Erstellt am: 3. 3. 2013 - 10:25 Uhr
Das ist nicht wahr, oder?
Metrolit
Jenny Lawson betreibt den extrem erfolgreichen Blog thebloggess.com und schreibt diverse Kolumnen. Alles was sie schreibt ist ehrlich, tabulos und schrullig (auf sehr charmante Art und Weise). Ihr erstes Buch, "Das ist nicht wahr, oder?", hat schon eine Woche nach dem Erscheinen die Bestsellerlisten der USA gestürmt. Der Originaltitel des Buches lautet "Let's pretend this never happened (a mostly true memoir)" und darin erzählt die Autorin von ihrer Kindheit, ihrer Familie, davon, wie sie ihren Ehemann kennengelernt hat und ihr Kind bekommen hat. Das klingt jetzt auf den ersten Anschein wie eine 0-8-15 Biographie. Davon ist Jenny Lawson aber weit, weit, weiiiit entfernt.
Viele Tiere, einige tot
Ihr Vater ist Tierpräparator und hat deswegen immer wieder tote Tiere nach Hause gebracht und daheim, naja, verarbeitet. Weshalb Jenny Lawson als Kind einmal beim Fangenspielen in einen offenen, aufgehängten Rehkadaver gerannt ist und sich dort übergeben hat. Ihr Vater hat aber auch viele lebende Tiere mit nach Hause gebracht, wie zum Beispiel einen Wurf Waschbärenjungen, die er in der Badewanne aufziehen wollte. Die Mutter hat dann Bermudahosen für die Waschbärenjungen genäht (also Jenny Lawsons Mutter, nicht die der Waschbären, die war tot, deswegen hatte der Vater ja die Jungen mit heim gebracht). An solchen Stellen kommt dann der Titel des Buches zum Tragen und man denkt sich - "nein, das ist jetzt aber nicht wahr, oder?". Aber das Buch liefert auch gleich Beweisphotos mit.
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Sie schreibt davon, wie sie in der Schule als Freifach gelernt hat, eine Kuh künstlich zu befruchten und dafür ihren Arm in die Kuhvagina stecken musste. Oder davon, wie ihr Vater sie und ihre Schwester mit einem toten Eichhörnchen unterhalten wollte, das er in eine makabre Handpuppe umfunktioniert hatte. Oder davon, dass sie einen ausgestopften kubanischen Alligator im Piratenkostüm in ein Flugzeug geschmuggelt hat. Ihre Geschichten sind unglaublich skurril. Und die Situationen, die eigentlich garnicht so skurril wären, betrachtet Lawson auf so ausgefallene Art, dass sie wieder ungewöhnlich werden.
Nicht nur lustig sondern auch
Aber es sind nicht alle 359 Seiten von "Das ist nicht wahr, oder?" nur überdreht und witzig. Lawson schreibt sehr wohl auch über ernste Themen wie ihre Angststörung, ihre Fehlgeburten und ihre Depression. Bei diesen sehr persönlichen Stellen schlägt sie, ganz ohne Pathos, einen ehrlichen und unverblümten Tonfall an. Sie schreibt über die Probleme die sich im Alltag ergeben, weil sie zum Beispiel die Zahl dreizehn strikt meidet und deswegen mal eine halbe Stunde lang im Lift festsaß, weil sie nicht zur Firmenfeier in den dreizehnten Stock fahren konnte. Oder, dass sie jede Email, die sie verfasst, mehrmals umschreiben muss, bis nichts mehr darin steht, was als "unangemessen" empfunden werden könnte (hauptsächlich Bemerkungen über Nekrophilie, Hoden oder Penisse).
- Buchempfehlungen auf FM4
Wenn man "Das ist nicht wahr, oder?" fertig gelesen hat, hat man das Gefühl, man kennt Jenny Lawson irgendwie. Man kennt ihre verrückte Kindheit, ihre noch verrücktere, aber liebenswerte Familie, ihren geduldigen Mann, ihre Freunde. Am Ende versteht man im besten Fall, wie sie tickt. Dass ihre Schrulligkeit nicht gewollt oder aufgesetzt ist, sondern vielmehr eine persönliche Eigenschaft, die für Jenny Lawson in vielen Lebenslagen eine enorme Belastung bedeutet. Allerdings auch eine Eigenschaft, die sie zu ihrer Stärke umgewandelt hat und die sie zu jener unheimlich erfolgreichen Autorin und Bloggerin macht.
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Das Buch ist wie eine Einführung in das Leben von Jenny Lawson. Wenn man dann ihren Blog liest oder ihr auf Twitter folgt, kann man ihre täglichen Erlebnisse weiter verfolgen, auch nach der letzten Seite des Buches. Dadurch wird die Autorin greifbar, realer, und in Anbetracht dessen wirken ihre Geschichten noch absurder. Aber Lawson will eben genau das mit ihrem Buch bezwecken: "feiern, was in unserem Leben fremd und bizarr ist". Sie öffnet den Lesern mit allem, was sie schreibt die Augen für die Skurrilität des Alltags.
thebloggess
Bei mir hat sie zusätzlich Begeisterung für präparierte Tiere ausgelöst, die sie selbst sammelt. Lawson ist spezialisiert auf ganz alte ausgestopfte Tiere, die sie irgendwo auf Flohmärkten oder auf ebay findet. Wie diese als Hamlet verkleidete Maus hier zum Beispiel:
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