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Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

24. 3. 2013 - 16:50

Minimalismus, flauschig

Der Song zum Sonntag: Float Fall - "Someday"

Der Song zum Sonntag auf FM4 in Kooperation mit der Presse am Sonntag

Schön ist’s, wenn uns die Kunst verstört und durchrüttelt, uns ärgert und eine neue Welt zeigt. Oft will man es sich aber bloß im Altbekannten bequem einrichten und laut sagen: "Das kenne ich, mehr bitte genau davon." Davon, dass die immer noch so sehr junge und überraschend erfolgreiche englische Band The xx vor vier Jahren mit ihrem Debüt-Album ein in dieser Konstellation und Klarheit so noch nie gehörtes neues Klangdesign erfunden hat, ist schon oft die Rede gewesen.

Ein Sound, der der Band sicherlich auch ein wenig zufällig, aus dem Wechselspiel der beteiligten Personen resultierend, in den Schoß gefallen und nicht groß am Reißbrett entworfen worden ist. Die extreme Verdichtung von bis auf die Knochen entschlacktem gloomy Postpunk und das Einkochen und Herunterdestillieren von englischer Bass Musik auf einige wenige rudimentäre Signale.

Nicht zuletzt und gut dokumentiert trägt der intime Tanz, den die Stimmen von Sängerin Romy Madley Croft und Sänger Oliver Sim immer wieder miteinander in engster Vertrautheit vollführen, dazu bei, dass The xx damals so klangen - und es immer noch tun - wie nichts anderes in der Welt. Ein Klang, der in seiner bescheiden und putzig daherkommenden Drastik wohl einzig in der nach wie vor viel zu unbekannten walisischen Postpunk-Band Young Marble Giants einen Vorläufer hat. Die Young Marble Giants veröffentlichten 1980 ihr einziges Album "Colossal Youth", auf dem allein Gitarre, Bass, eine dünne Stimme und eine da und dort beiläufig pluckernde Drum-Machine sich zu einer merkwürdig entrückten Geistermusik fügten. Man soll die Young Marble Giants immer wieder neu entdecken und sich fragen, was denn da eigentlich los ist!

Float Fall

Float Fall

Float Fall

Mittlerweile sind The xx freilich selbst Vorbilder geworden: James Blake nennt die Band gerne als großen Einfluss auf seinen Minimal-Pop, viele schlechte, schlechte Bands versuchen sich an der Verschränkung von Indie-Songwriting und Post-Step-Geblubber. Der jungen belgischen Band Float Fall gelingt die Aufnahme des xx-Prinzips ins eigene Leben ganz wunderbar - auch weil eben nur als Startrampe und nicht zum alleinigen Selbstzweck.

Aus Gitarre, Keyboard und kargen Beats aus der Maschine bastelt das Duo eine Flüster-Musik, die von der Kälte und der Sterilität von The xx befreit ist und stattdessen, mitunter durchaus auch gerne etwas naiv und großäugig, die Wohligkeit und Flauschigkeit von verhuschtem Dream Pop versprüht. Auf der am Montag offiziell erscheinenden Debüt-Single von Float Fall namens "Someday" umspielen und betasten sich die Stimmen der beiden Bandmitglieder Rozanne Descheemaeker und Ruben Lefever auf ganz behutsame und den Körper wärmende Art und Weise.

Die Texte des Songs sind aus dem jugendlichen Poesie-Album gefischt: "It’s Cold Outside / It’s Winter Time / You Always Smile / But Now You Cry". Wenn Rozanne Descheemaeker mit zerbrechlichem Schmelz und gleichzeitiger ausdrücklicher Gewissheit singt: "Someday You’ll Understand The Reason Why You Just Can‘t Be My Man" scheint diese Zeile nicht aus einem unterkühlten Postpunk-Song der harten 80er gestohlen zu sein, sondern vielmehr einer Country-Nummer entsprungen, die sich die gute June Carter in den 60ern ausgedacht hat und in der sie gut gelaunt und zukunftsfroh gegen den Schmerz und die Wirrungen im Leben ansingt. "Someday You’ll Smile" heißt es am Schluss noch einmal in diesem traurigen, fröhlichen Lied, die Orgel hallt nach und man mag es vielleicht wirklich kurz glauben, dass irgendwann einmal alles gut wird.