Erstellt am: 7. 4. 2013 - 18:29 Uhr
Die Idealisten im Innviertel
Bonjour Tristesse! Aufwachsen am Land ist eine fade Angelegenheit, ich weiß das aus eigener Erfahrung. Deshalb ist es umso wichtiger, dass es auch abseits der Ballungszentren Orte und Möglichkeiten für Jugendliche gibt, wo sie nicht nur abhängen und Musik konsumieren können, sondern selbst Jugendkultur mitgestalten können.
Das Sakog in Trimmelkam ist so ein Ort. Der bereits wieder aufgelöste Verein meta.morfx hat 2001 das alte Kohlenbergwerk im Bezirk Braunau in einen spannenden Veranstaltungsort verwandelt, der nach langwierigen Renovierungs- und Umbauarbeiten seit 2008 regelmäßig in Betrieb ist.

sakog.net
Veranstaltungsphotos: Andreas Weis
Auf die Idee, die Industrie-Ruine der Salzach-Kohlenbergbau-Gesellschaft in ein Kulturzentrum zu verwandeln, kamen Christoph Auer und sein Team nach einer Party mit Electric Indigo im Bahnhof gegenüber, als sie die Räumlichkeiten als Backstage-Bereich genutzt haben. Seitdem „fressen sie sich wie die Termiten durch das Gebäude“, sagt Christoph Auer im Interview und mittlerweile fasst das Sakog auf zwei Floors um die 700 Gäste.

Andreas Weis
Der erste Floor ist der ehemalige, unglaublich hohe Kesselraum, der mit seiner erhöhten Bühne für die auftretenden Acts eine Herausforderung darstellt, weil die unmittelbare Nähe zum Publikum fehlt. Der zweite Floor ist architektonisch weit unspektakulärer und gemütlicher. Hier zündet die Party am schnellsten. Das weiß Patrick Pulsinger, der schon öfters im Sakog zu Gast war und sich bei FM4 „Durch die Nacht“ die Bühne mit Boarder-Community-Chef James Holden und Felix the Houserat von der Red Bull Music Academy teilt.
Doch schon seit dem ersten Aufsperren hat der Club laut Christoph Auer mit den Behörden zu kämpfen. Das Sakog wurde immer wieder geschlossen, weil es Auflagen nicht erfüllt hat.

Andreas Weis
Doch die Idealisten aus dem Innviertel lassen sich nicht unterkriegen. Sie zeigen mit internationalen Bookings im Elektronik- und HipHop-Bereich, dass man auch am Land spannendes, zeitgenössisches Programm gestalten kann und ganz nebenbei erdet der rurale Charme die auftretenden Superstars: GZA vom Wu-Tang-Clan und DJ Muggs von Cypress Hill flashte die Gegend so sehr, dass sich die beiden beinahe in ihre Baggy-Pants gemacht haben, erzählt mir Christoph Auer.
Cultureclash

Andreas Weis
Die HipHop-Stars haben auf dem Weg vom Salzburger Flughafen nach Trimmelkam Angst bekommen, dass sie jetzt entführt werden. Es schien ihnen unvorstellbar, dass sie in dieser Einöde ein Konzert spielen sollen.
Ein Cultureclash, der die beiden auf den Boden der Realität zurückgeholt hat, sagt Christoph Auer. Auch James Holden zeigte sich überrascht: „Oh, now I know how Austria looks like. It's my first time outside Vienna“.
Christoph Auer ist der ehemalige Obmann des bereits wieder aufgelösten Sakog-Gründungsvereins meta.morfix und einer der längstdienenden Kulturarbeiter in dem rund 50köpfigen Team, das hier weitgehend ehrenamtlich im Einsatz ist. Ihm wurde sein Engagement für den Verein und den Club allerdings zum Verhängnis: Weil das Sakog die Sperrstunden-Regelung verletzt hat und die Auflagen der Betriebsstätten-Genehmigung nicht erfüllen konnte, summierten sich die Verwaltungsstrafen.
Kultur statt Kohle
"Kultur statt Kohle" heißt auch die Initiative, die sich seit Februar 2012 um die Programmgestaltung im Sakog kümmert.
Weil diese Strafen nicht gezahlt werden konnten, musste Auer nach dem Privatkonkurs eine Ersatzfreiheitsstrafe von 198 Tagen antreten. Die Polizei hat ihn direkt bei einer Veranstaltung abgeholt und somit auch ein öffentlichkeitswirksames Exempel statuiert. 2011 hat Auer 42 Tage im Gefängnis verbracht, 2012 war er einen Tag inhaftiert und momentan läuft ein Verfahren, dessen Ausgang noch ungewiss ist.

F. Hummer
Aber Christoph Auer ist ein cooler Typ, der sagt, dass er es immer wieder so machen würde und das Strafmaß für ziemlich übertrieben hält. Er wollte die Gäste des Sakog nicht um vier Uhr auf die kalte Straße setzen, wenn erst um fünf Uhr die ersten öffentlichen Verkehrsmittel zu fahren beginnen.
Weltoffenheit vs. Rückwärtsgewandtheit
Durch die Nähe zu Deutschland kommen auch viele Gäste aus Bayern zum Feiern nach Trimmelkam. Das Sakog soll die Anrainer und Besucher etwas weltoffener machen. Bei manchen gelingt das, bei einigen nicht. Diejenigen, die immun gegen diese Form gelebter Weltoffenheit sind, tragen ihre ideologischen Ansichten auch am 20. April, dem Geburtstags des bekanntesten Braunauers, öffentlich zur Schau. Die Demo gegen Rechts ist laut Christoph Auer aber mittlerweile größer, als der Aufmarsch der gelinde gesagt nationalistischen Anhängerschaft.
An diesem berüchtigten 20. April findet im Sakog die Pre-Party für das Playground Festival, einem VJ- und DJ-Festival statt, das im Sommer über die Bühne gehen wird. Für die richtige Stimmung sorgt dann der deutsche Electro-Datapunk und Popkiller Anthony Rother.