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Alex Wagner

Zwischen Pflicht und Kür

10. 3. 2013 - 15:55

Neues vom Pappenheinzer

In seinem fünften Roman "Junge rettet Freund aus Teich" erzählt Heinz Strunk von der Kindheit seines Alter Egos Mathias Halfpape und geht dabei ein sprachliches Wagnis ein.

Heinz strunkert schon wieder. Vor wenigen Wochen erst ist das ganze Brimborium rund um die fiktive Band Fraktus erschienen - in allen Ausspielkanälen - nun präsentiert Strunk seinen nächsten Roman "Junge rettet Freund aus Teich".

Mehr als 400.000 Mal hat sich sein Debüt "Fleisch ist mein Gemüse" verkauft. Die Nachfolgeromane "Die Zunge Europas" und "Heinz Strunk in Afrika" (in der Nebenrolle: Christoph Grissemann) haben etwas geschwächelt. Im Interview mit der Süddeutschen Zeitung erklärt Strunk, er glaube nun zu wissen, woran das liegt. Die Verkaufhits waren einfacher geschrieben. Und somit kehrt Strunks fünfter Roman zurück zu den Wurzeln.

Junge im Garten, Cover von Heinz Strunks Roman "Junge rettet Freund aus Teich"

Rowohlt Verlag

"Junge rettet Freund aus Teich" ist 2013 im Rowohlt Verlag erschienen.

In drei Etappen erzählt Strunk von der Kindheit und dem Aufwachsen von Mathias Halfpape - so heißt Heinz Strunk mit bürgerlichem Namen - als Sechsjähriger, Zehnjähriger und Vierzehnjähriger. Die Erzählweise passt er dabei dem Alter des Protagonisten entsprechend an - ein sprachliches Risiko. Als Sechsjähriger wirkt Mathias naiv-hibbelig und seiner Umgebung gegenüber aufgeschlossen. Die Sätze sind sehr einfach gestrickt und bestehen meist nur aus Hauptsätzen. Hin und wieder schleichen sich grammatikalische Fehler ein wie "der Einzigste", was die Sprache sehr authentisch macht.

Als Zehnjähriger wird er von Freunden zu allerhand Unsinn verführt. Weil er cool sein und sich nichts anmerken lassen will, greift er zur Tschick, als sein Kumpel ihm eine anbietet. Obwohl er nicht quarzen will und den Gestank für unerträglich hält, heizt er sich eine nach der anderen an, der Beginn einer Bilderbuch-Raucherkarriere. Im Wald schießt er mit einem Gewehr auf Vögel, fährt unerlaubterweise Motorrad, wirft Steine auf Autos und demoliert sie. Als Vierzehnjähriger schließlich ist Mathias vom Pfad der Tugend abgekommen, der Gruppenzwang war schuld. Mit einem Freund bricht er in einem Laden ein und klaut Alkohol und Zigaretten. Sein Gemüt ist voreingenommener und - ja - finsterer geworden. Er belügt seine Verwandten, um seine Freiheit genießen zu können, entdeckt seinen Körper, nimmt Schmerzmittel und macht eben das alles so mit, was man als Jugendlicher mitmachen kann. Er wird zunehmend reflektierter, Mathias' Charakter formt sich. Der Sprachstil im Buch wird zugleich komplexer.

Familien-Saga

Weitere Literaturrezensionen

"Junge rettet Freund aus Teich" erzählt im vorderen Teil wenig, beschreibt dafür umso mehr. Je weiter man liest, desto dichter werden die Ereignisse und desto spannender wird der Roman. Eine der stärksten Stellen des Buches ist ohne Zweifel der Schluss, den ich aber hier nicht verraten will.

Irgendwann bemerkt man, was für ein seltsames Verhältnis Mathias Halfpape zu seiner Mutter hat. Sie versucht ihn auf Schritt und Tritt zu kontrollieren. Mathias steht unter Beobachtungszwang. Insgeheim gibt seine Mutter ihm wohl die Schuld für ihr eigenes unglückliches Leben - ohne Mann und im Job frustriert, immer noch bei den Großeltern wohnend, weil sie sich keine eigene Wohnung leisten kann. Die Schuld dafür, dass er geboren wurde.

Heinz Strunk

Philipp Rathmer

Heinz Strunk, wie er leibt und punktet. Neben seiner Autorentätigkeit kennt man ihn als ein Drittel der Klamaukkombo und Radioterroristen Studio Braun. Er schreibt eine Kolumne im Satiremagazin Titanic und ist dort auch Spitzenkandidat für die PARTEI, hatte eine Show auf VIVA, spielt in Filmen mit und ist mit Stermann und Grissemann befreundet.

Das Verhältnis zu seiner Mutter hat Strunk bereits in anderen Büchern thematisiert, genauso wie seine ersten autosexuellen Erfahrungen. Dadurch wirkt "Junge rettet Freund aus Teich" an manchen Stellen abgeklatscht und schal wie Schlickwasser. Die komischen Stellen kommen etwas zu kurz, das Drama und die melancholische Tristesse überwiegen, sind dafür aber sehr gut erzählt. Wer sich das Buch wegen des strunkschen Humors zulegen will, ist vielleicht mit dem Hörbuch besser bedient, denn hier spricht der Autor selbst in seinem ganz eigenen dahingelispelten Sprachstil. Und wer das ganze live hören will: Im April 2013 ist Heinz Strunk auf Lesereise in Österreich.

Das sprachliche Wagnis geht nur teilweise auf. Interessant sind vor allem die Sprachbilder, die verwendete Jugendsprache, ein Gemisch aus Plattdeutsch und Neologismen, das dem Roman Authentizität verleiht. Sehr schön sind auch die altbackenen Redewendungen, die der Sechsjährige von seinen Großeltern aufgeschnappt und übernommen hat. Ja, so könnte Heinz Strunks Kindheit in den 60er und 70er Jahren abgelaufen sein. Ich bezweifle allerdings, dass sich ein Sechsjähriger wirklich für die Nazi-Vergangenheit oder die deutsche Parteienlandschaft interessiert. Viele Autor_innen scheitern, wenn sie über Kinder schreiben, daran, dass sie ihnen nichts zutrauen und sie als ideenlose Objekte skizzieren. Im Unterschied dazu schlägt Heinz Strunk wohl etwas über die Stränge und mutet dem Sechsjährigen zuviel zu.