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Alexandra Augustin

West Coast, wahnwitzige Künste und berauschende Erlebnisse. Steht mit der FM4 Morningshow auf.

5. 3. 2013 - 14:48

David Bowies neue Platte ist erschienen

Mit 66 Jahren fängt das Leben an! Zu seinem Geburtstag schenkt David Bowie sich und seinen Fans ein neues Werk: "The Next Day". Die kann man sich vorab umsonst auf iTunes anhören.

Manch einer hat es eben nicht mehr nötig, durch Plattenverkäufe Geld zu verdienen. Lucky you!, sagt da der kleine Indiemusikant und beißt traurig in sein trockenes Backstage-Wurstsemmerl im Flex, Cinema Paradiso oder im Weekender. Von Plattenverkäufen allein kann man die Miete bekanntlich eben schon lange nicht mehr bezahlen.

Der 10. Oktober 2007 setzte offiziell ganz neue Maßstäbe in der Musikgeschichte, beziehungsweise manifestierte einen schrecklichen Status Quo: Radiohead stellten ihr neues Album "In Rainbows" nicht in den Plattenladen, sondern auf ihre Bandwebsite. Und zwar kostenlos zum download, umsonst und offiziell. "Pay as you wish" lautete das Motto. Aber man konnte es auch umsonst downloaden. Kaum einer fühlte sich besonders wohl bei dem Gedanken, der Band die finanzielle Wertschätzung vorzuenthalten. Und so manchem wurde vielleicht auch das eigene schlechte Gewissen erstmalig bewusst.

Was ist dir unsere Musik wert? Was ist dir Musik überhaupt wert?

Und so konnte man also per Kreditkarte einen Ablass-Beitrag an Radiohead entrichten, um sich die Seele reinzuwaschen von der Sünde all der zuvor heimlich gesaugten Musik aus dem Netz. Die Ironie: Die meistverkaufte Vinylplatte im Jahre 2008 war "In Rainbows".

Was die großen können, können die kleinen aber auch: Christian Lehner empfiehlt das neue Marnie Stern Album, das gerade ganz frisch erschienen ist und das man auch gratis streamen kann. Very nice!

Radiohead haben damit ein Zeichen gesetzt, einen öffentlichen Diskurs geschaffen. So ein anarchistisches Statement muss man sich aber auch leisten können. Musik quasi gratis ins Netz stellen und ganze Albumstreams - das kann man sich eben nur dann leisten, wenn man ein warmes Platzerl im Popolymp hat oder wenn man ein unerschütterlicher Idealist ist. Muse zum Beispiel. Und David Bowie auch. Er pfeift auf die konventionellen Wege der Musikvermarktung sowieso schon längst.

David-Bowie

Jimmy King

Das aktuelle Pressefoto: David Bowie, William S. Burroughs, noch mal David Bowie. 1974 hat der Rolling Stone die beiden zum Doppelinterview gebeten. Dabei ist auch dieses Foto im Hintergrund entstanden.

Klicke hier, um dir das Album anzuhören. Bis zum 11. März ist der Stream verfügbar.

Seine neue Single "Where Are We Now?" hat er Anfang Januar ohne Vorankündigung veröffentlicht. Die Musikpresse und seine Fans haben aufgehorcht. Und nachdem er Geld nach 130 Millionen verkauften Alben, hüstel hüstel, auch nicht mehr ganz so nötig hat, gibt es nun sein neues, 24. Studioalbum "The Next Day", online auf iTunes gratis und in voller Länge im Stream zum anhören. Dass die Fans das Album als erste zu hören bekommen, und nicht die Presse, ist ein konsequenter Schritt.

Jeder Musikjournalist weiß ja, wie das sonst heutzutage gehandhabt wird: Da gibt es sonst Hexenzirkel-ähnliche, hermetisch abgeriegelte Pre-Listening Sessions. Ich erinnere mich gerade schmunzelnd and die Session zum neuen Album der Killers. Ist das Handy eh aus? Hat eh niemand ein Aufnahmegerät in der Hosentasche und stellt nachher die elendig klingenden Mitschnitte ins Netz? Danach folgen ausufernde Bewertungen in Zeitungen und Radio.

David Bowie hat auf diesen Zirkus und Kauderwelsch keine Lust mehr. Und wer braucht eigentlich noch MusikjournalistInnen? Wir schreiben das Jahr 2013. In Gedanken freunde auch ich mich schon damit an, im Gasthaus ums Eck wieder kellnern zu gehen.

