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David Pfister

Rasierklingen, Schokolade, Zentralnervensystem, Ananas, Narzissmus und Ausgehen.

29. 3. 2013 - 16:00

Vietnam, mon amour

Ein Wiener Jude im Dienst von Ho Chi Minh. Die nahezu unglaubliche und atemberaubende Biografie des Wieners Ernst Frey.

25. August 1950
Lieber Kamerad Nguyen Dan (Ernst Frey).
Ich bedaure, dass ich Ihnen zum Abschied nicht die Hand geben konnte. Aber egal, wo Sie auch sein werden, ich bin mir sicher, dass Sie alles in Ihrer Macht Stehende tun werden, um unserer Sache zu dienen.
Ho Chi Minh
Ich wünsche Ihnen eine gute Reise und Gesundheit!

Ernst Frey ist sich wie viele österreichische Kinder in den Zwanzigerjahren des letzten Jahrhunderts nicht bewusst, dass er Jude ist. Dann folgt das Schicksal, das Viele erleiden mussten. Die brüchige Erste Republik und der Austrofaschismus geht 1938 im nationalsozialistischen Deutschland auf. Zu dieser Zeit ist Ernst Frey schon aktiver überzeugter Kommunist und hat in dieser Eigenschaft - und als Jude - schon eine Menge Demütigungen erleiden müssen. Die Matura darf er nicht machen, er wird immer wieder inhaftiert, seine Familie wird enteignet, sein Leben ist bedroht. Frey bleibt nur die Flucht. Es wird eine unglückliche Flucht.

Ich erreichte die Station Meidling-Südbahnhof, die von der Heimwehr besetzt war. Kein gutes Zeichen, alle Bahnhöfe lagen in der Hand der Gegner. Wie waren überall in der Defensive, trotzdem wollte ich es noch nicht glauben. In der Ferne, weit weg von meinem Standplatz, hörte ich ein dumpfes Gewitterrollen. Niemand hatte mir erzählt, dass der Schutzbund auch Artillerie hatte. Ich dachte wirklich, dass wir mit Kanonen auf unsere Gegner schossen, erst später erfuhr ich, dass der Geschützdonner von der Artillerie des österreichischen Bundesheeres herrührte, das in Kaisermühlen den Goethe-Hof, in Floridsdorf den Schlinger- und in Heilgenstadt den Karl-Marx-Hof unter Beschuss genommen hatte.

Czernin Verlag

Czernin Verlag

Oberst Nguyen Dan

Nach Strapazen und Problemen gelingt Ernst Frey endlich die Flucht über die Schweiz in das noch nicht von den Deutschen besetzte Frankreich. Dem völlig mittellosen Frey bleibt nur ein Ausweg – die Fremdenlegion. Was für einen Kommunisten ein völliger Tabubruch ist, für den französischen Imperialismus kämpfen. Für Frey ist die Fremdenlegion Mittel zum Zweck. Er bekommt eine neue Identität und landet über Umwege schließlich im von den Franzosen kontrollierten Vietnam. Dort kämpft der charismatische Ho Chi Minh mit der nationalistisch-kommunistischen Gruppe Vieth Minh für die Unabhängigkeit Vietnams. Frey der inzwischen eine tiefe Liebe für das gequälte Land hegt, tritt der Partei bei und wird schlussendlich Oberst mit vielen Befugnissen und Verantwortungen.

Und dann endet die Biografie des damals noch jungen Mannes mit der Erkenntnis, dass durch keine Ideologie die Menschen von ihrer Unvollkommenheit erlöst werden können.

Ohne dass ich es wollte, wurde ich in diesem Strudel der Begeisterung mitgerissen. Ich applaudierte bei zündenden Reden und schrie „Hoch“, wenn es die Situation erforderte, dann wie brüllte ich „Nieder“, wenn man es erwartete.
Ich war wieder der alte Ernst Frey alias Nguyen Dan, der begeisterte und kompromisslose Kommunist.

Vietnam, mon amour von Ernst Frey ist im Czernin Verlag erschienen.

Und dann passierte es; der Sall, die Gesichter, die Worte des Mannes am Rednerpult blieben unverändert, nur die roten Fahnen mit dem gelben Stern in der Mitte bekamen plötzliche einen kreisrunden, weißen Untergrund, von dem sich schwarz und drohend das Hakenkreuz abhob. Ich schloss die Augen, und die Fahnen wurden wieder normal, ich öffnete sie, und erneut wuchsen Hakenkreuze aus der Flaggenmitte hervor. Das Schauspiel trieb mir den kalten Schauer über den Rpcken, und tödliche Schwermut ergriff mein Herz.

Im Nachwort von „Vietnam, mon amour - Ein Wiener Jude im Dienst von Ho Chi Min.“ des Wieners Ernst Frey, schreibt seine Tochter wie schwer es war, die Autobiografie ihres Vaters zu veröffentlichen. 1951 hatte Ernst Frey bereits sein Manuskript fertig. 50 Jahre sollte es bis zur Erscheinung der ersten Ausgabe dauern.

Jetzt gibt es allerdings eine neue, überarbeitete Ausgabe erschienen und es ist wünschenswert, dass viele Menschen diese unglaubliche und atemberaubende Biografie lesen.