Erstellt am: 13. 3. 2013 - 14:25 Uhr
Berufsentscheidung: Künstler oder Diktator?
Seit langem haben Politikmonster ein Faible für Kunst. Das vielleicht erste Beispiel in der Weltgeschichte ist der römische Kaiser Nero, der auf seiner Lyra spielte, während das von ihm angezündete Rom zu seinen Füßen brannte. Das nenne ich Inspiration – der ewigen Stadt beim Brennen zuschauen. Anscheinend war sein Gefühl, eine Mission in der Kunstwelt zu haben, größer als seine Bestimmung in der Politik. Als er am Sterben war, schrie er voller Verzweiflung: „Welch ein Künstler geht mit mir zu Grunde!“
Malen nach Zahlen
Während bekannt ist, dass Hitler Maler werden wollte, wissen vielleicht weniger, dass der junge Stalin Gedichte schrieb. Eins davon wurde sogar publiziert. Später interessierte sich der Diktator für das Kino. Er hatte einen eigenen Kinosaal im Kreml und schaute sich dort alle neuen sowjetischen und amerikanischen Filme an. Der weltbekannte Film „Ivan Grozni“ von Sergej Eisenstein gefiel Stalin überhaupt nicht, da der Diktator darin als schwacher, unentschlossener Mensch dargestellt wird. Laut Stalin sollte ein politischer Anführer kein Mensch, sondern ein Beispiel sein. Wegen Stalin fing die ganze sowjetische Führung an, sich für Kunst zu interessieren. Der Ideologiebeauftragte Schdanow erlaubte sich, den große Schostakowitsch zu sich zu holen. Während das Genie neben dem Klavier stand, spielte ihm der politische Zwerg mit einem Finger vor, was er sich unter einer „Melodie“ vorstellte.
Der bulgarische sozialistische Diktator Todor Schiwkow war in seiner Jugend ein Laienschauspieler. Er behielt seine besondere Einstellung zum Theater sein ganzes Leben lang bei. Ihm gefiel es, sich mit Schauspielerinnen und Regisseuren zu treffen, um ihnen die „wahre Kunst“ zu offenbaren. Außerdem beschenkte er seine Lieblinge großzügig mit Titeln und Privilegien. Böse Zungen behaupten, dass sich seine Liebe zum Theater hauptsächlich in einer Liebe für die Schauspielerinnen widerspiegelte. Es wäre so viel besser gewesen, wäre er Schauspieler geblieben! Seine einfache Ausdrucksweise und sein volksnaher Sinn für Humor hätten ihn zu einem beliebten Komiker auf alle bulgarischen Bühnen gemacht.
Malen nach Zahlen
Gestern sah ich ein Video, das den ehemaligen US-Präsdienten George W. Bush im Zeichenunterricht zeigt. Bush zeichnet weiße Pudel auf blauem Hintergrund. Warum bloß hat er nicht früher damit angefangen? Er könnte mittlerweile so weit fortgeschritten sein, dass er sogar Landschaften zeichnen kann! Stattdessen trieb er sein Land in zwei Kriege. Laut vielen ist die Finanzkrise in Amerika eine Folge von diesen Kriegen. Alles könnte viel einfacher sein!
Wenn ich es mir überlege, dann schläft vielleicht auch in mir ein Diktator. Ich habe alle nötigen Qualitäten: In meiner Schulzeit war ich Frontman der Punkrock Band „Tschuschka“. Ich war ein fürchterlicher Sänger.
Bulgarien wird momentan von einer politschen Krise beherrscht. Viele Menschen sind auf der Straße, ihre Forderungen sind aber größtenteils unerfüllbar. Vielleicht der beste Zeitpunkt, um in die Politik zu gehen. Ich werde zuerst Kulturminister und dann Premier – ein lebenslanger natürlich. Ich weiß sogar, welchen Tschuschka-Song ich zur Staatshymne machen würde. „Grab die Scheiße immer schnell / und die Welt wird schön und hell!“
Schade, während ich diesen Text schrieb, wurde in Bulgarien eine Regierung bestellt. Ich muss meine politische Karriere doch in der Opposition anfangen.