Erstellt am: 7. 3. 2013 - 17:20 Uhr
Klamauk, Killer & Knusperhäuser
Okay, freiwillig hätte ich mir diesen Film sicher nicht angetan. Eine Familienkomödie zum Thema Kindererziehung, mit ausgerechnet Billy Crystal und Bette Midler als renitenten Großeltern? No way. Schon die Namen der Hauptdarsteller reichen um meinerseits einen panischen Fluchtreflex auszulösen.
Aber die Arbeit in der FM4 Filmredaktion ist oft auch sehr lehrreich. Nach „Parental Guidance“, der den noch entschieden malerischen deutschen Titel “Die Bestimmer – Kinder haften für ihre Eltern” trägt, wurde mir wieder einmal klar, dass ich komödientechnisch in einer Seifenblase lebe.
Dachte ich doch, dass die amerikanische Comedywelt von Commandante Judd Apatow dermaßen umgewälzt wurde, dass es nach der Revolution vor frechen, wahnwitzigen und zugleich intelligenten und lebensnahen Klamaukstreifen nur so wimmelt. Keine dieser Eigenschaften trifft allerdings auf dieses Stück seichtester Unterhaltung zu.
Centfox
Comedy-Dinosaurier und enervierende Kids
Regisseur Andy Fickman, der schon Großtaten wie “The Game Plan“ oder “She’s the Man“ verbrochen hat, erzählt die Geschichte eines älteren Ehepaars, das erstmals als Aufpasser für die etwas neurotischen Enkerl einspringen soll. Das Experiment geht natürlich gründlich schief.
Schließlich sind Oma und vor allem Opa very oldschool, was Erziehungsmethoden und Ernährungskonzepte betrifft. Die drei kleinen Sprösslinge leben aber in einem Haushalt, in dem moderne Pädagogik und biologisches Essen regieren.
Genüsslich reißt Billy Crystal, dieses Sinnbild des muffigen Hollywood-Humors, den Film an sich. Wenn er die zucker- und fernsehfreie Idylle mit Tortenstücken und Torture Porn Movies torpetiert, ahnt man für Momente das anarchische Potential der Story. Aber „Parental Guidance“ will einfach nur brav dahinplätschern, legt es klarerweise auf Versöhnlichkeit an und setzt auf müde Gags. Dass zwischen Comedy-Dinosauriern und enervierenden Kids die tolle Marisa Tomei als übervorsichtige Mutter untergeht, sei als traurige Randnotiz vermerkt.
Centfox
Der unverhohlene Nostalgieeffekt
Schnitt. Radikaler Themensprung. Wobei auch "Bullet to the Head" von einem in die Jahre gekommenen Mann handelt, der wie der Großpapa in „Parental Guidance“ die Technologie der Gegenwart verweigert, auf altmodische Verköstigung steht und höchstens den Methoden der modernen Schönheits-Chirurgie aufgeschlossen scheint.
Sylvester Stallone, ein Brother in Botox von Billy Crystal, kehrt nach „The Expendables 2“ als zynischer Auftragskiller mit goldenem Herz auf die Leinwand zurück. Im Regiestuhl sitzt bei „Shootout – Keine Gnade", wie der Film bei uns kreativ umgetitelt wurde, kein geringerer als der legendäre Walter Hill. Ein Mann, dem wir unumstrittene Klassiker des Actionkinos wie "The Warriors", "48 Hours" oder "Red Heat" verdanken.
Stallone und Hill setzen in ihrer ersten gemeinsamen Zusammenarbeit unverhohlen auf den Nostalgieeffekt. In einer längst vergangenen Zeit, nennen wir sie die Achtziger Jahre, lieferten sich raubeinige Polizisten und erbarmungslose Killer nicht nur Duelle auf der Leinwand. Manchmal kam es aber auch zu kurzfristigen Zweckgemeinschaften und rustikalen Männerfreundschaften. Dabei hagelte es sarkastische Oneliner und Patronenhülsen.
constantin film
Frisch aus der Videotheken-Ramschkiste
"Bullet to the Head" versucht an diese goldene Ära der Buddy Movies anzuknüpfen und lässt Sylvester Stallone als verbitterten Killer auf einen jungen, cleveren Polizisten treffen. Die Jagd nach dem gemeinsamen Feind, einen gierigen Immobilienhai, der eiskalt über Leichen geht, schweißt das ungleiche Duo aneinander.