Mit 66 Jahren fängt das Leben an

Die einzigen Kritiker, die David Bowie braucht, sind eben die Fans selber: Auf seiner Facebook-Seite geht es schon ordentlich rund: David Bowie verspricht, dass derjenige eine signierte Ausgabe des Albums gewinnt, der ihm seine Lieblingssongs von der neuen Platte verrät. Knapp 8000 Menschen haben im Schlammcatchen um den begehrten Preis die Statusmeldung schon kommentiert und ihre Gedanken zum neuen Album geshared. So ein Spaßvogel, dieser David. Aber David Bowie war betreffend seiner Online-Präsenz sowieso schon immer der Cleverste.

David Bowie

David Bowie

Bad hair day: Kaum zu glauben, auch das ist der David.

Seine Website hat er bereits 1996 online gestellt, da haben andere noch mit der dem Plastikbecher-Telefon kommuniziert. 1997 gab er seine Anleihe “Bowie Bonds” heraus, die mit den zukünftigen Einnahmen von 300 seiner Songs abgesichert ist und ihm auf einen Schlag 55 Millionen US-Dollar einbrachte.

Und die Fans freuen sich über seinen aktuellen Streich jedenfalls tierisch: Zehn Jahre mussten sie immerhin auf ein neues Werk des britischen Musikers warten, nachdem 2003 das Album "Reality" erschienen war. Nach einer Herzoperation hatte sich Bowie aus der Öffentlichkeit zurückgezogen und das Musikmachen ruhen lassen. Stattdessen hat er Bücher gelesen und sein Leben mit seinem schönen Topmodel Iman genossen.

Dementsprechend erfreut sind nun die Kommentare der Fans auf Facebook und Twitter: Viele Herzerl, viele Smilies findet man da. Manche weinen auch vor Freude.

In Deutschland und Österreich gibt es die CD "The Next Day" ab kommenden Freitag, 8. März, zu kaufen.

David Bowie Plattencover

David Bowie

Das aktuelle Plattencover von "The Next Day".

Was die Fans auch besonders freut sind die Reminiszenzen an David Bowies Frühwerk: Laut Bowie handelt es sich um eine Hommage an seine alte Heimat Berlin. Das sieht man auch. Das Plattencover ist eine abgewandelte Version des LP-Covers von "Heroes" von 1977, eine Platte die in Berlin entstanden ist. Aber eine weiße Quadratfläche verdeckt das Gesicht des Sängers, die alte Bezeichnung "Heroes" ist durchgestrichen. Was ist also übrig geblieben vom Berlin der alten Tage, woran erinnert sich David Bowie zurück?

"Had to get the train from Potsdamer Platz", singt er etwa in der ersten Single-Auskoppelung "Where Are We Now?". Und im Video dazu darf man mit Bowie durch Berlin spazieren, vorbei an der Berliner Mauer, dem Fernsehturm, dem Reichstag, dem Berliner Dom.

Zwischen 1976 bis 1978 hat David Bowie im damaligen West-Berlin, im Stadtteil Schöneberg in seiner Zweizimmer-Altbauwohnung gelebt und dort in seiner "Berlin Phase" mit Brian Eno abgehangen und die Alben seiner "Berlin-Triologie", "Low", "Heroes" und "Lodger" aufgenommen. Außerdem hat er mit Wohnungsnachbar Iggy Pop die Alben "The Idiot" und "Lust for Life" fabriziert und er ging als Keyboarder mit Iggy Pop auf Tournee.

Ist das neue Album also ein Link zu seiner berühmten Berlin-Triologie? Wie klingt also die neue Platte von David Bowie, wie wirkt sie auf mich? Man merkt, dass der Herr stimmlich gereift ist, fit ist er aber immer noch. Und er sucht sich aus seinem breiten Oevre einfach das aus, was ihm gefällt und braut sich daraus was feines zusammen.

Der - aber nur im Titel von Elvis inspirierte - Track "You Feel So Lonely You Could Die" erinnert an Ziggy Stardust-Zeiten, "Dirty Boys" erinnert an ein entschleunigtes, etwas verschrobenes, avantgardistisches "Let's Dance". Viel Liebe gibt's auch auf der neuen Platte, etwa im Stück "Valentines Day". Viel Euphorie und Pathos findet man auch: Das sind Lieder mit Wiedererkennungswert, gespickt mit Referenzen an die eigene musikalische Vergangenheit und trotzdem zeitlos. Ohne Trends und Hypes hinterherzurennen und schon gar nicht ein peinlicher Versuch, die eigenen glorreichen Tage zu mystifizieren. David Bowie ist eben David Bowie. Und es gibt nur einen David Bowie. Ein paar Mal werde ich mir das Album aber trotzdem noch anhören müssen, beim ersten hören hat es mich jetzt noch nicht so gepackt, wie seine großartigen alten Lieder. Aber macht ja nix.

Bleibt nur zu hoffen, dass "The Next Day" nicht sowas wie sein finales Lebens-Abschiedswerk ist. David, ein bisschen bleibst du uns schon noch erhalten, oder? Lass' den Starman bitte noch ein bisschen warten. Danke.