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Erich Möchel

Netzpolitik, Datenschutz - und Spaß am Gerät.

5. 3. 2013 - 06:00

Erfahrungen mit dem Transparenzgesetz

Im deutschen Bundesland Bremen wird das seit 2006 bestehende Transparenzgesetz auf den neuesten Stand gebracht und ausgeweitet. Auskunftspflichten werden einklagbar.

Bei der nun auch in Österreich eröffneten Debatte über ein Transparenzgesetz, das den Bürgern Einsicht in Vorgänge und Beschlüsse der Verwaltung ermöglichen soll, wird hierzulande vor allem über das Hamburger Modell diskutiert.

Die Hansestadt hatte im Oktober ein Transparenzgesetz verabschiedet, das nach eigener Aussage "weiter gehe als in anderen deutschen Bundesländern." Im föderalen Deutschland fallen Datenschutz wie auch Informationsfreiheit unter die Länderhoheit.

Eine Hansestadt weiter, nämlich in Bremen, verfügt man bereits über sieben Jahre an Erfahrung mit einem solchen Gesetz, das die Auskunftsrechte gegenüber der Verwaltung festschreibt. In Bremen wurde nämlich bereits 2006 ein Landesgesetz zur Informationsfreiheit verabschiedet, das nichts anders als ein Transparenzgesetz darstellt.

Aus Gebot wird Anspruch

Imke Sommer

senatspressestelle

Imke Sommer

Im Moment ist man dort gerade dabei, dieses Gesetz anhand der eigenen, praktischen Erfahrungen und den Beispielen weiterer Bundesländer zu novellieren. So werde das bisher schon bestehende Gebot auf Auskunft nach dem Hamburger Modell in einen Auskunftsanspruch umgewandelt, sagte Imke Sommer, Bremische Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit zu ORF.at.

Das sei ein ganz wichtiger Punkt, denn damit sei es den Bürgern möglich, dieses Auskunftsrecht im Falle einer Weigerung seitens der Behörden auch gerichtlich geltend zu machen.

Auch sonst hat man in Bremen bei der Novellierung über die Landesgrenzen hinausgeschaut. Bei der Veröffentlichungspraxis von Verträgen der öffentlichen Hand habe man sich wiederum am Berliner Modell bedient, das in dieser Hinsicht vorbildlich sei, sagt die Landesbeauftragte. Die gesamte Novelle zum Informationsfreiheitsgesetz wird am kommenden Freitag in Bremen erstmals vorgestellt.

Was die Praxis sagt

Welche Erfahrungen hat man in Bremen nun bei der Umsetzung gemacht? "Die Praxis ѕagt, das Wichtigste ist, die Kultur in der Verwaltung zu ändern", antwortet Imke Sommer, "wir haben damals absolutes Neuland betreten." Die im Gesetz festgeschriebenen neuen Informationspflichten seien in den Verwaltungsroutinen bis 2006 ja nicht vorgesehen gewesen.

So wurden Arbeitsgruppen gebildet, der Umsetzungsprozess eingezogen und der Workflow aufgesetzt, dann wurde von den einzelnen Ressorts eine gemeinsame Rechtsverordnung erarbeitet. "Das wohl Wichtigste daran ist, dass auch die Verwaltungsvorschriften in Bremen veröffentlicht werden", sagt Sommer.

Interne Anweisungen öffentlich

Dabei handle es sich um eine Art "Binnenrecht der Verwaltung" das regle, wie "Rechtsbegriffe ausgelegt werden". Das werde ihres Wissens sonst nirgendwo veröffentlicht, sagte die Landesbeauftragte Bremens nicht ohne Stolz.

Die Veröffentlichung dieses "Binnenrechts der Verwaltung" ist deutlich brisanter, als dieser Begriff vielleicht klingt. Auf Österreich umgelegt, wären das etwa amtsinterne Dienstanweisungen, die hierzulande unter die "Amtsverschwiegenheit" fallen.

In einer solchen internen Auslegungsvorschrift wird zum Beispiel definiert, was etwa unter der gesetzlichen Formulierung "angemessener Unterhalt" zu verstehen ist, oder wie mit Asylsuchenden oder Sozialfällen umgegangen wird. Mit dem Veröffentlichungsgebot offenbart sich somit auch eine Art Geisteshaltung der Verwaltung den Bürgern gegenüber.

