Erstellt am: 8. 3. 2013 - 22:30 Uhr
female:pressure und die Männermusikzirkel
Am Freitag war der 8. März und es wurde mal wieder, wie seit über 100 Jahren, der internationale Frauentag gefeiert. Dieses Jahr fällt er in eine Zeit, in der in Deutschland über
Sexismus diskutiert wird – die anzügliche Anmache eines FDP Politikers „Sie können auch ein Dirndl ausfüllen!“ ist ja inzwischen zum Bonmot geworden.
Jetzt kriegt unser Bundespräsident Joachim Gauck zu Recht
Stress mit den Feministinnen. Der Bundespräsident hatte sich im Interview mit dem Spiegel abfällig über die Seximus-Debatte geäußert. Statt über wichtige Themen wie etwa den Einsatz in Mali diskutiere das Land über „das Fehlverhalten eines Politikers abends an der Bar.“ Sexismus sei ein „eingängiges Thema“, das „hochgejazzt“ werde, erklärte Gauck und sprach von „Tugendfuror“.
Seltsamerweise kommt der Einwand, es gäbe “wichtigere Themen” immer dann, wenn es um Sexismus im Alltag und Rassismus in der Sprache, wie zum Beispiel bei der Kinderbuchdebatte, geht.
Kaum Frauen auf dem Line-Up
female:pressure ist eine internationale Datenbank und ein Netzwerk von Frauen, die im Bereich elektronischer Musik und Computerkunst arbeiten: DJs, Musikerinnen und Produzentinnen, Vokalistinnen, bildende Künstlerinnen, Bookerinnen, Labelmacherinnen, Wissenschaftlerinnen und Akademikerinnen.
Um ein für manche marginales, für Frauen in der Musikbranche aber sehr wichtiges Thema ging es in einem Appell , den die Gruppe “female:pressure” zum Frauentag verschickte. Dort heißt es:
Die female:pressure Künstlerinnen gehören zu der als fortschrittlich eingestuften Szene der elektronischen Musik und ihren Subkulturen. Verglichen jedoch mit anderen Kunstsparten, z. B. der Literatur, sind Frauen in diesem Bereich notorisch unterrepräsentiert. Nun haben sie Line-Ups von Festivals und Veröffentlichungen von Plattenlabels untersucht. Die Ergebnisse sind erschütternd. Die meisten Festivals, ob mit öffentlichen Geldern gefördert oder nicht, legen offensichtlich so gut wie keinen Wert auf einen adäquaten Frauenanteil und Diversität. Ähnliches gilt für Labelveröffentlichungen – in Deutschland, einem Epizentrum elektronischer Musik und ihren Künstlerinnen, genauso wie in vielen anderen Ländern. Ein Frauenanteil von 10 % kann heutzutage bereits als überdurchschnittlich gelten. Es ist inakzeptabel, dass wir uns im 21. Jahrhundert immer noch oft als einzige Künstlerin auf einem Festival wiederfinden.
Die detaillierte Auswertung der Recherchen ist hier zu finden.
female:pressure
Mangelnde Diversität und der Ausschluss von Frauen ist aber nicht nur das Problem der Elektronischen Musik, in der “Indie – Szene “ sieht es nicht besser aus.
Während bei Diskussionsveranstaltungen und Panels inzwischen den Veranstaltern klar ist, dass man solche Runden nicht mit rein männlichem Personal besetzen kann, während Frauen in der Literatur, im Journalismus und auf anderen kulturellen Gebieten zahlreich vertreten sind, geht es in der Musikzene einfach nicht voran.
“Unserer männlichen Mitmusiker halten ihre Bands nach wie vor streng monogeschlechtlich und so herrscht in der Popkultur ein ähnlich ausgewogenes Geschlechterverhältnis wie in der KFZ-Meisterinnung und in der Astronautenzene”
hatte ich 1998 in einem Text geschrieben, seit dem hat sich in der bemannten Raumfahrt einiges getan, in der Popkultur weniger.
Die Popmusik ist das Feld, in dem Frauen es immer noch sehr schwer haben, die Gründe dafür sind gar nicht so vielfältig: Weil man es Ihnen schwer macht, weil dem ganzen Genre ein Sexismus inne wohnt und weil die Jungs in diesen Bereichen immer noch gerne unter sich sind.
Ärgerlicherweise gibt es immer noch jede Menge Festivals die zu 98 % männlich besetzt sind, und die Ausreden der Booker sind immer gleich: Wir hätten ja gerne Musikerinnen dabei, aber es gibt ja keine...
Als Bookerin einer monatlichen Konzertreihe in Berlin habe ich jedoch seltsamerweise gar keine Probleme, die Abende mit überwiegend weiblichen Mitwirkenden zu besetzen.
Den Männermusikzirkeln fehlt einfach im Jahr 2013 immer noch das Bewussstsein, dass mangelnde Diversität einfallslos und faul und gesellschaftlich rückwärtsgewandt ist.