Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Überraschungen am Ende!"

Maria Motter Graz

Bücher, Bilder, Kritzeleien. Und die Menschen dazu.

17. 3. 2013 - 13:42

Überraschungen am Ende!

Das Finale bei der Diagonale 2013: Die Spielfilm-Jury hätte sich zwischen Ulrich Seidl und Michael Haneke entscheiden können. Und im Dokumentarfilm ist die Subjektive auf Super 8mm unschlagbar.

Macht es Sinn, die ausgezeichneten FilmarbeiterInnen von Produktionen zu nennen, die ein größeres Publikum abseits der Diagonale nie sehen werden? Je mehr Diagonale-Tage vergangen sind, desto öfter machte sich Bedauern beim Blick in den Spielplan bemerkbar: Diesen und jenen Kurzfilm wollte man doch noch ansehen!

Zum Nachhören
Fragen zur Verwertung stellte sich die FM4 Spezialsendung zur Diagonale live aus Graz. So hat sich Markus Keuschnigg online auf die Suche nach österreichischen Filmen gemacht - spannend!

Fakt ist: Selbst Gewinner-Filme der Diagonale finden nicht automatisch einen Verleih, der einen österreichweiten Kinostart garantiert. Und um Online-Lösungen für dieses Dilemma fehlt es nicht an technischen Strukturen, sondern es gibt rechtliche Fragestellungen. Besser früher als später sollte allen klar sein: "Wir müssen aufhören zu denken, dass wir cool sind und unsere Filme cool sind und die Leute halt ins Kino gehen sollten", so brachte es Arash T. Riahi gestern Nachmittag auf den Punkt. Und ich verstehe das nicht bezogen auf Arash T. Riahi und seinen Bruder Arman, die mit ihrem Projekt "Everyday Rebellion" erst mal im Netz loslegen. Weil Kinoarbeit dauert, die Gegenwart aber ungeduldig ist und das Tool für Clips, Reaktionen und Aktionen längst bereitsteht. Die Riahi Brothers wissen, was sie tun.

Bis das alles in den Strukturen und weiteren Köpfen der Branche angekommen ist, wird protokolliert und in Filmstills geteasert. Herzliche Gratulation an alle GewinnerInnen - und an die Jurys! Das waren Überraschungen!

Bester Spielfilm

Tizza Covi und Rainer Frimmel mit ihrem Großen Diagonale-Preis Spielfilm

Diagonale / Klaus Pressberger

Der große Diagonale-Preis für den besten österreichischen Spielfilm ging an "Der Glanz des Tages" von Tizza Covi und Rainer Frimmel. Der Schauspieler Philipp Hochmair spielt darin sich selbst und trifft auf Walter, einen ehemaligen Zirkusmann und Bärenringer, der sich als Onkel Hochmairs herausstellt. Biografien und Fiktion vermischen sich, es geht um das Leben und das Theater.

Philipp Hochmair vor Spiegel, telefonierend und geschminkt als Mäuserich

Stadtkino Filmverleih

Beste Doku

Die Gewinnerin der Diagonale 2013 heißt allerdings Bernadette Weigel. Ihre Reise ohne definiertes Ziel in "Fahrtwind - Aufzeichnungen einer Reisenden" fand sich im Preisregen wieder: Das kleine Team der Regisseurin wurde mit Preisen bedacht, bis Weigel schließlich als Gewinnerin des besten österreichischen Dokumentarfilms auf die Bühne nochmals auf die Bühne gerufen wurde.

Bernadette Weigel

Diagonale / Alexi Pelekanos

Preisregen für einen Film mit kleinen großen Augenblicken

Diagonale

Das Festival des österreichischen Films in Graz dauert noch bis Sonntag, 17. März.

FM4 aus Graz
Berichte in FM4 Connected und Homebase bis zum Ende des Festivals

Zum Nachhören
Petra Erdmann, Martin Pieper sprechen mit den ProtagonistInnen des Österreichischen Films.

ORF.at/diagonale
Mehr zum Österreichischen Film

Mit jeweils 15.000 Euro sind die großen Diagonale-Preise für den besten Spielfilm und den besten Dokumentarfilm die höchsten Preise für Kunst und Kultur, die das Land Steiermark vergibt. Nicht zuletzt durch die Preisgelder, die an diesem Abend überreicht werden, ergibt sich eine Gewichtung dieser Preisverleihung. Es geht um Wertschätzung.

