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Christian Holzmann

Snap your fingers, snap your neck.

18. 3. 2013 - 12:45

Artist of the Week - Soundtrack of my Life

Eine Huldigung an Depeche Mode.

Depeche Mode live
Am 24. März waren Depeche Mode zu einem exklusiven Konzert im Wiener Museumsquartier: Es war kurz aber es war schön

Wir strahlen das Konzert am 3. April 2013 in der FM4 Homebase (19-22 Uhr) aus!

Es wäre wohl reichlich verwegen von mir, mich als einen Fan der ersten Stunde von Depeche Mode zu bezeichnen. Ich nahm die Herren aus dem englischen Basildon "erst" 1984 wahr, als sie bereits ihr viertes Album "Some Great Reward" veröffentlichten und die Singleauskoppelung "People Are People" so oft im Radio rauf und runter genudelt wurde, dass ich diesen Song bis heute nur mit Mühe hören kann.

Für eine damals noch recht junge Band hatten sie zu der Zeit schon einiges an Stress hinter sich. Der ursprüngliche Hauptsongschreiber Vince Clarke war bereits nach dem von vielen Seiten gelobten ersten Album "Speak & Spell" ausgestiegen, Martin L. Gore übernahm dessen Aufgabe und mit Argusaugen beobachtete man, ob er diese schwere Bürde überhaupt tragen konnte. Wie sich im Laufe der Musikgeschichte seit den Achtzigern herausgestellt hat, konnte er das sehr gut.

Dave Gahan von Depeche Mode im Video von "People Are People".

Mute

Die drei ersten Depeche Mode Alben gingen zugegebenermaßen völlig an mir vorbei und ich tat die Band damals recht vorschnell als irgend ein Teenie Synth-Pop Ding ab. Auch weil die Bandmitglieder im Video zu "People Are People" auf mich wie ziemliche Milchgesichter wirkten. Bei nachträglicher Betrachtung fotografischer Abbildungen meiner selbst aus dieser Zeit hätte vielleicht ausgerechnet ich mich darüber am wenigsten aufregen sollen.

FM4 Artist of the Week

Ich ziehe es vor, den Mantel des Schweigens über jene eher peinlichen Umstände zu breiten, wie ich dann an das Album "Some Great Reward" kam. Immerhin revidierte ich danach meine anfängliche Meinung zu Depeche Mode, denn das in flottem grau gehaltene Stück Vinyl bewies sehr eindeutig, dass diese Band mit Songs wie "Blasphemous Rumours" oder "Somebody" wesentlich mehr zu bieten hatte, als man nach der Hitsingle "People Are People" erahnen konnte. Klar war das immer noch Pop, aber keinesfalls jener Art, über die man ob der Seichtigkeit die Nase rümpft. Das hier war was anderes, das hatte Tiefgang und teils auch etwas ziemlich Düsteres.

Cover des Buchs "Insight - Martin Gore & Depeche Mode".

Hannibal Verlag

29 Jahre später ist es dann geradezu beruhigend, im sehr empfehlenswerten Buch "Insight - Martin Gore und Depeche Mode" nachzulesen, dass "People Are People" nicht gerade zu den Lieblingssongs des Hauptkomponisten von Depeche Mode zählt. Gore erzählt darin auch, wie schwierig für ihn die anfängliche Bürde nach dem Ausstieg von Vince Clarke war und dass es ihm später gar nicht so leicht fiel, einen Teil dieser Verantwortung wieder abzugeben. Erst 2005 auf "Playing The Angel" wurden dem Sänger Dave Gahan Credits für drei Songs zugestanden.

Die Nische Synth Pop

Depeche Mode waren in den Achtzigern natürlich nicht die ersten, die sich bei der Produktion ihrer Songs ausschließlich auf Synthesizer beschränkten. Man vergesse bitte auch nicht Gary Numan oder Ultravox, um nur diese beiden zu nennen. Depeche Mode stachen auch deshalb aus der Masse an Synth Pop Bands hervor, weil sie durch geschickten Einsatz von Samples wesentlich analoger klangen als viele ihrer Kollegen, die sich teils der klassischen Instrumentierung Gitarre, Bass, Schlagzeug regelrecht verweigerten.

