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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

13. 3. 2013 - 16:29

Journal '13. Eintrag 11.

Der Papst ist katholisch. Warum ich von heimischen Qualitätsmedien mehr als nur die Verbreitung von Folklore-Inszenierungen erwarten würde.

Anschreiben gegen die sekundäre Stilldemenz: hier, in den nächsten Monaten im Journal '13, der regelmäßigen Web-Äußerung in ungeraden Jahren. Im Gegensatz zu 2003, '05, '07, 2009 und 2011 heuer nicht täglich.

Inhaltlich bleibt alles wie im Twitter-Profil annonciert: "Martin Blumenau, Chief Coordinator bei Radio FM4, Moderator, Autor und Blogger zu den Themen Jugendkultur, Demokratie- und Medienpolitik, Musik und Fußball."

Als Hans Krankl letzte Woche auf ein von Rapid-Fans geschwenktes Transparenz, das - kurz nach dem Benedikt-Rücktritt - euphorisch die Ernennung des Goleadors zum Papst forderte, angesprochen wurde, erwiderte er, dass er evangelisch sei, A. B., und somit keinen Papst haben würde.

Ich teile, das ist bekannt, sehr wenig mit Krankl.
Außer genau das.
Ich bin genauso evangelisch, A.B. (wenn auch noch deutlich agnostischer als der durchaus gläubige Star) und es zipft mich genauso an, dass in Österreichs Medien automatisch davon ausgegangen wird, dass der Papst alle Österreicher und Österreicherinnen vertritt. Dass er nicht einmal (der geistige) Chef aller Christen ist, wissen nicht nur die Sportreporter nicht, es ist auch den politischen Redakteuren nur mäßig bekannt.

Ihr kennt die berühmte Doppelgegenfrage, die Wunder wirkt, wenn euch jemand eine treudoofe Nona-Frage stellt: Scheißt der Bär in den Wald? Ist der Papst katholisch? Eben. Der Papst ist katholisch. Römisch-Katholisch. Mehr nicht.

Unter den vielen in Österreich ansässigen Religionen ist die römisch-katholische Kirche zwar immer noch klarer Marktführer, aber - über die letzten Jahre gesehen - auch der große Verlierer. In einzelnen Bundesländern sind die Zahlen gerade noch im Lot, weil die junge Generation (der Oma zuliebe) nicht austritt, sondern einfach still nicht mehr glaubt/kirchenbesucht/sich engagiert. In Wien, wo die Oma das nicht so mitkriegt, sind mittlerweile weniger als die Hälfte der Einwohner Katholiken. Das hat nicht so sehr mit dem Fortschreiten des österreichweit viertplatzierten Islam oder gar dem (in den Bundesländern nur maximal dreistellig vertretenen) Judentum zu tun, sondern der deutlichen Zunahme der bewusst Bekenntnislosen (der aktuellen klaren Nummer 2).

Der Papst ist Kirchenführer, nicht jedermanns spiritus rector

Fakt ist, dass abgesehen von diesen Ungläubigen, den Anhängern der anderen Weltreligionen auch Evangelen, Altkatholiken, Orthodoxe und diverse neuchristliche Splittergruppen so wie Hans Krankl keinen Papst haben.

Dazu kommt natürlich Österreich, wo die römisch-katholische Kirche sich traditionell gern mit allen Dikaturen einliess: mit der K.u.K.-Monarchie sowieso, der austro-faschistische Ständestaat ab '34 war mit starker Beteilungung der Amtskirche und klarer Parteinahme für die Kräfte, die damals das Parlament ausschalteten, entstanden. Und auch das NS-Regime wurde '38 stärker hofiert als bisher zugegeben - Details im dieswöchigen Report.

Federführend sowohl '34 als auch '38 war der machtbessenene und deutschtümelnde Kardinal Innitzer.

Fakt ist, dass die katholische Kirche außerhalb von Lateinamerika und Lateineuropa, in Teilen Osteuropas und vereinzelten Hochburgen (wie Irland oder den Philippinen) selber eine religiöse Minderheit darstellt, die dort lauthals das einfordert, was sie selber in ihren Machtbereichen gerne behindert.

