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Maria Motter Graz

Bücher, Bilder, Kritzeleien. Und die Menschen dazu.

1. 3. 2013 - 13:02

Innovativ, schamlos, Diagonale

Schwierige Entscheidungen warten auf die Jury der Diagonale - und auch auf das Publikum: Eine Vorschau auf das Festival des österreichischen Films in einem prallen Spielfilmjahr.

Diagonale - Festival des österreichischen Films,
12. bis 17. März, Graz

Eine dunkelblaue Meeresoberfläche prägt das Plakat der Diagonale. Es ist ein schönes Sujet für das Festival des österreichischen Films in einem Jahr, in dem Michael Hanekes "Liebe" mit dem Oscar für "Best Foreign Language Film" ausgezeichnet wurde und nun im Wettbewerb der Diagonale laufen wird. Und zwar ebenso, wie Ulrich Seidls "Paradies"-Trilogie. Doch dies sind nur vier der insgesamt 98 Filme im Wettbewerb. "Es ist ein ausnehmend gutes Jahr für den österreichischen Spielfilm", sagt Diagonale-Intendantin Barbara Pichler. Und sie meint damit nicht allein die Filme bereits bestens bekannter RegisseurInnen.

Wer mehr vom Meer des diesjährigen Plakats sehen will: In "Nella Fantasia" dokumentiert Lukas Marxt den Alltag auf einer Bohrinsel.

Eröffnet wird die Diagonale 2013 mit "Paradies: Hoffnung" von Ulrich Seidl. Seine Premiere hatte der Film, in dem sich ein Mädchen im Diätcamp in einen Arzt verliebt, auf der Berlinale. Den Großen Diagonale-Schauspielpreis 2013 wird zuvor Maria Hofstätter überreicht bekommen. Die Entscheidung stand vor dem Start von "Hoffnung: Glaube" fest, den Hofstätter trägt und in dem sie mit einer Wandermuttergottes in fremde Wohnungen eindringt.

Dicklichere Kinder stehen in einer Reihe auf einer Wiese

Stadtkino Filmverleih

In Graz wird Seidls Trilogie, die drei Frauen in den Mittelpunkt rückt, zudem ein ganzer Festivalnachmittag und -abend gewidmet (15. März). Auf speziellen Wunsch von Ulrich Seidl werden alle drei Filme in einem Stück gezeigt.

Vorfreude auf neue Spielfilme

FM4 ist mit einer Sondersendung am 13. März, 19 bis 22.00 Uhr, live im Kunsthaus Graz.

Unter jenen Filmen, die auf der Diagonale ihre Österreich-Premiere haben bzw. teils uraufgeführt werden, sind vier Spielfilme junger RegisseurInnen. "Ich finde es vor allem erstaunlich, dass diese vier Filme so extrem unterschiedlich sind in ihrer ganzen Denkweise, wie sie filmisch erzählen", weckt Barbara Pichler im Interview schon Vorfreude. "Man könnte keine Schule feststellen, man kann keine Vorbilder zuordnen oder eindeutige Ähnlichkeiten zwischen diesen Filmen entdecken; obwohl drei der vier RegisseurInnen einen Filmakademie-Hintergrund haben. Wo man auch vermuten könnte, es entsteht eine gewisse Prägung, aber nein. Es sind eigenständige Positionen", so Pichler.

"Soldate Jeanette" von Daniel Hoesl lässt zwei Frauen einander begegnen, die genug von ihrem gegenwärtigen Leben und auf den ersten Blick wenig gemein haben. Die Suche nach einer neuen Freiheit beginnt, und vieles bleibt und muss offen bleiben in "Soldate Jeanette". In Rotterdam gewann Daniel Hoesl damit einen Tiger Award, das Sundance zeigte den Film Anfang des Jahres.

Der Verschluss einer Perlenkette in einem weiblichen Nacken

The European Film Conspiracy 2012

Die Mutter-Tochter-Geschichte "Talea" von Katharina Mückstein mit Nina Proll und Nachwuchs-Schauspielerin Sophie Stockinger war indes beim Filmfestival Max Ophüls Preis erstmals zu sehen und erhielt den Preis der Saarländischen Ministerpräsidentin (der heißt tatsächlich so). Am Trailer wird noch geschnitten.

Eine junge Frau mit ausgebreiteten Armen. Sie schaut glücklich aus

La Banda Film

Uraufgeführt in Graz wird Peter Brunners "Mein blindes Herz" in kontrastreichem Schwarz-Weiß. Ein junger Mann, beinahe erblindet aufgrund einer unheilbaren Erkrankung, trifft eine Ausreißerin.