Natürlich waren und blieben Depeche Mode immer eine Synth Pop/Rock Band, trotzdem waren sie im Lauf ihrer Karriere auch analoger Klangerzeugung nicht ganz abgeneigt. Da wurde auf dem Album "Black Celebration" (1986) schon mal eine Akustik Klampfe zum Intro von "Stripped" angeschlagen und auf "Music For The Masses" (1987) bei "Never Let Me Down Again" posthum gar Jon Bonham eingespannt, indem Led Zeppelins Schlagzeugsound von "When The Levee Breaks" verwendet wurde. Das durfte schon als Statement gewertet werden, wohin es mit Depeche Mode gehen sollte. Rock Elemente in einer Synth Pop Band? Da dachten sich bestimmt einige "Allerhand!"

Teil des Covers vom Depeche Mode Album "Music For The Masses".

Mute

For The Masses

Die Größe der 101 Konzerte umfassenden "For The Masses" Tour 1987 und 1988 sprach für sich und gipfelte mit dem abschließenden Konzert vor 60.000 Besuchern in der Pasadena Rose Bowl. Vor Depeche Mode war ein Konzert dieser Größenordnung für eine Elektro Band einfach unvorstellbar. Auch die schon beinah religiöse Verehrung der Depeche Mode Fans trat da mehr als deutlich zutage, wie auch in der Tour-Dokumentation "101" von D.A. Pennebaker zu sehen ist.

Cover des Depeche Mode Albums "Violator".

Mute

Violator, das für viele bis heute beste Album von Depeche Mode.

Für Depeche Mode hätte es ab da gar nicht besser laufen können. Selbst die mit Lob ansonsten eher geizigen Musikkritiker nahmen 1990 "Violator" mit viel Wohlwollen auf. Die Band entdeckte für sich den Rhythm & Blues und sowohl Fachpresse wie auch Fans halten dieses Album bis heute für das beste der Band. Bei Songs wie "Enjoy The Silence" oder "Personal Jesus" (später gar geadelt durch eine Coverversion von Johnny Cash) ist Widerspruch da einigermaßen schwer bis zwecklos.

Faith, Devotion und die Probleme

Es ist ja ein althergebrachtes Rock 'n' Roll Klischee, dass man umso tiefer fallen kann, je höher man aufsteigt. Depeche Mode waren als Elektro Band schon längst im Rock Olymp angekommen und setzten dem allen mit "Songs Of Faith & Devotion" gar noch eins drauf. Dave Gahan ließ sich lange Haare und Bart wachsen und die erste Single "I Feel You" kam gar im rockigen Grunge-Gewand daher. Die devoten Fans fanden es wieder so spitze, wie sie alles von Depeche Mode spitze finden und die Fachpresse hatte etwas, worüber sie sich aufregen konnte. Letzteres ist ja schon beinah eine kleine Tradition.

Promo.Foto zum Konzertfilm "Devotional" von Depeche Mode.

Anton Corbijn

Depeche Mode 1993: Alan Wilder, Dave Gahan, Andrew Fletcher, Martin L. Gore

Alles schien also in Ordnung im Depeche Mode Universum, wären da nicht ziemlich schwerwiegende interne Probleme gewesen. 174 Konzerte in nur 14 Monaten gingen klarerweise nicht spurlos an den Bandmitgliedern vorüber und der für Vince Clarke 1981 in die Band eingestiegene Soundtüftler Alan Wilder zog daraus die Konsequenzen. Er verließ nach der Tour die Band und widmet sich seitdem seinem sehr hörenswerten Projekt Recoil. Viel schlimmer noch war aber, dass Dave Gahan immer mehr seiner Heroin- und Kokainsucht verfiel, die 1995 in einem Suizidversuch sowie einer Überdosis ein Jahr später gipfelte, die er nur knapp überlebte. Das Ende von Depeche Mode schien beinahe unausweichlich.

Andrew Fletcher, Dave Gahan und Martin Gore von Depeche Mode.

Anton Corbijn

Erst 1997 sollten sie sich wieder mit "Ultra" als jenes Trio zurück melden, das sie bis heute geblieben sind. Abgesehen vom fixen Tour-Schlagzeuger Christian Eigner heuerten Depeche Mode keinen Nachfolger für Alan Wilder an. Wohl kein Album entstand unter solch schwierigen Umständen wie "Ultra" und der fehlende Alan Wilder war da sicher noch das kleinste Problem. Dave Gahan kämpfte immer noch gegen seine Drogensucht an und war teils schlicht und ergreifend nicht in der Lage zu singen. Die Albumaufnahmen mussten daher immer wieder unterbrochen werden und es verwundert nicht, dass Depeche Mode zum ersten und einzigen Mal in ihrer Bandgeschichte auf eine Tour zum Album verzichteten.

