Erstellt am: 26. 3. 2013 - 09:06 Uhr
Flüchtlings-Proteste: 27 negative Asylbescheide
Das Servitenkloster im neunten Wiener Gemeindebezirk sei ein Platz, wo die Flüchtlinge zur Ruhe kommen und sich von den Strapazen der vergangenen Wochen erholen können. So hieß es noch vor drei Wochen, als die Flüchtlinge ihren Hungerstreik und Protest in der Votivkirche aufgaben und ins nahe Servitenkloster zogen. Von Projekten war die Rede, von Renovierungsarbeiten und von aufkeimender Hoffnung. "Sie haben uns viele Versprechungen gemacht", sagt Mir Jahangir. "Und sie haben sie alle gebrochen".
Negative Asylbescheide
Die Stimmung ist denkbar schlecht in den Kellerräumen des Servitenklosters. An den aufgestellten Feldbetten und an der dürftig eingerichteten Küche hat sich seit dem Einzug am 3. März nicht viel verändert.
Dafür bekommen die mehrheitlich aus Pakistan stammenden Flüchtlinge jetzt alle paar Tage Post von den Behörden, persönlich von Beamten aus dem Innenministerium zugestellt. Der Inhalt der Schriftstücke laut den Refugees: in der Regel eine negative Nachrichten zu einem der 63 Asylverfahren.
Schnelle Verfahren
"Bevor wir mit den Protesten gestartet haben, hatten nur drei von uns einen negativen Bescheid in ihrem Asylverfahren. Jetzt sind es 27, die keine Rechtsmittel mehr ausschöpfen können", sagt Mir Jahangir. Einige dieser negativen Bescheide sollen erst nach der Einwilligung zur Kooperation mit den Behörden und der Übereinkunft zur genauen Prüfung der Asylanträge ausgestellt worden sein, beklagt er.
Wieder entäuscht
Zentraler Punkt dieser Übereinkunft war die Kooperation der Refugees mit den Behörden. Das bedeutet, die Flüchtlinge werden im Servitenkloster angemeldet, für die Anwesenheit übernimmt die Caritas die Verantwortung. Im Gegenzug sichert das Innenministerium zu, dass damit keine Schubhaftgründe für die Protestierenden vorliegen. Dass unter der Hand zumindest eine Bereitschaft zur schnellen und positiven Abwicklung der Asylanträge suggeriert wurde, darauf haben viele der Refugees bis zuletzt gehofft. Sie werden nun einmal mehr enttäuscht.
APA/HERBERT P. OCZERET
Resignation statt Rebellion
Was das Innenministerium unter Rechtsberatung und Projekten versteht, erlebten die Flüchtlinge drei Tage nach dem Einzug ins Servitenkloster. Ein Behördenvertreter klärte über Rückführungsprojekte in die Heimatländer auf. Sprich: Wer freiwillig geht, bekommt Geld. Wer sich dann trotz negativem Asylbescheids weigert, bekommt gar nichts und wird abgeschoben. "Zwar werden sie dann nicht alle auf einmal abholen, aber die Polizei wird dann vermutlich einfach einen nach dem anderen in der Früh mitnehmen", sagt einer der Unterstützer von den Flüchtlingen resigniert.
"Sind System leid"
Von den Vertretern aus Politik und Kirche, die Hilfe zugesagt haben, fühlen sich viele der Refugees nun verraten. Mir Jahangir: "Wir haben den Protest gestartet, weil wir dieses System leid sind; Das hin und her zwischen Hilfsorganisationen und Behörden, Caritas und Bundesasylamt; Am Schluss werden trotzdem alle abgeschoben; Deswegen haben wir protestiert; Und jetzt haben wir wieder dieselbe Situation; Wir sind jetzt drei Wochen hier, niemand hat einen Anwalt bekommen, es gibt 24 mehr negative Asylbescheide und wir sind uns selbst überlassen." In Wirklichkeit sei es nur darum gegangen, die Leute aus der Votivkirche raus zu bekommen, weg von den Medien und der Öffentlichkeit, sagt der junge Student aus Kashmir.
Caritas: "Jeder Flüchtling bekommt Rechtshilfe"
Die Darstellung, dass die Flüchtlinge keine Rechtsberatung und Anwälte bekommen, stimme nicht, sagt Klaus Schwertner, Geschäftsführer der Caritas Wien. Jeder der Flüchtlinge hat Rechtsberatungen bekommen. Außerdem kümmern sich zwei Anwälte, die ausschließlich von der Caritas bezahlt werden, um die Asylverfahren der Flüchtlinge im Servitenkloster. Von drohenden Abschiebungen kann ebenfalls nicht gesprochen werden, sagt Schwertner.
Aus den Augen, aus dem Sinn
Khan Adalat, der Älteste der Gruppe, kritisiert allerdings, dass es hier im Kloster leichter fällt, die Anliegen der Flüchtlinge zu ignorieren. "Genauso, wie unsere Probleme seit Jahren in Europa einfach ignoriert werden", sagt der 48-Jährige. Der Paschtune kommt aus dem nordpakistanischen Swat-Tal, dem Aufmarschgebiet der Taliban. Diese Region sei ein Spielplatz für die ganze Welt. "Wir haben alle möglichen religiösen Gruppen in unserem Land, Fanatiker, die NATO, die pakistanischen Sicherheitsbehörden und Geheimdienste. Die führen einen blutigen Krieg gegeneinander", sagt Khan Adalat. Warum die österreichischen Behörden die Situation in Pakistan als sicher einstufen und kein Asyl geben, versteht er nicht.
Angst vor Repression gegen Rückkehrer
Vor der Rückkehr oder einer drohenden Abschiebung haben viele seiner Mitstreiter nun große Angst, erzählt Khan Adalat. "Das Problem ist, dass unsere Geschichte jetzt überall bekannt ist". Die Welt sei mittlerweile ein digitales Dorf und die Interviews, die Artikel und die Meinung der Protestierenden zu Pakistan sei auch den Leuten in ihrer Heimat nicht verborgen geblieben. Man fühle sich nun nicht mehr nur durch religiöse Gruppen gefährdet, sondern auch durch die pakistanischen Sicherheitsbehörden, sagt er. Diese Vorbehalte teilen auch die Flüchtlinge aus Afghanistan, Marokko und dem Sudan für ihre Heimatländer, sagt Mir Jahangir.
[Update, 27. März 2013]
Dieser Darstellung widerspricht allerdings das Innenministerium. Laut offiziellen Zahlen gibt es seit dem Umzug ins Servitenkloster nur einen Fall unter den 63 eingezogenen Flüchtlingen, bei dem das Asylverfahren letztinstanzlich negativ abgeschlossen wurde. Wie das zu Beginn der Proteste, also dem Marsch von Traiskirchen nach Wien war, ist seriöserweise nicht mehr nachvollziehbar und belegbar. Die Protestierenden waren zu diesem Zeitpunkt keine geschlossene Gruppe, es gab im Protestcamp und auch zu Beginn der Besetzung der Votivkirche ein Kommen und Gehen. Die Zahlen aus dem Innenministerium besagen, dass während des Aufenthalts der Protestierenden in der Votivkirche fünf Asylverfahren negativ abgeschlossen worden sind, weil die Betroffenen Fristen verabsäumt haben.