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Christian Lehner Berlin

Pop, Politik und das olle Leben

7. 4. 2013 - 01:11

Trucker-Fantasien

Highway-Blech im Wohnviertel. Die Trucks von Bed-Stuy.

Aufgefallen sind sie mir erstmals im vergangenen Herbst. Als die Tage kürzer wurden und der Block rund um das Freibad Kosciuszko Pool allmählich verwaiste, tauchten die ersten von ihnen auf. Zuerst dachte ich an einen Irrtum. Was macht ein abgestellter King of the Highway im Wohnviertel einer Großstadt? Verfahren? Panne? Diebstahl? Der Truck war zitronengelb und wirkte mit seiner verchromten Schnauze so imposant, exotisch und powerful wie in meiner Bubenfantasie, die von Roadmovies und Fernsehserien aus den siebziger und achtziger Jahren befeuert wurde (in mindestens der Hälfte davon spielten Burt Reynolds und sein imposanter, exotischer und powerful Schnauzer die Hauptrolle).

Zum Zitronengelben gesellte sich eine Woche später ein Blitzblauer. Seine an der Fahrerkabine aufgezogenen Auspuffrohre waren nicht ohne. Wieder eine Woche später tauchte ein Pantherschwarzer auf, dann ein Gandalfweißer und schließlich noch ein Cousin des Zitronengelben. Letzterer beeindruckte mit Edelholzlenkrad, aufgemalten Sinnsprüchen und einem kleinen Zoo aus runden Rücklichtern am Hintern der Zugmaschine. Nun mögen diese stolzen Benzinfresser am Interstate-Truck-Stop ihren rechtmäßigen Platz haben. Mitten in Brooklyn wirken diese Überlandgiganten aber wie gestrandete Wale. Ich sinniere manchmal über ihre Herkunft, Fracht, das nächste Ziel, zurückgelegte Meilen, ihre Fahrer und Autostopper. Die Trucks sind schön, monströs und stets verlassen. Sie sind die Zugmaschinen des amerikanischen Güterverkehrs und ich habe noch nie einen von diesen hier in Bewegung gesehen. Der Grund, warum sie am Kosciuszko Pool in Horden parken, ist sicher profan. Ich will ihn aber gar nicht wissen. So viel Burt Reynolds muss sein. Nach den Wochenenden sind sie in der Regel wieder verschwunden.