Erstellt am: 5. 4. 2013 - 18:43 Uhr
Offshore Leaks
Die Aufregung ist verständlich, die Empörung auch.
Und dennoch speist sich die „Überraschung“ über die seit gestern bekannte Datenrecherche des internationalen Journalistennetzwerks ICIJ eher aus der Dimension der Summen, als aus dem bloßen Umstand.
Das "International Consortium for Investigative Journalists" (ICIJ) ist ein Verein, der sich auf die Förderung von investigativen und zeitaufwendigen Recherchen und Enthüllungen spezialisiert hat. Es unterhält ein internationales Journalisten-Netzwerk und wird durch Spenden unterstützt. Einer der Hauptspender ist die John S. and James L. Knight Foundation aus den USA.
Denn dass die ganz großen Vermögen dieser Welt sich gerne in Destinationen wie den Cayman Inseln aufhalten, ist tatsächlich ein relativ alter Hut – dass die Summe der hinterzogenen und offshore geparkten Geldbeträge irgendwo zwischen 20 und 30 Billionen Dollar liegt, war etwa dem Tax Justice Network ebenfalls bekannt.
Was aber selbst die erfahrensten Kollegen überrascht, die nun in einem der 46 beteiligten Staaten die aberwitzige Datenmenge von 260 Gigabyte (über 2 Millionen E-Mails) durchforsten und ausarbeiten, ist gewissermaßen die Dreistigkeit und Leichtigkeit, mit der man hier zur Sache ging.
Warum kompliziert, wenn es einfach auch geht?
So erzählt Christoph Giesen - ein mit der Causa betrauter Journalist bei der Süddeutschen Zeitung -, dass es faszinierend sei, im E-Mail-Verkehr nachzulesen, wie simpel diese Welt der Offshore-Firmen funktioniert. "Wenn sie eine Offshore-Firma gründen wollen, dann schicken sie einfach eine E-Mail, wo sie reinschreiben, sie hätten gerne einen Trust oder zum Beispiel eine Briefkastenfirma". Danach werde alles von fleißigen Bankangestellten flott erledigt. Da schreiben dann schon einmal die Kunden rein, dass sie auch einen kleinen Scheindirektor bräuchten, irgendwie nicht namentlich auftauchen möchten usw. Alles kein Problem und günstig noch dazu. "Da müssen sie dann noch 300 bis 400 Dollar zahlen und das war's", sagt Christoph Giesen. Es sei sehr interessant gewesen zu sehen, wie simpel das letztendlich abläuft.
http://www.flickr.com/photos/aslakr/
Dass dieser E-Mail-Datenschatz noch viele Geheimnisse beinhaltet, davon ist er überzeugt. Bis dato wären nur wenige Prozent des Materials gesichtet worden. Österreich zu Beispiel habe man sich noch gar nicht richtig angesehen, sagt Giesen.
Mammutaufgabe
Aber nicht nur die große Menge an Daten stellt die mehr als 100 eingebundenen Journalistinnen und Journalisten vor große Aufgaben. Als die Arbeit im vergangenen Jahr begonnen hat, war es zunächst einmal "sehr schwierig zu verstehen, was das überhaupt für Daten sind", erzählt der Wirtschaftsjournalist. Die Daten stammen von zwei der größten Offshore-Dienstleister der Welt, die in vielen Steueroasen tätig sind. Da es sich um verschiedene Datenbanken mit teilweise sehr alter Software handelte, mussten Datenforensiker sie für Laien lesbar machen. Eine userfreundliche Suchmaske wie zum Beispiel in Wikipedia gibt es da nicht.
Die zweite Herausforderung war es dann, auch die Dokumente und Dateien im Anhang der E-Mails automatisiert durchsuchbar zu machen. Viele Anhänge sind eingescannte Reisepässe, Bilder oder PDFs. Mit einer speziell entwickelten Software von ICIJ ist die Suche nun möglich. "Man kann jetzt zum Beispiel einen Namen eingeben und wenn dieser in einem PDF auftaucht, spuckt das System einen Treffer aus", sagt Giesen. Diese Software habe mehrere 10 000 Euro gekostet.
