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Zita Bereuter

Gestalten und Gestaltung. Büchereien und andere Sammelsurien.

11. 3. 2013 - 14:31

Satan, dein Name ist Pubertät

Joey Goebel lässt uns in "Ich gegen Osborne" einen Tag an der Highschool leiden.

Vor einigen Jahren wollten wir in Hollywood in eines dieser schönen alten Kinos. Das Gebäude war erst-, der Film zweitrangig, und so landeten wir in "Hangover". Die Vorstellung war ausverkauft, der Raum gefüllt mit Leuten in unserem Alter. Umso mehr verwunderte mich die Verklemmtheit des Publikums. Es gibt diese Filmszene, in der eine Prostituierte ihr Baby stillt und für einen Sekundenbruchteil ist die nackte Brust zu sehen. Ein lautes Raunen ging durch den Saal. Der Film ist nicht weiter erinnerungswert. Die Prüderie des Publikums hat sich mir aber eingeprägt.

Joey Goebel ist 1980 in Henderson, Kentucky, geboren, wo er auch heute lebt und Schreiben lehrt.

Joey Goebel - ein Portrait auf FM4 von 2005

An diese Verklemmtheit erinnert der Protagonist des neuen Romans von Joey Goebel. James Weinbach, 17 Jahre alt und in der Abschlussklasse der Osborne High(school) in der fiktiven Kleinstadt Vandalia in Kentucky.

Dort leben einige nette Menschen, die allerdings alle alt sind. "In Vandalia gab es außerdem einige echte Originale, was mich irgendwie noch für Vandalia hoffen ließ, doch auf jeden exzentrischen Intellektuellen kamen drei schwangere Frauen, die nicht so recht zu wissen schienen, wie sie zu dem Baby in ihrem Bauch gekommen waren."

Bisherige Romane von Joey Goebel:
Vincent
Freaks
Heartland

Naheliegend, dass der Protagonist ein Intellektueller ist und außerdem ein Außenseiter – schließlich war das in jedem der bisher drei Romane von Joey Goebel so. In diesem Fall ist es der große hagere "Freak im Anzug" mit der wirren Frisur und dem pickeligen Gesicht. "Wenn ein Seufzer menschliche Form annehmen könnte, würde er wohl wie ich mit siebzehn aussehen."

Seine Generation und Jugendkultur sind ihm ein Gräuel: "Der schlechte Geschmack von Menschen meines Alters erschütterte mich, und die Jugendkultur generell bewirkte, dass ich mir am liebsten in die Hände gekotzt hätte."

Buchcover

diogenes verlag

Joey Goebel: Ich gegen Osborne. Aus dem Englischen von Hans M. Herzog, Diogenes 2013

Weinbach sieht sich als Retter des guten Geschmacks, als Feingeist inmitten von Fastfood-Trotteln, als Herrscher über Recht und Unrecht. Er hört Jazz, liebt F. Scott Fitzgerald und alte Schwarz-Weiß-Filme und träumt von der guten alten Zeit – denn: "Früher hatten die Leute Klasse. Jetzt legt jeder nur noch Wert darauf, cool zu sein."

Er ist der letzte echte Gentleman. Eigentlich ein kauziger, netter Typ, der aber immer gekränkt ist und sich lieber mit Erwachsenen abgibt. "Mehr als einmal dachte ich: Satan, dein Name ist Pubertät."

Weinbach will Schriftsteller werden. An seinem ersten Roman schreibt er bereits. Teile daraus werden an diesem Tag - die Handlung spielt an einem Schultag - im Kurs "Kreatives Schreiben" besprochen. Deswegen ist Weinbach bereits am Morgen des sonnigen 19. April 1999 äußerst nervös. Und auch, weil er an diesem ersten Tag nach den Frühlingsferien seine Mitschülerin Chloe vor die große Wahl stellen will: "Entweder gewann sie einen richtigen Freund, oder sie verlor einen platonischen."

Herzschluckauf

Springbreak ist die Zeit, in der die meisten besinnungslos saufen und hemmungslos vögeln. Chloe war in den Ferien - im Springbreak in Florida. An einem Ort, "wo sie alle soffen wie Bauarbeiter, die gerade eine Scheidung durchmachten". Und sind sie erst mal besoffen, machen sie bei der "Großen dummen Rumhurerei" Dinge, die Weinbach abartig und grausig findet. Umso härter treffen ihn die Gerüchte über Chloe, die er an diesem Schultag hören muss. Ein markanter Schultag, an dessen Ende jeder James Weinberg kennen wird.

Joey Goebel zeichnet mit James Weinberg eine Figur, die vor allem anfangs sehr überzeugt. Und auch sonst hat Goebel einmal mehr ein Herz für die Außenseiter. Aber irgendwann verrennt sich der mal höfliche, mal aufgebrachte aber immer verklemmte Protagonist in seinen Ansichten und seiner Haltung.

Dennoch zieht sich eine andauernde Spannung durch den Roman und auch etliche Sprachspiele sind sehr gelungen. Wenn er etwa in der Deutschstunde seine Gedächtnisstützen für "cosy" erklärt: "Ich musste mir nur zwei schwule (gay) stumme (mute) Männer vorstellen, die es sich gemütlich machten und sich gegenseitig leckten (lick), schon dachte ich gay-mute-lick, worauf mir prompt das Wort gemütlich einfiel."

Die Aufgeregtheit um den Abschlussball scheint – zumindest aus europäischer Sicht – etwas übertrieben.
Aber was wäre ein Highschool-Roman ohne Highschool-Ball? Eben. Und um einen Highschool-Roman handelt es sich nun mal. Noch dazu um einen, der durchaus das Zeug zur Verfilmung hat. Bleibt die Frage, wer deswegen ins Kino geht. Die durchschnittlichen Highschool-Studenten wollen wohl keinen Film sehen, der sich über sie lustig macht. Und für die Weinbachs dieser Welt ist die Handlung zu banal. Die lesen wohl lieber ein gutes Buch, statt sich eine Teenie-Komödie anzusehen. Das eine oder andere laute Raunen würde den Kinosaal verlässlich füllen. Aber vielleicht liegt in dieser Problematik ein Grund, warum dieser Roman zuerst in seiner deutschen Übersetzung erschienen ist, den auf Englisch gibt es das Buch noch nicht.

Autorenfoto

Regine Mosimann / Diogenes Verlag

(c) Regine Mosimann / Diogenes Verlag

Joey Goebel live

Joey Goebel und Robert Stadlober lesen gemeinsam:
im Literaturhaus München am Montag, 11. März
im Kaufleuten in Zürich am Dienstag, 12. März
im WDR in Köln am Mittwoch, 13. März
in der Hauptbücherei in Wien am Donnerstag, 14. März um 19 Uhr

Außerdem signiert Joey Goebel am 14. März um 15 Uhr beim Thalia in der Landstraßer Hauptstraße in 1030 Wien.

Joey Goebel für Daheim

Wir verlosen eine Ausgabe von "Ich gegen Osborne" unter allen, die folgende Frage richtig beantworten:

In welcher Band hat Joey Goebel gespielt?
a) Octoberists
b) Novembrists
c) Decemberists

Die richtige Antwort schickst du bitte an game.fm4@orf.at. Einsendeschluss ist Donnerstag, 14. März 2013, 14 Uhr. Namen und Adresse nicht vergessen!