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20. 3. 2013 - 16:07

Staatliche Whistleblower-Website

Anonyme Insiderinfos sollen strafrechtliche Ermittlungen unterstützen. Walter Gehr betreibt eine ähnliche Website. Seiner Ansicht nach braucht es ein Whistleblower-Schutzgesetz.

Um besser an Insiderinformationen heranzukommen, setzt das Justizministerium im Kampf gegen Korruption und Wirtschaftskriminalität künftig auf eine eigene „Whistleblower“-Website. Das anonyme Hinweisgebersystem BKMS, entwickelt von der Unternehmensberatungs-Firma Businesskeeper AG, geht am 20. März online. Es soll Ermittlern ermöglichen, mit Hinweisgebern in Kontakt zu treten, wobei deren Anonymität gewahrt wird.

Aktenkoffertransport

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User, die Korruption und Amtsmissbrauch melden wollen, können dies im BKMS nun nach Angaben des Justizministeriums "anonym" tun. Hinweisgeber und Staatsanwälte sollen dort - im Gegensatz zu Meldestellen, wo ein Verdacht "lediglich deponiert" wird - auch die Möglichkeit haben, direkt miteinander zu kommunizieren.

Wie genau die Anonymität der User garantiert bleiben soll, ist allerdings unklar. In den Erklärungen der Website heißt es unter anderem: "In Einzelfällen kann es auch bei anonymen Meldungen erforderlich sein, den Ursprung der Meldungslegung auf Basis der einschlägigen strafprozessualen beziehungsweise sicherheitspolizeilichen Vorschriften zu ermitteln".

In Deutschland sind solche Whistleblower-Systeme bereits aktiv - auch bei Konzernen und großen Organisation und laut Hersteller angeblich sehr erfolgreich, etwa beim Deutschen Bundeskartellamt, der Evangelischen Kirche oder der FIFA. Zu den Kosten für die Website wurden heute keine Zahlen genannt.

Das Interview

Walter Gehr, Beamter und Betreiber der privaten Website Whistleblowing Austria, hält die Einführung des staatlichen Hinweissystems für einen Schritt in die richtige Richtung, aber für unzureichend. Folgendes Interview hat FM4-Redakteur Paul Pant geführt:

Was halten sie von der Whistleblower-Website der Wirtschafts- und Korruptions-Staatsanwaltschaft?

Sehr einladend ist diese Website nicht. Es ist eine sehr bürokratisch eingerichtete Site, die keinen dazu einlädt, Hinweise auf Korruption oder Veruntreuung abzugeben. Sie müsste sehr viel konsumentenfreundlicher gestaltet werden und sehr viel mehr Information über die rechtlichen Konsequenzen eines solchen Handelns geben. Insbesondere müsste man die Leute darauf hinweisen, dass sie in Österreich vor Repressalien nicht geschützt sind! Die Website ist zwar ein wichtiger Schritt – denn es muss möglich sein, anonym Meldungen erstatten zu können über Korruptionsvorfälle und andere Missbrauchsvorfälle. Aber das ist nur eine Etappe auf dem Wege eines umfassenden Whistleblower-Schutzsystems.

Ist in diesem System die Anonymität der User gewährleistet?

Anonymität ist nie gewährleistet. Man kann sich nicht in der Sicherheit wiegen, dass die Identität niemals herauskommen wird.Wenn ein Korruptionsvorfall in einer Firma dargelegt wird, kann man oftmals sehr leicht herausfinden, von wem dieser Hinweis stammen könnte.

Nun gibt es ja auch den Informantenschutz, im Journalismus z.B. – ist es sinnvoll, dass der Staat solche Whistleblower-Websites einrichtet, oder wäre es besser, wenn das von privater Seite bzw. von Journalisten eingerichtet wird?

Alles wäre sinnvoll, aber gerade den Informantenschutz gibt es in Österreich nicht - z.B. für Leute, die Veruntreuung melden. Das ist der große Unterschied zu Ländern, wo es einen echten Whistleblower-Schutz gibt und wo ein Hinweisgeber, der einen Verdacht plausibel darlegen kann und nicht bloß verleumdet, geschützt wird – insbesondere vor Kündigung.

Es gibt die Kritik, dass eine solche Website das „Vernadern“ fördern würde. Was sagen sie dazu?

