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Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

17. 3. 2013 - 16:18

Krautpop

Der Song zum Sonntag: Mazes - "Bodies"

Das englische Trio Mazes hat mit seinem gerade veröffentlichten und merkwürdigerweise kaum wahrgenommenen zweiten Album nicht nur einen enormen Schritt weiter in der Bandentwicklung unternommen, sondern auch eine der besten Gitarren-Platten des Jahres so far aufgenommen. Das beim stets verlässlichen englischen Label FatCat erschienene Album namens "Ores & Minerals" ist nämlich trotz all des hier neuentdeckten Experimentierwillens und frischer elektronischer Studiospielereien immer noch das: eine Gitarrenplatte, eine Rockplatte, eine Pop-Platte.

Auf ihrem 2011 erschienenen Debüt "A Thousand Heys" hat sich die ursprünglich aus Manchester stammende, mittlerweile in London beheimatete Band Mazes noch halbverschlafenen, US-amerikanischen Indie- und College-Rock der mittleren 90er-Jahre aus den Schulen Guided By Voices, Pavement oder Superchunk zu eigen gemacht. Das war teilweise wunderhübsch windschief, lieb räudig und auch gewitzt - aber auch ein bisschen egal.

Für "Ores & Minerals" haben Mazes jetzt die Ideen des Loops und des Samples in ihr Schaffen integriert und sich dem Songwriting eher über den Rhythmus als über die Melodie genähert. Aufsehenerregend ist das allein nun nicht, auch ist die Band zum Glück nicht komplett verrückt geworden und hat gleich alles, was ein schönes Lied so ausmachen kann, über Bord geworfen. Mazes brechen nicht unter der Last aller möglichen Möglichkeiten zusammen, sondern haben neue Einflüsse und Soundspender entschlackt und konzentriert in ihre Welt eingepasst.

Mazes

Mazes

Mazes

Mazes interessieren sich jetzt für Krautrock. Ein Stück haben sie "Jaki" genannt, nach Jaki Liebezeit, dem Drummer der Kölner Säulenheiligen von Can. Es gibt komische, atmosphärische Instrumentals, vor allem aber haben Mazes vom heiligen Geist des sogenannten Motorik-Drumbeats genascht, den die Band Neu! in den 70ern populär gemacht hat. Ein stoisch marschierender gerader Beat ohne Schnörkel und Girlanden, der viele, viele Minuten lang ein Stück ohne große Veränderung tragen kann. Oft, oft schon ist er verwendet worden, er kann in seiner Verschmelzung von Mensch und maschineller Unerbittlichkeit aber doch immer wieder ein Delirium erzeugen.

Der Motorik-Beat kommt auf "Ores & Minerals" sehr häufig zum Zug. Gleich das Eröffnungsstück der Platte, "Bodies", gibt vor, was es hier in Folge noch Wunderbares zu erleben geben wird. Der Song beginnt als quängeliges, angenehm nerviges Popstück, in dem gleichzeitig das Sensible und die Zickigkeit zu Hause sind. Nach zwei Minuten verschiebt sich der Song unmerklich und wird zu einem stetig pulsierenden Instrumentaltrack. Strukturell werden nun keine Veränderungen mehr geschehen, einzig immer forscher agierender Gitarrenkrach schiebt sich in das Stück.

So reitet "Bodies" sieben Minuten lang geschmeidig die Autobahn entlang. Mazes haben die Liebe zum Popsong und gleichzeitig die Flucht davor, hin zum Experiment, sauber ausgemessen und unaufdringlich in ihr Album gepackt; in diesem im besten Sinne unspektakulären Stück geht die Symbiose am Schönsten auf. Wäre "Bodies" doppelt so lange gewesen - es hätte auch niemanden gestört.