Ich verstehe natürlich, warum es heftige Verrisse für diesen Film hagelte. Das Handlungsgerüst könnte aus der Ramschkiste verstaubter Außenbezirks-Videotheken stammen. Die Chemie zwischen Sung Kang als streberhaftem Rookie-Cop und dem knautschigen Stallone funktioniert nie. Viel zu hölzern und uncharismatisch stolpert der koreanische Jungstar durch die Szenerie.
Auf der anderen Seite kann ich "Bullet to the Head" irgendwie nicht wirklich böse sein. Vielleicht ist es der Respekt vor Walter Hill, der mich wohlwollend stimmt, auch wenn der einstmals gefeierte König der Stilisierung sein inszenatorisches Gespür nur sporadisch aufblitzen lässt. Oder aber die noch enttäuschenderen Filme der Altherren-Konkurrenten Arnold Schwarzenegger ("The Last Stand") und Bruce Willis ("A Good Day To Die Hard") setzten meine Erwartungshaltung schon auf Null. Jedenfalls verlasse ich das Kino sanft amüsiert, milde gelangweilt, aber nicht verärgert.
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Burn, Hexenhaus, burn
Entschieden besser gelaunt spaziere ich nach „Hansel and Gretel: Witch Hunters“ in die frische Luft. Dabei hapert es wirklich an allen dramaturgischen Ecken und Enden bei dem neuen High-Concept-Angriff Hollywoods auf die Brüder Grimm.
Der postmoderne Blickwinkel auf das vertraute Märchenreich wirkt oft krampfhaft, die grenzwertigen CGI-Effekte sehen stellenweise aus wie aus einer Billigstproduktion. Genau dieser schundige Flair einer Geisterbahnfahrt in einem abgetakelten Vergnügungspark gehört aber gleichzeitig zu den Vorzügen des Films.
Und da ist natürlich die unschlagbare Ausgangsposition: Hänsel und Gretel, erfahren wir bereits vor dem Vorspann, haben ihre traumatische Gefangenschaft im Hexenhaus überlebt, die finstere Kidnapperin in den Ofen geworfen, den Kontakt zu den fragwürdigen Eltern abgebrochen. In einem emanzipatorischen Akt, der Bruno Bettelheim sicher gefallen würde, zeigen die Kinder allen dämonischen Kreaturen den gestreckten Mittelfinger. Und schwören unerbittliche Rache.
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Don’t eat the f*g candy
Als erwachsene Hexenjäger in Lack und Leder ziehen Hänsel (bizarre Besetzung: Jeremy Renner) und Gretel (unschlagbar charmant: Gemma Arterton) dann durch eine Landschaft, die viel eher an das aktuelle Fantasykino erinnert als an die grimmigen Brüder. Von schnarchigen Hobbits, nervigen Zwergen oder ähnlichen Wesen bleibt man im Hollywooddebüt des Norwegers Tommy Wirkola aber verschont.
Stattdessen versammelt der Horrorspezialist („Dead Snow“) eine stattliche Anzahl von illustren Gothic-Hexen, die direkt vom Dark Wave Treffen zu kommen scheinen, verschüttet kübelweise Filmblut, beschränkt die gesprochenen Sätze auf markige Sprüche.
Wie gesagt: Der seltsame Mittelalter-Mix, in dem Jeremy Renner sich schon mal Insulin spritzen darf, weil ihn die böse Hexe als Kind mit Süßigkeiten gemästet hat, funktioniert zwar nicht wirklich. Aber wenn ich zwischen Sly Stallone mit einer Pumpgun und Gemma Arterton mit einer Armbrust wählen muss, überlege ich keine Sekunde. „Hansel and Gretel: Witch Hunters“ schafft, was dem geriatrischen Actionkino kaum mehr gelingt: Er macht einfach Spaß.
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