Für "Bestes Sounddesign" wurde Max Liebich ausgezeichnet und bekam auch ein Kunstwerk als Trophäe, ein Bronzerelief. "Man glaubt ja immer, dass Dokus wie die Wirklichkeit sind. Film ist Gestaltung und Lüge", klärte Jury-Mitglied Michael Glawogger auf. "Oh hallo. Ich studier' eigentlich Regie", erklärte Max Liebich zuallererst, "aber Sounddesign ist eine Riesen-riesen-Leidenschaft von mir!"

Für "Beste Bildgestaltung" in der Kategorie Dokumentarfilm lobte Glawogger Bernadette Weigel speziell dafür, mit einer Kamera in die Welt zu gehen und unbedarft zu schauen: "Und es beginnt das Herz Schönheit zu schauen". Weigel freute sich sehr und bedankte sich bei Filmakademie-Professor Christian Berger, der sie gelehrt hatte, "sich nicht dem ganzen Technikdings hinzugeben". Es geht ums Schauen.
"Weil man als ZuschauerIn einen inneren Dopplereffekt erlebt", zeichnete die Jury Alexandra Schneider für die beste künstlerische Montage (Dokumentarfilm) aus. Auch Schneider erklärte sich zuallererst als Studentin an der Filmakademie, wie alle im Team Weigel.

Ein Fuß verdeckt die Sonne, die doch zwischen den Lücken der Zehen strahlt

Bernadette Weigel

"Schauen, bewegen. Schauend bewegen, bewegt schauen. So entfaltet sich Glücksübertragung", aus der Jury-Begründung für den besten österreichischen Dokumentarfilm "Fahrtwind - Aufzeichnungen einer Reisenden".

Der Preis für beste künstlerische Montage Spielfilm - vulgo besten Schnitt - ging an Peter Brunner für "Mein blindes Herz". "Es wurden Finger zerschnitten in dem Film, eigentlich eine ganze Hand", da wäre der Preis also angemessen. Gewidmet hat Brunner seinen Preis seinem Hauptdarsteller Christos Haas, der mit ihm vier Jahre an dem Lang-Spielfilmdebüt arbeitete: "Du bist absolut das geilste und ausdrucksstärkste Gesicht. Ich hab' dich wirklich lieb".
Die Diagonale-Dankesreden machen klar, weshalb es nicht nur Preise, sondern auch eine angemessene Verleihung geben muss.

Zwei junge Menschen sitzen nebeneinander und lächeln sich an

Max Hödl

Für Michaela Grill ging mit dem Diagonale-Preis "Innovatives Kino" für "Foret D'Expérimenation" eine "Wahnsinnswoche" zu Ende. Der Experimenalfilmerin Gril war auf dieser Diagonale eine Personale gewidmet.

Filmstill aus Foret d'Experimentation von Michaela Grill: nicht genau zu definierende Farbschwämme

Michaela Grill

Doch auch auf der Diagonale ausgezeichnet

Zweifach ausgezeichnet wurde Ulrich Seidls "Paradies: Liebe". Und zwar sind die Preisträger für die beste Bildgestaltung Spielfilm Wolfgang Thaler und Ed Lachmann, für bestes Szenenbild wurden Renate Martin und Andreas Donhauser ausgezeichnet. Und sie räumten auf mit falschen Vorstellungen von Ulrich-Seidl-Filmen: "Bei Seidl glaubt man sowieso, es ist alles so, wie es ausschaut, aber: Das ist ein Irrtum!", so Andreas Donhauser amüsiert und erfreut. Wolfgang Thaler freute sich, "so viele Studenten auf der großen Bühne gesehen zu haben".

"Amour" von Michael Haneke bekam zumindest einen Preis: den für die "Innovative Produktionsleistung". Produzentenkollege Dieter Pochlatko überreichte an Veit Heiduschka von der Wega Film und wieder hat man was gelernt: Für den "besten Film der Welt" und einen Oscar war nicht Haneke nominiert, sondern der Produzent. "Wie alt bist du jetzt?", wollte Pochlatko von Heiduschka wissen, der mit Haneke seit Jahrzehnten zusammenarbeitet. "75" - "Ja, i bin ah schon siebzig!". Innovationen hingen nicht vom Alter, sondern der Reife ab, waren sich die Herren einig.

Kurze Geschichten

Die Jugendjury des Land Steiermak entschied sich für "Erbgut" von Matthias Zuder als besten Nachwuchsfilm. Die Geschichte konfrontiert einen Enkel mit seinem Großvater, der sich in seiner Nazi-Vergangenheit Gold verschaffte. Wird der Enkel das Erbstück annehmen? Zuder dankt seinen Eltern, "dass sie mich hergestellt haben und meine Filme gefördert haben!"