In den kommenden Tagen sollen nun weitere Details und Beispiele zu prominenten Steuersündern veröffentlicht werden.
http://www.flickr.com/photos/archer10/
Was machen eigentlich unsere Steuerfahnder?
Was an dieser Affäre natürlich nun zu recht sauer aufstößt, ist die fehlende Verhältnismäßigkeit. Jeder, der etwa aus der Schweiz einen PKW importiert und über die Grenze fährt, kann sich von der Gründlichkeit der Steuerbehörden überzeugen, ja nicht um die NOVA (Normverbrauchsabgabe) umzufallen. Jeder Arbeitnehmer muss pünktlich Lohn- und Einkommenssteuer abführen. Bei den reichsten 130 000 Personen und Konzernen scheinen aber eben etwas andere Spielregeln zu gelten, wie das durch den Offshore-Leaks-Datensatz bestätigt wird.
Gang und Gäbe
Und zwar durchaus nicht als "seltene Ausnahme". Und wie immer, wenn es um viel Geld geht, ist die Grenze zwischen legal und illegal dabei durchaus fließend. Ob es nun um komplizierte Verflechtungen von Briefkastenfirmen in Steueroasen, um das künstliche "Verkleinern" des Gewinns und damit der Steuern oder einfach nur um die Ersparnis der Kapitalertragssteuer geht: für jene, die entsprechende Zugänge zu dieser Spielart der Steuerkreativität haben, scheint der Spielraum schier endlos.
- Der Spiegel über Offshore Leaks
Geschäftsmodell ohne Ablauf
Immerhin ist das Anbieten von Steuervorteilen ja auch durchaus ein Geschäftsmodell – wie wir ja auch erst in Zypern wieder gesehen haben. Und nicht von ungefähr halten sich auch die großen Volkswirtschaften der Welt ihre Steueroasen – die USA etwa im Bundesstaat Delaware, Großbritannien gleich auf mehreren Inseln.
Dass es allerdings mit genügend politischem Willen möglich wäre, hier Lücken zu schließen, Steuern zu harmonisieren und damit für mehr Steuergerechtigkeit zu sorgen, haben ebenfalls die USA bewiesen. Und zwar, als sie einst die Herausgabe von Daten über US-Bürger von der Schweizer UBS forderten – und die Schweizer nach genügend Druck dann ihr scheinbar unknackbares Bankengeheimnis kurz lockerten. Bei Konzernen darf man sich eine dermaßen rigide Vorgangsweise aber auch nicht von den USA erwarten, Großkonzerne wie Apple oder Google sind ja ebenfalls von derartigen "Steuerkonstruktionen" abhängig.
Wer steckt wo mit drinnen?
Worauf man nun also ganz genau schauen muss, ist der politische Wille, hier Abhilfe zu schaffen. Gelingt dies nicht, dann erhärtet sich wohl der Verdacht auf eine gewisse Mitverwicklung politischer Entscheidungsträger.
Schon jetzt sprechen die beteiligten Aufdecker-Journalisten davon, dass auf der Liste der betroffenen Personen neben Waffenschiebern, Warlords und russischen Oligarchen auch der eine oder andere Politiker, auch etwa aus Griechenland, steht.
Ach ja, das griechische Haushaltsdrama könnte ohne diese Steuerverluste, die eben rund 100 Personen aus Griechenland durch offshore-Steuerflucht verursacht haben, vermutlich auch etwas leichter bewältigt werden.
Die Sache mit den Inseln und den Steuern bleibt jedenfalls spannend, auch wenn zwar kein österreichisches Medium dabei ist, dafür aber zahlreiche Österreicher auf der geheimen Liste stehen.