Fakt ist, dass die österreichischen Medien aber so tun, als wäre der Papst (egal ob der alte oder der neue) der religiöse Führer aller Österreicher.

Dieselben kritischen Beobachter, dieselben Qualitätsjournalisten, die (zurecht) mit der absurden Bedeutungsvermengung von Islam und politischem Islamismus und der Instrumentalisierung einer Religion anprangern, sind, wenn es um die Hauptreligion im eigenen Lebensbereich geht, betriebsblind wie Hans Maulwurf oder zumindest sehr sehr handlungsbeschränkt, da die Kirche, die römisch-katholische, nicht nur im Medienbusiness (in der Styria direkt, anderswo indirekt über Beteiligungen oder Aufsichtsgremien), sondern überall in der Realwirtschaft ein präsenter und potenter Player ist, also echte ökonomische Herrschaftsmacht ausübt.

Die katholische Kirche macht Qualitätsmedien streichweich

Deshalb sparen die österreichischen Medien mit Kritik oder gar Hintergründigem, und verlieren sich in der unterwürfigen Darstellung der sixtinischen Riten und der Reduzierung des Papstamts auf seine spirituellen Aufgaben.

Komisch.
Wenn es um die Behandlung anderer Kirchen- oder Glaubensführer geht, wird immer auch die machtpolitische und ökonomische Komponente dazugepackt, egal, ob es sich um den dauerlächelnden Dalai Lama oder um die finstersten Mullahs geht.

Wenn es alle paar Jahre anlässlich einer Papstwahl zur Möglichkeit kommt, sich tagelang intensiv mit der römisch-katholischen Kirche zu beschäftigen (weil just da großes Interesse an Background besteht), dann bleiben auch die selbsternannten Qualitätsmedien ganz tief unterm politisch relevanten Radar und ergötzen sich an der Power- und Pomp-Show, der vatikanischen Folklore, dem Spiel um das Konklave, dem Kardinals-Ranking.

Z.B.: die Zurücktretung des transparenzsuchenden Kardinals

Dass im Schatten des Benedikt-Rücktritts auch rund um die tief im Sumpf der Geldwäscherei und mafiösen Schattenwirtschaft steckenden Vatikanbank personelle Entscheidungen getroffen wurden, dass sich da Hardliner Kardinalstaatssekretär Bertone gegen den Befürworter einer radikalen Weissgeld-Politik den Kardinal Nicora, durchgesetzt hatte, ging selbstverständlich unter. Die Absetzung jener, die sich für Transparenz ausgesprochen hatten, just im Wirbel um die Rücktrittsentscheidung zu verstecken - ein wahrhaft teufli..., äh raffinierter Schachzug.

Wenn ich den Namen Nicora in österreichischen Medien suche, erhalte ich übrigens aktuell ganze drei Treffer, keiner davon analysiert das Revirement. Die Zusammenhänge erfahren habe ich in der kleinen Radiospot-Reihe Papstkandidaten im FM4-Check von Arthur Einöder, also einem Medium, das an sich überhaupt keine Zuständigkeit für diese Themen hat (sie aber wohl oder übel übernehmen muss, wenn es kein anderer tut), die Hintergründe nachlesen konnte ich dann in deutschen und schweizer Medien.

Also: der Papst ist katholisch. Meine Oma war das auch.
Hans Krankl, ich und ein paar ganz schön viele andere nicht.
Wir, und sicher auch die stille Mehrheit der vielen innerlich abgefallenen Taufschein-Katholiken, würden uns über ein wenig weniger allzu servile Rumpfbeugungen und vermehrte Informations-Veranwortungsnahme des österreichischen Journalismus freuen. Vor allem wenn er keine Lust drauf hat, in einem Atemzug mit der Berichterstattung in islamischen Ländern, der man sich libertär so überlegen fühlt, genannt zu werden.