Ein junges Paar schaut

Hamburg Media School

Den Diagonale-Preis Kurzdokumentarfilm stiftet die Diözese Graz-Seckau und zeichnet eine Reise nach Jerusalem, "Das Phantom der Erinnerung" von Friedemann Derschmidt, aus.

Für den Diagonale-Preis Kurzspielfilm muss eine der drei Verleihenden von Servus-TV zur Begründung erst "schauen, ob mein neues Mini-iPad funktioniert". Wie war das mit dem Technikzeug und dem Wesentlichen gleich noch mal? Dafür bekommt dann "Tuppern" eine lobende Erwähnung, die 4.000 Euro gehen an Florian Pochlatko für "Erdbeerland". Freunde, die den Film sahen, hatten danach große Lust auf Party und berichteten von ambivalenten Haltungen zu Waterloo, der in "Erdbeerland" kurz mitwirkt.

Ein Bub liegt auf einem Bett

Florian Pochlatko

Ein anderer Publikumsliebling war "Schlagerstar" von Marco Antoniazzi und Gregor Stadlober: Das ergibt nach Auszählung aller abgegebenen Kinotickets den Diagonale-Publikumspreis für die Doku mit einem bis zuletzt hart arbeitenden und unnahbaren Marco Pircher.

Hunderte Schlagerfans mit Händen in der Höhe

mobilefilm

Verwurstete O-Töne

Den Preis für bestes Sounddesign der Kategorie Spielfilm bekamen Gerhard Daurer, Peter Kutin und Andreas Pils für "Soldate Jeannette". Die Originaltöne, für die sich Daurer und Kutin bei den Tonmeistern bedankten, haben sie "verwurstet": Verzerrt und übersteuert, um der Haltung des Films gerecht zu werden. Ehrlich und bedauerlich galt ihr Dank dem dritten im Team: "Gehen wir zum Andi, der wird auch noch Geld dafür ausgeben, wenn wir die Mischung bei ihm machen!" Das Team Soldate Jeannette wurde nicht müde, auch noch den letzten Besucher wissen zu lassen, dass das Produktionsbudget mit 65.000 Euro limitiert war.

Johanna Orsini-Rosenberg

Diagonale / Alexi Pelekanos

Möchte man noch öfters sehen: Johanna Orsini-Rosenberg

Allein, hervorragendes Schauspiel vermag ein Budget nicht zu beeinträchtigen. Völlig zurecht, man muss es sagen, wurde Johanna Orisini-Rosenberg als Schauspielerin für ihre Verkörperung der Fanni in "Soldate Jeannette" gewürdigt. "Sie scheint überhaupt nicht zu spielen und nichts zu behaupten", begründete Regisseurin Marie Kreutzer für die Jury. "Ich wünsch' mir mehr solche Frauen im Kino!" Diesem Wunsch muss man sich anschließen. Es fehlt an Frauen ab vierzig im österreichischen Film.
Johanna Orisini-Rosenberg war gerührt. "Und was das hier betrifft: Das werd' ich nicht verbrennen!", sagte die Schauspielerin über den mit 3.000 Euro dotierten Schauspielpreis in Anspielung "Soldate Jeannette", in dem sie sehr viel mehr Geld verbrennt.

Ausgezeichnet wurde auch der 17-jährige Johannes Nussbaum, der in Peter Kerns "Diamantenfieber" zu sehen ist. Bei der Diagonale fällt keine Musik einer Dankesrede ins Wort, zum Glück. Junge euphorische Menschen dürfen ausreden.

Der 17jährige Johannes Nussbaum

Diagonale / Alexi Pelekanos

Das "Beste Kostümbild" wurde mit den Worten "Dann schauma, wen es trifft." anmoderiert und Monika Büttinger für ihre Arbeit für das Langspielfilmdebüt "Talea" von Katharina Mückstein traf es. "Es ist ein Privileg, in diesem Job sein Geld verdienen zu können", stellte Büttinger hocherfreut klar.

Ein Mädchen fährt Rad

La Banda Film

Nicht aus dem Branchen-Rahmen gefallen

Durch den Abend führte Robert 'Maschek' Stachel mit bekannt wunderbaren Voice-over-Bundespräsident-und-Co. Niemals den Menschen des Abends die Show stehlend und stets den Ton treffend - große Klasse. Schade, dass die Preisverleihung stets im Branchen/Presse-Rahmen verharrt.

Die Diagonale ist noch nicht zu Ende. Die Gewinner-Filme laufen heute Abend nochmal im Grazer Schubertkino. Die Chance sollte man nützen.