Diese Kritik differenziert nicht. Es geht nicht darum, dem Vernadern oder der Verleumdung Vorschub zu leisten. Es geht vielmehr darum, schwere Missbräuche wie Korruption und Wirtschaftskriminalität ans Licht zu bringen, damit die Regeln des anständigen Wirtschaftens eingehalten werden – nicht nur zu Gunsten der Verbraucher, sondern auch zu Gunsten der Mitbewerber.

Sie selbst betreiben "Whistleblowing Austria." Warum haben Sie diese Website ins Leben gerufen?

Ich habe diese Site ins Leben gerufen im Wissen, dass es in Österreich überhaupt keinen Whistleblower-Schutz gibt. Mich hat das sehr verwundert, weil in anderen Staaten Europas, insbesondere Großbritanien, ein solcher Schutz gang und gäbe ist, also zumindest gesetzlich geregelt ist – die Praxis sieht dann immer anders aus. In den USA gibt es das sowieso. Und internationale Organisationen, die in Wien ansässig sind, wie z.B. die UNO, haben für ihre eigenen Angestellten eine Whistleblower-Regelung. Umso seltsamer ist es, dass es das in Österreich nicht gibt – insbesondere, weil Österreich von internationalen Organisationen dafür gerügt wurde, dass es kein solches Gesetz hat.

Whistleblower

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Welche Erfahrungen haben sie mit ihrer Website gemacht?

Unsere Website ist keine „Leaks“-Plattform, d.h. wir fordern die Menschen nicht aktiv auf, uns Informationen zu schicken. Die Website ist eher als Informationsplattform gedacht. Es melden sich aus ganz Österreich Personen, die Rat haben wollen. Wir weisen dann darauf hin, dass in Österreich die Möglichkeit, sich vor Repressalien zu schützen wenn man auf Korruption hinweist, sehr eingeschränkt sind.

Nun wird seitens des Ministeriums argumentiert, dass man die Kronzeugen-Regelung eingeführt hat, sie ein Erfolg war und die neue „Whistleblower“-Website eine Ergänzung zu dieser Kronzeugen-Regelung sei. De facto gibt es aber nur einen Kronzeugen, den Telekom-Prokuristen Gernot Schieszler. Gibt es in Österreich so wenig Korruption?

Die OECD hat noch vor zwei Jahren gesagt, Österreich sei eine „Oase der Korruption“. Was bei uns unterentwickelt ist, ist das Bewusstsein darüber. Das wird durch die Vorkommnisse der vergangenen Jahre nun sukzessive besser. Was uns fehlt, ist die Transparenz in der Gesellschaft. Es ist bezeichnend, dass in Österreich und auch in Deutschland Menschen, die Missstände aufzeigen, als „Vernaderer“ dargestellt werden. Das kann ja nur eine Schutzbehauptung derjenigen sein, die etwas zu verstecken haben.

Was wären nach der „Whistleblower“-Website der Korruptions-Staatsanwaltschaft die nächsten Schritte?

Die Reform des Amtsgeheimnisses, die auch schon von verschiedenen Parteien laut angedacht wurde. Vor allem aber die Einführung eines richtigen Whistleblower-Schutzgesetzes. Eines Gesetzes, das Personen, die Korruption und andere Vergehen melden, vor Repressalien und besonders auch vor Kündigung schützt. Es ist wieder einmal bezeichnend, dass es einen solchen Schutz seit letztem Jahr für Beamte und Vertragsbedienstete gibt - also für staatliche Organe - nicht aber für Menschen, die in der Privatwirtschaft tätig sind. In den USA gibt es sogar branchenspezifische Whistleblower-Regelungen, etwa für die Börse, die Atomindustrie und sogar den Sicherheitsapparat. Wenn sich ein Hinweis als wahr herausstellt, streift der Hinweisgeber in Amerika bis zu 30 Prozent der Schadenersatz-Summe ein! In Irland werden jene Menschen, die Repressalien gegen Hinweisgeber anwenden, mit bis zu zwei Jahren Haft bestraft. Und etwa das englische Gesetz schützt Hinweisgeber aller Berufsgruppen so umfassend vor Repressalien, dass es als Modell für Österreich dienen könnte.