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Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

22. 3. 2013 - 16:08

Something for the Weekend

Ausgehtipps. Fire in the Disco. Right on.

Freitag

"Damals gab es keine Platten, auf denen ewig ein Beat lief. Deshalb nahm man zweimal die gleiche Platte und verlängerte den kurzen Teil, in dem nur der Beat lief, indem man diese Stelle immer hin und her cuttete. Im HipHop wurde das gemacht, um darüber zu rappen. Aber ich wollte das, um einen neune minimalistischen Dance-Style zu schaffen."

Mit diesen Worten wird auf Seite 21 des bei Suhrkamp erschienenen und immer wieder empfehlenswerten Buches "Der Klang der Familie", der imposanten und detailreichen OralHistory über Techno-Berlin von Felix Denk und Sven von Thülen, der langgediente DJ Westbam zitiert. Nun muss man wirklich nicht unbedingt gleich davon ausgehen, dass der ursprünglich aus Münster stammende Mann, der sich in Anlehnung an sein Vorbild Afrika Bambaataa seinerzeit den Namen "Westfalia Bambaataa" gegeben hat, Techno und das Plattenauflegen erfunden hat. Dass Westbam die Bewegung im deutschen Sprachraum jedoch mitbefördert hat wie kaum ein anderer, ist unumstritten.

Westbam

Westbam

Westbam

Als man sich Anfang der 90er unter "Techno" noch hauptsächlich Menschen vorstellte, die mit komischen Trucks durch Berlin fuhren und in organgener Montur auf Plateauschuhen um die Siegessäule tanzten, und Marusha in Fernsehshows erklären durfte, was das eigentlich ist, was DJs so machen, konnte Westbam schon auf eine gut zehnjährige Karriere an den Plattentellern zurückblicken. In den letzten Jahren ist es ruhiger um ihn geworden. Als cool gelten andere, nicht Westbam, der sich für den sogenannten Mainstream nie zu schade gewesen ist, und in seiner musikalischen Laufbahn, man muss es sagen, schon etliche schreckliche Platten zu verantworten hatte. Aber auch richtig gute, "Beatbox Rocker" beispielsweise, oder auch das hier.

Heute ist Westbam in der Pratersauna zu Gast. Ganz nebenbei hat er mit "Götterstraße" ein neues Album im Gepäck, das mit Unterstützung solch illustrer Gäste wie Bernard Sumner von New Order, Iggy Pop, Lil' Wayne oder Brian Molko entstanden ist und so schon von der Konzeption wieder einmal ziemlich absurd, aber immerhin "interessant" anmutet. Man soll das Erscheinen von Westbam an den Turntables bitte nicht bloß als ironisch-nostalgisches Vergnügen verstehen, oder gar, um ein besonders hässliches und viel zu oft verwendetes Wort zu benutzen, als "Kult", sondern - auch wenn momentan die Information fehlt, was der gute Mann aktuell nun tatsächlich so auflegt - sich der Tatsache bewusst sein, dass hier jemand mit Geschichte und Ahnung am Werk ist, jemand mit breitgefächertem Geschmack und nicht zuletzt Humor, der sein Handwerk beherrscht. We'll Never Stop Living This Way.

Außerdem: Luv Boat mit den Luv Shack Allstars im Titanic.

Sehr gutes und empfehlenswerte Edutainment: Accordia - der erste österreichische Schallplattenclub im rhiz. Mit einer Sound-Lecture zu instrumentalem Rock'n'Roll und Surf aus Österreich, der wunderbaren Band Beach Girls and the Monster live und unter anderem den DJs El Salgado und Tex Rubinowitz.

Der Klub Fraktal ist im immer noch recht neuen Werk am Start. Mit Gast-DJ Precious K und dem Wiener Duo Austrian Apparel Live.

Die Postgarage Graz feiert ihren zehnten Geburtstag: Mit Peter Kruder, dem Sofa Surfers Soundsystem ft. Saedi und vielen mehr.

Free the Robots

Free the Robots

Free the Robots

Samstag

Das Cafe Leopold bekommt im Rahmen der Veranstaltungsreihe Can U Dig It? Besuch von Free the Robots und Mono/Poly: Die beiden kalifornischen Produzenten aus dem Dunstkreis der Brainfeeder-Gang um Flying Lotus schrauben und löten an funky knatternder Maschinen-Musik aus der Zukunft, die aus der Ineinanderverzahnung von glitchy Elektronika, HipHop, Jazz und Science-Fiction-R'n'B entsteht. Vor allem Free the Robots' Album mit dem immer gern gehörten Titel "Ctrl Alt Delete" sei an dieser Stelle wärmstens empfohlen.

Vanity Vague, der Club für Wave und Synthpop der eher kalten und nachtschwarzen Sorte, feiert den fünften Geburtstag im Fluc. Mit Oppenheimer MKII, Bildplatte und Cramboy.

Die neue österreichische Band Snow Crystal gibt im rhiz ihr erstes Konzert überhaupt. Viel ist noch nicht bekannt über die Gruppe, vermutlich und vertrauenswürdigen Gerüchten zufolge bewegt sich das Ganze jedoch im Universum von schön wattiger Shoegazing-Musik. Und das ist ja eigentlich immer zumindest sehr gut.

Der österreichische Songwriter Philipp Pankraz tritt mit seinem melancholisch folky Projekt :thebigempty bei der Create Night #2 im Morisson auf.

Der Strom.Club und das Lighthouse Festival treffen sich in der Pratersauna. Für die gemeinsame Party hat man das wirklich famose Schweizer Duo Round Table Knights an die Abspielgeräte geladen. Die zwei Herren haben ein recht feines Album bei Made To Play, dem Label von Jesse Rose, veröffentlicht, vor allem aber als DJs sind sie meist eine Erleuchtung. Auf dem Fundament von House bauen die Round Table Knights da meist extrem partytaugliche, bunt gescheckte Sets, die einerseits zwar den Pop-Moment nicht scheuen, jedoch auch nicht zu schrill auf die Eklektizismus-Hupe drücken.

Die Geburtstags-Feierlichkeiten der Postgarage Graz gehen weiter, u.a mit Dusty Kid und vielen mehr.

"Diese Idee - eigentlich brauche ich nur einen Beat, ein Strobo und Leute, die schreien - konnte man schon in einigen Momenten hören." (Westbam, "Der Klang der Familie", Suhrkamp 2012)