Erstellt am: 5. 6. 2013 - 14:14 Uhr
Small Screen Stories: Visuals
Es ist ein eher neues Phänomen: Waren elektronische Tracks in den Hochzeiten des klassischen Musikfernsehens nur seltene Gäste in den Spiellisten (weshalb sie dann auch seltener Musikvideos verpasst bekamen), so ist es heutzutage für jedes Stück Musik von Vorteil, auch eine visuelle Repräsentation zu haben. Einige meiner Lieblings-Blogs sprechen immer häufiger von Visuals statt von Videos, weil die heutigen Musikkurzfilme einerseits nur noch sehr selten mit Hype Williams Budgets ausgestattet sind und andererseits immer häufiger tatsächlich von Club-VJs inspiriert oder gleich gemacht sind.
Erstes Beispiel: Das Comeback-Video der Boards Of Canada. Deren entspannte Tracks bieten sich ja geradezu an für Autofahrten durch die Wüste, verfallene Häuser im Zeitraffer und Flüge über Seenlandschaften. Ein bisschen Koyaanisqatsi gefällig?
Bonus Beat: Auch Long Lost Relative lassen in ihrem neuen Video fliegen, aber in dem Fall über den Dächern von Berlin!
Der aus dem mittelenglischen Wolverhampton stammende Musiker Bibio hat das Video zu seiner neuen Single Á tout á l'heure großteils selbst gemacht (hier einige Notizen über den Entstehungsprozess), inspiriert von einem schönen Album-Cover der britischen Band Free. Die verträumte Ästhetik der Silhouetten über selbst gedrehte 8mm-Footage passt jedenfalls sehr gut zum Song.
Beim Video zu Cirrus von Bonobo wurde ebenfalls mit nostalgischem Material gearbeitet, die Ausschnitte aus alten Filmen beginnen ganz normal zu laufen, steigern sich aber durch rhythmische Vervielfältigung in einen kaleidoskopischen Rausch, um dann zu großen AT-ATs aus Köpfen und Körpern zu mutieren. Großes Kleinformat-Kino!
Zum britischen Produzentenschwerpunkt passt auch The Purist, nur mit dem Anfangsbuchstaben B kann er - im Gegensatz zu oben genannten - nicht dienen. Aber sein rappender Partner auf dem folgenden Stück, Danny Brown aus Detroit, kann das mehr als ausgleichen - auch durch inflationäre Verwendung des B- und anderer schiacher Worte. Das Video sonnt sich hingegen in digitaler Schönheit, wie sie die Ars Electronica 1989 nicht besser hervorbringen hätte können. Digitale Renderings direkt aus dem brandneuen 486er PC - grell, spiegelnd und in gewagten Farbkombinationen.