Erstellt am: 21. 3. 2013 - 18:50 Uhr
My own private Verbier
"Jo mei, jetzt hamma aber gnug von der Kälte!"
"Aber wirklich, jetzt könnt er schon aufhörn der Winter, gell?"
Dieses Frühlings-Geseier geht uns Schneefreaks unpackbar auf den Senkel. Wie kann man Jahrzehnte seines Lebens in unseren Breiten leben und noch immer nicht realisieren, dass der Frühling hier erst Ende April beginnt, während März der zweit-schneereichste Monat des Jahres ist!? Genau deshalb findet das Finale der Freeride World Tour in Verbier immer Ende März statt und zwar Freitag 22.3. um 9.00 morgens. Dringendste Empfehlung gleich vorweg: Den grandiosen Livestream anschaun (auch nachher noch on demand verfügbar)!!
+++BREAKING NEWS+++
Nadine Wallner (AUT) wurde soeben Freeride World Champion! Gratulation!!!!
reich
Letztes Jahr hab ich einen ganz großen Punkt auf der to-do-Liste meines (Skifahrer-)Lebens erledigt: Einmal live dabei sein bei der ultimativen Challenge für FreeriderInnen, dem Xtreme Verbier. Und dann gewinne ich auch noch quasi den Extraball: Der Einheimische Jérémie Heitz - im heurigen Freeride World Tour Ranking auf Platz 2 (!!) - kraxelt mit mir auf diesen furchterregenden Berg, der eher nach Bergsteigen als nach Skifahren ausschaut, oder?
reich
Wer nicht weiterlesen will - hier ist der Soundtrack zu den Bildern as heard in...
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Die Arena fürs Publikum befindet sich in Verbier am Col des Gentianes. Von hier aus hat man das gesamte Face im Blickfeld und kann per Feldstecher (oder auf der großen LED-Wand) die Runs vom Gipfel bis ins Ziel mitverfolgen.
Tero Repo/FWT
Genau hier erklärt mir Jérémie Heitz die Kriterien dieses Berges:
"Wir haben hier den Bec des Rosses frontal vor uns und die Fragestellung ist genauso wie für die Rider im Wettkampf: Wo können wir runterfahren? Wo gibt es gute Cliffs mit einem sicheren Landebereich? Und wie können wir zwei auch noch das Maximum an Spaß dabei haben – in Anbetracht der Tatsache, dass hier wirklich extrem viele Felsen sind – eigentlich mehr Felsen als Schnee....“
Während der junge Mann - der echt mein Sohn sein könnte - vom "Maximum an Spaß" redet, steigt mein Puls bei der Vorstellung, in diesem quasi senkrechten Felslabyrinth Ski zu fahren, in Bereiche, die für mein Alter eigentlich gar nicht mehr gesund sind, aber ich versuche sowas wie väterliche Gelassenheit vorzutäuschen.
"Also ich persönlich hab vor zwei Jahren den Einstieg direkt unterm Gipfel gewählt, habe 50-100 m unterhalb gequert um in diesen zentralen Couloir zu gelangen. Derzeit gibt es da keine Passage – wir müssten unsere Ski ausziehen und uns abseilen."
So oder so – die zentrale Rinne, die Jérémie Heitz mir da zeigt, auf die verzichte ich gern. Am ehesten würd ich mir zutrauen, die Line zu fahren, die Jonathan Charlet (F/Snowboard), der Verbier-Sieger vom letzten Jahr gewählt hat, also vom Gipfel über die Flanke und dann wieder seitlich in den Hang reindroppen. Aber vielleicht überleg ich mir auch das noch, wenn ich erst mal oben bin...
reich
reich
reich
Auf einem kleinen Zwischenplateau - ein Vorsprung mit einem Felsen - machen wir Pause und Jérémie erzählt:
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"Der Felsen hier ist ein mythischer Platz. Hier hat nämlich der Wächter immer sein Zelt aufgebaut, ein bisschen geschützt vor dem Wind, denn es gibt hier oft Sturm und Unwetter. Er kontrolliert, dass niemand hier raufsteigt und den Bec des Rosses verspurt.
