Erstellt am: 11. 3. 2013 - 12:50 Uhr
Wie ein Abend mit guten Freunden
Radiotipp:
Jugenzimmer (19-21.15)
Elisabeth Scharang hat Mario Doringer ins FM4 Jugendzimmer geladen. Am Freitag, 15 März werden sie gemeinsam mit der Hörerschaft über Bindungsangst und
über die schönen Momente der Zweisamkeit diskutieren und sich fragen, wie man zusammenleben kann, ohne sich selbst zu verlieren.
"Zum ersten Mal bin ich gebunden. An eine Frau. Durch einen Mietvertrag", stellt Regisseur Marko Doringer mit einer gehörigen Portion Dramatik zu Beginn von "Nägel mit Köpfen" fest. Der Film ist eine Fortsetzung des Dokumentarfilms "Mein halbes Leben", der ein Überraschungshit in den heimischen Kinos war und an dessen Ende Marko Doringer eine Frau kennengelernt hat. Mit dieser Marlene zieht er nun zu Beginn von "Nägel mit Köpfen" zusammen. Und er setzt seine filmische Sinnsuche fort. Diesmal geht es um die Paarbeziehung. Der österreichische Regisseur Doringer fragt sich: Ist sie die richtige? Wie sieht ein perfektes Leben aus?
polyfilm Verleih
Marko Doringer ist 1974 in Salzburg geboren. Seine Doku "Mein halbes Leben" wurde mit dem Großen Diagonale Preis 2008 ausgezeichnet.
Liebevolle Ansichten, doch wenig Neues
Ein bewegtes Bild weiter begegnet dem Kinopublikum das erste jener drei Paare, die Marko Doringer zwei Jahre lang mit seiner Kamera begleitet hat. Ein österreichisches Paar, das aufgrund seiner Managerarbeit in Dubai lebt und einen Kinderwunsch hegt. Eine deutsche Musicalsängerin und ihr österreichischer Schlagzeugerfreund, die durch Engagements über Monate getrennt sind. Ein Österreicher und sein serbischer Freund in Belgrad, die über die Anschaffung eines Hundes uneins sind und nicht gern über Geld sprechen. Und schließlich sitzen Marko und Marlene auf einer Couch und streiten sich darüber, wer wie oft den Müll nicht hinunter trägt. Vor der Kamera inszeniert sich Doringer selbst als denkender Couchpotato und großer Zweifler.
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In den Beziehungsgesprächen offenbaren sich bekannte Muster und höchstpersönliche Anliegen. Bilder oder gar Antworten auf die Frage, wie man heute eine perfekte Paarbeziehung lebe, zu bieten, das war nicht Doringers Anliegen. Interessiert hat ihn, wie seine Generation – die heute Dreißig- bis Vierzigjährigen – mit Liebe, Alltag und Leben umgehen.
Beziehungen sind ja immer eine spannende Angelegenheit, die sympathischen Protagonisten lieben einander offensichtlich und der Schnitt ist kurzweilig in Episoden geteilt. Laut Doringer wurde keine einzige Szene wiederholt oder gestellt. Die Dramaturgie hat der deutsche Regisseur Andres Veiel übernommen. Durch die Schauplätze Dubai und Belgrad kommen soziale und kulturelle Herausforderungen zum Tragen und die Geschichten haben mehr Substanz.
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Das Belgrader Paar hat keine "special places" in der Stadt, weil Händchenhalten in Serbien mit Übergriffen und Anfeindungen geächtet wird. Homophobie hingegen ist gesellschaftlich akzeptiert. Der Kinderwunsch des österreichischen Paares in Dubai führt kurz nach Äthiopien. Optisch hätte Doringer nicht so sehr mit seinen Schauplätzen geizen müssen.
Was glückt, ist das Schau-Spiel, wie Menschen Mitte Dreißig bis Ende Vierzig Beziehungsleben versuchen und wie es ihnen gelingt, weiterzumachen. Es ist ein liebevoller und harmonischer Blick, der "Nägel mit Köpfen" bestimmt. Nur wenige Momente gestalten sich wie anstrengende Paartherapie-Sitzungen. Vielmehr erinnert der Film an Abende mit guten Freunden, die eine gewisse Offenheit zulassen und Feststellungen machen, ohne dass eine und einer gleich das Gesicht verliert.
Dabei gibt der Gastgeber, der Regisseur als mitwirkender Protagonist, am wenigsten von sich preis. Vielmehr nervt seine Attitüde. Anders als noch in "Mein halbes Leben" tritt Doringer auch vor die Kamera. Der 35-jährige Doringer rechnet seiner Freundin vor, dass er in der letzten Zeit zwei Mal für das Frühstück und ein Putzmittel eingekauft hat. Er hängt schmollend oder bedrückt auf der Couch und sinniert laut, ob die Frau die richtige für ihn sei. Wenn Freundin Marlene bei einem Ausflug mit dem Auto querfeldein fährt und sich die Räder des Wagens tief in den Schlamm des Bodens graben, ist das schon zuviel der Symbolik. Hier steckt jemand fest. Aber Doringer greift zum Fernglas und schaut nach den Vögeln.
Ein Film als Korrektiv
Als Korrektiv und Impulsgeber wirken indes die drei porträtierten Paare, die Doringer ab und an auch mal eine Gegenfrage stellen. Wovor er denn Angst hätte, wollen sie wissen. Diese PartnerInnen und Paare haben in ihren Alltagen genug zu denken, als dass sie sich auf ständige Liebeszweifel einließen. In welchem Verhältnis sie zum Regisseur stehen, bleibt im Film unkommentiert und offen. Doringer hat seine ProtagonistInnen erneut im Freundes- und Verwandtenkreis gefunden.
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Fortsetzung folgt
"Nägel mit Köpfen" läuft seit 8. März in den österreichischen Kinos
Zusehends arbeitet sich "Nägel mit Köpfen" auf einen möglichen Teil Drei der filmischen Beobachtungen hin, mit denen Doringer seine Fragen nach dem guten Leben zu ergründen trachtet: Die Frage nach der Elternschaft wird umkreist und zentral. Vergnüglich ist "Nägel mit Köpfen" dank des pragmatischen Realismus seiner Mitwirkenden. Spoiler-Alarm: Einen Handstaubsauger für junge Eltern empfiehlt ein Mann mit einer Begeisterung, wie sie keiner spielen kann: "Saugt trocken und naß!". Pragmatismus, baby, wenn's ums Putzen geht.