Ruhiger im neuen Jahrtausend

Depeche Mode wurden mit "Ultra" merkbar ruhiger. Sowohl musikalisch, als auch mit dem Trubel um sie selbst gingen sie es wesentlich gemächlicher an und erst 2001 sollten sie mit "Exciter" erneut auf der Bildfläche erscheinen. Sie schlugen ab da wieder mehr elektronische Klänge an und mit Sicherheit ist das nicht als Zugeständnis an Fans oder Fachpresse zu werten. Viel mehr kehrten Depeche Mode wieder auf heimisches Terrain zurück, wo sie sich zu Hause fühlen. Beweisen müssen sie schon lange niemandem mehr etwas.

Nachdem zwischen den Alben nun auch mehr Zeit für andere Dinge abseits der Band blieb, konnten sich einzelne Bandmitglieder auch anderweitig musikalisch verwirklichen. Martin L. Gore veröffentlichte 2003 sein Soloalbum "Counterfeit 2" und Dave Gahan lebte seine eher rockigen musikalischen Vorlieben mit seinen beiden Soloalben aus. Zuletzt lieh er gar den Soulsavers seine Stimme für deren neuestes Album "The Light The Dead See".

Same procedure as every four years

Cover der Depeche Mode Single "Heaven".

Depeche Mode

"Heaven", die Single zum neuen Album "Delta Machine", die viele nicht so mögen.

Das Prozedere ist seit "Exciter" alle vier Jahre gleich und kehrt so verlässlich wieder wie die olympischen Sommer- oder Winterspiele und das Brimborium vor der Wahl des neuen US Präsidenten. Gahan, Gore und Fletch halten Audienz bei einer Pressekonferenz, kündigen ein neues Album und die dazugehörige Tour an, alles was Beine und Finger hat stürmt Kartenvorverkaufsstelle oder Server, binnen kurzer Zeit ist alles ausverkauft und wer keine Karte hat, heult.

Electronic Beats

FM4 verlost für das Konzert am 24.3. im Wiener Museumsquartier im Laufe der Woche über das Programm verteilt noch Karten.

Dass bei Erscheinen der Vorabsingle wie üblich nur gemeckert wurde, durfte ich zuletzt auf Facebook nachlesen, wo so ziemlich niemand der mit mir dort "verbandelten" an "Heaven" ein gutes Haar lassen wollte. Kaufen werden sich das am 22. März erscheinende Album "Delta Machine" trotzdem die meisten. So war das schon 2009 mit "Sounds Of The Universe" und 2005 mit "Playing The Angel". Auch diese Alben wurden von vielen Seiten nicht gerade wohlwollend aufgenommen, zumindest vorerst.

Soundtrack

Ich gebe schon zu, dass sehr der Fan aus mir spricht und es mag daher von mir aus sentimental oder gar nach nostalgischem Quatsch klingen, nur bin ich mir sehr sicher, dass das am 22. März erscheinende "Delta Machine" wieder ein ebensolcher Lebensbegleiter sein wird, wie es für mich seit "Some Great Reward" alle Depeche Mode Alben waren. Jedes einzelne repräsentiert seine eigene Phase und nur wenige Bands bekamen es hin, über so viele Jahre den passenden Soundtrack zum eigenen Leben zu liefern.

Danke dafür, Depeche Mode.

Martin L. Gore, Dave Gahan und Andrew Fletcher von Depeche Mode.

Anton Corbijn

Am 24. März spielen Depeche Mode ein exklusives Konzert im Wiener Museumsquartier, für das man um kein Geld der Welt Tickets kaufen, sondern nur gewinnen kann – die letzten 12 Stück von Montag, 18.03. bis Mittwoch, 20.03.2013 auf FM4. Beim Konzert wird das neue Album zum ersten Mal vor Publikum live vorgestellt.

Für alle, die bei der Kartenverlosung kein Glück haben, gibt es aber ein ganz spezielles Trostzuckerl: Der exklusive Konzertmitschnitt ist am 3. April 2013 in der FM4 Homebase (19-22 Uhr) zu hören.