration von Zugriffsrechten.

Das gilt besonders, wenn es eben heterogene Benutzergruppen sind, die unter einen Hut gebracht werden müssen. Da sind Staatsanwälte aus den unterschiedlichen Legislaturen aller 27 EU-Staaten, Kriminalbeamte aus unterschiedlich organisierten Polizeiapparaten samt deren IT-Abteilungen, Juristen, Ministerialbeamte usw.

Die Kostenfrage

Addiert man noch, dass es in der Europäischen Union 23 Amtssprachen gibt, in denen die jeweiligen Dokumente abgefasst sind, so lässt sich die Komplexität des Vorhabens schon erahnen. Hier sind wir bei den Kosten und da geht es in erster Linie um Arbeitsstunden des eigenen Personals.

"Es ist in Betracht zu ziehen, dass das Management der Inhalte und die Qualitätskontrolle Auswirkungen auf die Ressourcen der verschiedenen IXP-Partner" haben werden, ist denn auch fett gedruckt in diesem als "Geschäftskonzept" bezeichneten DokumeAccenture DHSnt zu lesen.

Da der "weite Bereich der IXP die Grenzen des Europol-Mandats überschreitet" und eine deutliche Budgeterhöhung für die Europolizisten unter den derzeitigen wirtschaftlichen Umständen wohl nicht möglich sei, jedoch zügiges Vorgehen geboten sei, habe man sich für eine andere Option entschieden.

Kommission finanziert Pilotprojekt

Die Kommission finanziert ein Pilotprojekt, um Phase 1 der IXP-Plattform möglichst bald angehen zu können. Sobald die gerade erst gegründete "EU-Agentur für IT-Großsysteme in wenigen Jahren" in Vollbetrieb sei, werde sie "diese Entwicklung unterstützen können", heißt es abschließend. Das Projekt werde "höchstwahrscheinlich" dort angesiedelt und eben nicht bei Europol.

Die Kostenübernahme von 1,35 Millionen Euro pro Jahr durch die Kommission ist somit nicht als wirtschaftliche, sondern als politische Maßnahme anzusehen. Wirklich teuer wird erst die Umsetzung auf jeweils nationaler Ebene, das ist ganz deutlich abzusehen.

Das Konsortium Smart Border Alliance unter der Führung Accentures gewann 2004 die Ausschreibung des US-Ministeriums für Heimatschutz und organisierte in Folge die Digitalisierung der Grenzkontrollen über biometrische Daten wie Fingerabdrücke.

Was misstrauisch stimmen muss, ist der Umstand, wie auffällig konsequent da stets von "business requirements" und "business product management" die Rede ist, obwohl alle am Projekt Beteiligten Beamte oder öffentliche Angestellte sind. Ganz offensichtlich geht es hier wieder um eine "Public Private Partnership" nach amerikanischem Muster.

Erst im Februar hatte die EU-Kommission den Auftrag für das europäische Visa-Informationssystem VIS an ein Konsortium bestehend aus Accenture, Morpho und HP vergeben. Die Biometriefirma Morpho gehört zur französischen Safran-Gruppe, einem Rüstungskonzern, Accenture wiederum ist seit 2004 unter anderem für die Biometrie-Agenden im berüchtigten "US-VISIT"-Programm des Heimatschutzministeriums zuständig.