Er ist wirklich eine Persönlichkeit, er ist Teil der Geschichte dieses Contests. Er ist so um die 50, ein bisschen ein Hippie - er müsste nicht unbedingt hier schlafen, aber er liebt es in den Bergen zu sein und tut es freiwillig."
reich
Wird er dafür bezahlt, dass er hier die Stellung hält?
"Ich glaub schon, dass er dafür bezahlt wird, aber er tut’s nicht wegen dem Geld, sondern weil er unter freiem Himmel leben, 2-3 Öfen rauchen und Verbier von oben betrachten will.“
reich
reich
Hier steht das Start-Gate des Xtreme Verbier, genau am Gipfel in 3.222 Meter Höhe. Wenn ich mich vorsichtig nach vorn beuge seh ich "six million ways to die"! Es braucht wirklich viel Kreativität, von hier mit Ski oder Snowboard einen Weg zu finden zum 600 Meter tiefer gelegenen Zielbereich. Ich frage Jérémie Heitz, der erst 23 Jahre alt ist und bereits Rang zwei im Ranking der Freeride World Tour einnimmt, mit welchem Alter er zum ersten Mal hier runter gefahren ist:
"Das erste mal war mit 17 wo ich den "Xtreme Verbier" von ganz oben runter bin. Es war wirklich eine Riesenehre für mich Vorläufer sein zu dürfen, denn das waren ja meine großen Idole, die da vom Bec des Rosses gefahren sind. Nicolas Hale-Woods – der Veranstalter - hat mich angerufen und gesagt: Wenn du willst, kannst du den Contest eröffnen. Damals hat es noch nicht die Junior-Contests im Rahmen der Freeride World Tour gegeben und somit keinen Zugang für die Jungen zu diesem Berg.
Er hat mir also die große Chance gegeben, den Bec runterzufahren, um den Pros zu zeigen, ob der Schnee im Hang gut ist."
Wie hast du dich gefühlt, als du zum ersten mal am Gipfel des Bec des Rosses gestanden bist?
"Sehr nervös! Es war für mich immens steil.
Ich hab mir eine einfache Line ausgewählt, aber mit dem Stress hab ich mich ein bisschen verfahren. Und ich habe halt gewusst, ich bin hier um das Face zu eröffnen und nicht um da runterzupurzeln. Es ist dann jedenfalls gut gegangen und ich war sehr zufrieden.
reich
Jérémie says:
"Die ersten 100m des Nordhangs werden wir nicht viel Spaß haben, glaub ich. Es wird sehr steindurchsetzt sein, aber es ist auf jeden Fall sehr interessant, sich das anzuschauen. Wenn du motiviert bist... let’s go!"
Fear's a man's best friend
Je mehr ich das Ganze aus der Nähe sehe, desto weniger kann ich verstehen, wie das hier möglich ist: Ich stelle mich auf das Cliff, wo der Vorjahressieger Reine Barkered (SWE) in vollem Tempo runtergesprungen ist:
reich
Den Sprung würd ich eventuell auch noch stehen, aber dann...!? Mit der Geschwindigkeit, die ich beim freien Fall aufreißen würde, könnte ich nie und nimmer die Kurve rüber zu dem Couloir kratzen sondern würde mit 100 Sachen ungebremst über die nächste Klippe krachen!
reich
Jérémie kostet das alles nur ein Lächeln:
"Ja, dieser Couloir heißt "dog leg". Die Engländer haben ihm diesen Namen gegeben, weil er - wenn es viel geschneit hat - wirklich an eine Hundepfote erinnert."
reich
Jérémie Heitz hätte heuer gute Chancen gehabt, Freeride World Champion zu werden, hat sich aber leider beim letzten Stop in Fieberbrunn verletzt. Nächstes Jahr aber dann!