Erstellt am: 24. 4. 2013 - 17:42 Uhr
Small Screen Stories: Die Ich-Perspektive
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Es war ein neues Video der russischen Indie-Punk-Band Biting Elbows, das diese lange angedachte Sammlung von Musikvideos aus der Ego-Perspektive endlich zum Leben erweckte. Musikalisch wäre der Song, um den es geht, nicht weiter der Rede wert - erinnert er doch eher an über-offensichtliche Songs, mit der uns das Hollywood-Kino manchmal gerne die gerade gewünschte Gemütslage aufs Auge drückt (Hallo, The Wrestler! Hallo, Drive!) Ziemlich hollywood ist dann auch das Video (übrigens das Sequel zu dem hier): Explosionen, finstere Gesellen, ein Koffer mit mysteriös leuchtendem Inhalt und viel Gewalt. All das wirkt extrem unmittelbar, weil das Video komplett aus der Ego-Perspektive gedreht ist und wir mitten durchs Gemetzel flitzen...
Video-Regisseur Ilya Naishuller ist übrigens auch der Sänger der Band und hat jetzt tatsächlich einige Anfragen aus Hollywood bekommen. Vielleicht wird man den Namen also demnächst auf dem Plakat eines wirklichen Action-Filmes sehen...
Vor 16 Jahren gab's die billigen und einfach umschnallbaren Mini-Kameras, die im obigen Beispiel verwendet wurden, noch nicht. Umso bemerkenswerter, wie stark uns auch das Video zu "Smack My Bitch Up" von The Prodigy direkt ins Geschehen hineinzieht, das von harmlosen Partyvorbereitungen in eine in allen Belangen exzessive Nacht übergeht. Der schwedische Regisseur Jonas Åkerlund machte sich mit dem - von der Band ursprünglich abgelehnten und auch auf den meisten Musikkanälen maximal spätnachts gespielten - Ausnahme-Video international einen Namen. (Und das Internet würde seinen Namen nicht verdienen, gäbe es dort davon nicht auch eine Katzenversion ...)
2002 versuchte sich Åkerlund auch an der Langform, der Chrystal Meth-Film "Spun" wirkte aber leider weitgehend wie ein ausgedehntes Musikvideo mit kurzen Handlungsunterbrechungen. In den letzten Jahren besonn er sich wieder auf seine Vorliebe für kurze Provokationen und drehte Videos mit etwas Schock-Faktor für Leute wie Lady Gaga oder Rammstein.
* (Einschub: kürzlich ist das Kanye-Demotape aufgetaucht, interessant!)
Was das "Smack My Bitch Up" Video neben der Perspektive wegweisend machte, war auch das aufgefeilte Sounddesign, das die Musik den gezeigten Situationen (und der immer "erweiterteren" Wahrnehmung des/der Protagonist/in) anpasste. Daran hat sich auch Kanye West ein Beispiel genommen, als er mit Chris Milk das zweite Musikvideo seiner damals noch jungen Karriere* drehte . Die erzählte Geschichte ist hier aber weit weniger sensationalistisch: Kanye hetzt hinter einer angebeteten female who's addicted to retail durch einen Flughafen, bekommt etwas Senf aufs edle T-Shirt, muss wegen zuviel Edelmetall selbst durch den Scanner und wird schließlich beim dramatischen Abschied von seinem Buddy Common (in einer frühen Schauspielrolle als Airport-Security) nicht mehr durchgelassen. Dann eben zurück in die Limousine - erste Ansätze der Superstar-Einsamkeit, die sich später als roter Faden durch Wests Schaffen ziehen sollte...