Beschlüsse der Landesregierung

In einem Punkt geht das Bremer Modell noch über jenes der Hamburger Nachbarn hinaus. "Sämtliche Senatsvorlagen, die beschlossen wurden, müssen prinzipiell veröffentlicht werden", sagt die Bremer Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit, "in Hamburg müssen derzeit nur Vorblatt und Titel zwingend veröffentlicht werden."

Das Bremische Informationsfreiheitsgesetz enthalte ein Veröffentlichungsgebot für die beschlossenen Senatsvorlagen, sagt Sommer. Auf Österreich umgelegt wären das Beschlüsse einer Landesregierung und nicht nur die.

Transparente Entscheidungsfindung

In Bremen bezeichnet das Gesetz auch alle anderen Dokumente, die den Entscheidungen des Senats zugrunde liegen. Darin "werden das zu lösende Problem und die Lösung des Senats beschrieben" sagt Imke Sommer. Gleichzeitig werde begründet, warum die gewählte Lösung im Vergleich zu anderen vorzugswürdig sei.

Dazu: Eine "Beschreibung der finanziellen und personalwirtschaftlichen Auswirkungen, eine Genderprüfung und die Mitteilung, wer beteiligt wurde." Zwar sei hier noch eine Entscheidungsmöglichkeit gegeben, ob die gesamte Senatsvorlage nach dem Informationsfreiheitsgesetz veröffentlicht werde. Ein Rechtsanspruch des Bürgers bestehe jedoch und sei auch dann vor Gericht durchsetzbar.

Im Lande des Gebots zur amtlichen Verschwiegenheit ist man von Bremer oder Hamburgischen Verhältnissen noch weit entfernt. Etwas mehr als 7200 Österreicher haben die Online-Petition für ein Transparenzgesetz bereits unterschrieben.

Die österreichische Realität

In Österreich würde das zum Beispiel bedeuten, dass etwa die niederösterreichische oder Salzburger Landesregierung Beschlüsse zur Veranlagung öffentlicher Gelder direkt danach offenlegen müssten. Widrigenfalls hätte jeder der Bürger das Recht, die Offenlegung dieser Beschlüsse auf einfachen Antrag zu erreichen.

Die österreichische Realität sieht hingegen so aus: Monate nach Auffliegen eines Spekulationsskandals, der ein gutes Jahrzehnt unentdeckt blieb, sind weder Schadenshöhe noch Verantwortlichkeiten in Salzburg geklärt. Über die Höhe der Spekulationsverluste in Niederösterreich kursieren wiederum unterschiedliche Zahlen, auch hier ergibt sich kein eindeutiges Bild.

"Open Data"

Die Verfechter von "Open Data" wie der Erfinder des WWW Tim Berners Lee gehen weit darüber hinaus, etwa eine Art von individuellen Pensionsberechner ins Internet zu stellen. Dies wurde von der österreichischen Bundesregierung für 2014 angekündigt. Die Vertreter von "Open Data" verlangen Zugang zu Rohdatensätzen wobei einen großen Anteil dieser gewaltigen Datenmengen keine personenbezogenen, sondern Daten aus der Maschinenkommunikation ausmachen.

Der mit einem Transparenzgesetz einhergehenden Forderung nach einer weitgehenden Öffnung möglichst vieler Datenbanken von Behörden und Verwaltung - "Open Data" - steht Imke Sommer als Datenschützerin mit deutlicher Skepsis gegenüber. "Derzeit fehlt es noch an Regeln für Big Data etwa in einer EU-Richtlinie" sagt Sommer. Es sei zum Beispiel noch völlig ungeklärt, ab wann etwa welche Datensätze vor der Veröffentlichung anonymisiert werden müssten.

Gerade letztere Maßnahme sei mit einem beträchtlichen Aufwand für die Verwaltung verbunden, so Sommer weiter. Überdies sei auch dann noch eine Re-Personalisierungdieser anonymisierten Datensätze durch Verknüpfungen sehr leicht möglich.

"Zuerst sollten wir die Hausarbeit machen" sagte Sommer zum Abschluss des Gesprächs, nämlich alle bereits jetzt zu veröffentlichenden Datensätze der Verwaltung auch tatsächlich, ehestmöglich und vollständig zur Verfügung stehen. Die Effizienz der Umsetzung sei eben untrennbar mit der Kultur in der Verwaltung verbunden.