Erstellt am: 18. 3. 2013 - 23:10 Uhr
Becoming Lara Croft
Crystal Dynamics
Der neue Teil ist der nunmehr Elfte in der Tomb Raider-Reihe, stellt allerdings keine Fortsetzung sondern eine Prequel dar. Lara Croft ist gerade 21 Jahre jung, kommt frisch von der Universität und all ihre Abenteuer liegen erst noch vor ihr. Indem das Entwicklerstudio Crystal Dynamics die Entstehungsgeschichte der ikonischen Figur Lara Croft erzählt, haucht es ihr auch endlich wieder neues Leben ein.
Die Story
Lara ist Teil einer Expedition, die nach der sagenumwobenen Insel Yamatai sucht. Das Team erleidet Schiffbruch und wird an eben der gesuchten Insel an Land gespült. Lara kommt am Strand zu sich, bekommt allerdings gleich wieder eins über die Rübe, und als sie wieder aufwacht hängt sie kopfüber von der Decke einer Höhle. Alles ist voller Kerzen und Skelette und neben ihr baumeln Leichen. Sie kann sich befreien, nur um daraufhin brennend aus zirka zehn Meter Höhe zu stürzen, und zwar direkt auf einen langen, dicken Nagel, der ihr just die Seite durchbohrt. Blutverschmiert und kaputt wie John McClane schleppt sich Lara durch eine Höhle voller menschlicher Überreste, und wäre sie nicht die Protagonistin, würde man ihr an dieser Stelle keine großen Überlebenschancen mehr einräumen.
Crystal Dynamics
Sie ist eben noch verletztlich, diese junge Lara Croft, noch nicht so abgebrüht oder behände wie die spätere Lara (oder die frühere, wenn man so will... ach, immer diese Zeitparadoxa mit Prequels).
Zu Beginn gänzlich unbewaffnet, müssen wir erst Stück für Stück Pfeil und Bogen, Revolver, Schrotflinte etc. ergattern und lernen damit umzugehen. Das hat den Vorteil, dass wir uns langsam mit der Steuerung vertraut machen können. Trotzdem wird in jeder Situation angezeigt, was wir zu drücken haben. Hardcore Gamer werden nicht erfreut sein. Auch aufgrund der zahlreichen Safepoints und relativ einfach zu bestreitenden Kampfszenen.
Die Insel
Im Laufe des Spiels erforschen wir die Insel Stück für Stück und stoßen dabei auf eine unheimliche Sekte und unzählige Leichen. Überall Tote, Gebeine, Schädel, Kadaver und Blut. Mehr als in allen früheren Teilen. Wir stapfen durch die Leichenhaufen und waten durch Bluttümpel. Geradezu liebevoll haben die wahnsinnigen Inselbewohner darauf geachtet, dass auch wirklich jeder Winkel der Insel mit Toten gespickt ist.
Crystal Dynamics
Von Zeit zu Zeit kommen wir immer wieder an kleine Lagerfeuer, wo wir unsere Fähigkeiten ausbauen und unsere Ausrüstung verbessern können. Auch hier ist das System überschaubar und schlicht gehalten, sodass man nicht über jeder Entscheidung endlos brütet, aus Angst sich zu verskillen. Außerdem kann man bei diesen Lagern auf ein Kartensystem zugreifen, mit dessen Hilfe wir auch an frühere Orte auf der Insel zurückreisen können, unabhängig von der linearen Story. Das wird benötigt, weil das neue Tomb Raider viel Gelegenheit zum Looten bietet. Wir sammeln Reliquien, Schriftstücke und Erfahrungspunkte. Und dank der Überlebensinstinkt-Funktion, die wichtige Anhaltspunkte in der Umgebung aufleuchten lässt, wissen wir immer wo wir hin müssen und wo es verborgene Schätze gibt (sorry, Hardcoregamer, das macht die Sache wirklich ziemlich einfach).
An vielen Punkten erinnert das neue Tomb Raider verdächtig an Uncharted 3, aber das war ja auch ein gutes Spiel und manchmal ist gut kopiert immer noch besser als schlecht gemacht.
Lara beschützen?
Das Tomb Raider Reboot ist bereits vor seinem Erscheinen heftig umstritten, vor allem aufgrund eines Interviews mit dem Executive Producer Ron Rosenberg, in dem er davon spricht, dass die Spieler Lara "beschützen wollen" werden und dass sie zu einem "cornered animal" gemacht wird. Zusätzlich enthielt der Trailer der vorab auf der E3 lief eine Szene, die auf einen Vergewaltigungsversuch Lara Crofts hinwies (ca. 2.15).
Das Ding mit Tomb Raider ist eben eine zweiseitige Medaille. Einerseits rührt ihre Popularität von ihrem Sex-Objekt-Status, ihren extremen Proportionen und so Dingen wie dem Nude Raider Patch, der es dem Spieler möglich machte, mit einer nackigen Lara Croft zu spielen. Auf der anderen Seite stellt Lara eine Ausnahme zum sonst üblichen männlichen Action Protagonisten dar. Sie ist keine Prinzessin Peach oder Zelda, die sich ständig entführen lässt und dann von ihrem starken Mann gerettet werden muss, sondern sie hat selber Wumms und ist in der Lage sich selbst zu retten.
Core Design
Im neuen Tomb Raider sind nun diese beiden Seiten etwas entschärft bw. -kräftet. Die neue, jüngere Lara hat realistischere Proportionen und trägt sogar endlich einmal eine lange Hose. Aber sie ist eben auch nicht mehr ganz so tough wie früher. Im Spiel tötet sie zum ersten Mal. Erst ein Tier, bei dem sie sich auch gleich entschuldigt, und später einen Menschen. Dieser erste Mord macht ihr zu schaffen, die vielen weiteren dann aber auch nicht mehr.
Die Darstellung von Lara als armes, kleines Hascherl stößt vielen Kritikern sauer auf, weil dies zwar im Kontrast zur bekannten Lara Croft steht, allerdings ganz und gar nicht im Kontrast zur weit verbreiteten Darstellung von schutzbedürftigen, verzweifelten Frauen in Games, auch bekannt als den "Damsels in Distress" zu denen Anita Sarkeesian nun endlich den ersten Teil ihrer Video-Serie gemacht hat.
Lara Croft soll für die Spieler menschlicher werden, nachvollziehbarer. Sie empfindet Schmerzen, wird verwundet, hat Angst. Aber so bleibt das ja nicht das ganze Spiel lang, sondern sie wächst an jeder Herausforderung und wird so, langsam aber doch, zu der Heldin als die sie zu Weltruhm gelangt ist und als die wir sie kennen.
Bloß: Warum sie sich in ihren späteren Abenteuern entschieden hat, nur mehr knallenge Shorts zu tragen, dafür hätte ich gerne eine Erklärung gehabt.