Zwei junge Menschen sitzen nebeneinander und lächeln sich an

Max Hödl

Hüseyin Tabaks Lang-Spielfilmdebüt "Deine Schönheit ist nichts wert" kommt auch bereits mit Auszeichnungen nach Graz. Im Mittelpunkt stehen ein Zwölfjähriger und seine kurdisch-türkische Familie in Wien.

Zwei lachende Mädchen

Dor Film / Hüseyin Tabak

13 Premieren gibt es im Dokumentarfilmbereich. Etwa "Die 727 Tage ohne Karamo", in dem Anja Salomonowitz den alltäglichen legalen Irrsinn zeigt, der binationalen Paaren ein reguläres Zusammensein verunmöglicht. Oder "Schlagerstar" von Marco Antoniazzi und Gregor Stadlober, die mit dem Sänger Marc Pircher durch's Land und in Festzelten unterwegs waren. Die Melodien aus dem Porträt von Pircher und seiner Branche bleiben angeblich auch jene, die Schlager nicht unbedingt schätzen, noch lange in den Ohren.

Einer der Gäste: Dominik Graf

Regisseur Dominik Graf

Caroline Link

Fernsehen und Kino schätzt Dominik Graf gleichermaßen. Wer den Namen des deutschen Regisseurs nun nicht zuordnen kann: Mit hoher Wahrscheinlichkeit hat man eine Serie wie "Im Angesicht des Verbrechens" oder eine Episode einer Serie von ihm bereits gesehen. Graf ist ein arbeitsamer Vieldreher, seit 1975 zählt sein Werk mehr als fünfzig Filme. Die Diagonale beschränkt sich auf das Genre Polizei- oder Kriminalfilm.

Martin Blumenau über Dominik Graf und dessen "Dreileben"-Episode

Nach Graz wird Graf kommen, doch nur für einige Tage, dann muss er wieder drehen. Auf das Werkstattgespräch mit ihm darf man sich schon freuen (15. März).

Personalen widmet das Festival heimischen Filmschaffenden, dieses Jahr dem Künstler und Filmemacher Josef Dabernig und der Künstlerin Michaela Grill. Beide arbeiten im experimentellen Feld. Doch während Dabernig etwa seine Panorama-Bilder mit der Kleinbildkamera aus freier Hand aufnimmt und digital nachbearbeitet, arbeitet Grill mit digitalen Bild- und Tonstrukturen.

Das filmische Gesamtwerk Dabernigs umspannt "nur" drei Stunden, auf der Diagonale ist es ebenso zur Gänze zu sehen wie jenes von Michaela Grill.
Dabernigs auffallend perfekt kadrierte Bilder werden in einer Ausstellung im Kunsthaus Graz hängen. "Gleichzeitig interessieren ihn Narrationen, die natürlich gebrochen werden", weiß Barbara Pichler. Auch der diesjährige Festivaltrailer stammt vom 1956 in Kötschach-Mauthen geborenen Dabernig.

Filmstill aus dem Trailer der Diagonale 2013: Blick aus einem Auto auf eine Straße, am Rand steht ein Hund und ein anderer Hund liegt im Schatten

Josef Dabernig

Diese zwei Hunde begegnen Diagonale-BesucherInnen noch öfter.

Innovatives Kino

Besonders hierzulande ist das vielfältige innovative Kino. "Tatsächlich ist es ein Ausnahmezustand in Österreich", sagt Barbara Pichler, "In kaum einem anderen Land werden solche Formen des Avantgarde- oder experimentellen Kinos hervorgebracht." Das Festival bietet die schöne und doch sehr seltene Gelegenheit, diese Arbeiten tatsächlich im Kino zu sehen.

Auch im innovativen Kino werden die Filme immer länger. Früher waren es Fünfminüter, heute sind zwanzig Minuten Laufzeit beliebt. Es wird auch vier Langfilmpremieren im innovativen Kinobereich geben: "Fata Morgana" von Peter Schreiner, "Kalte Probe" - eine Mischung aus Film- und Theaterperformance - von Constanze Ruhm sowie "Perfect Garden" - zwischen Tanzperformance und Spielfilm angesiedelt - von Mara Mattuschka und "A Messenger from the Shadows" von Norbert Pfaffenbichler mit dem Untertitel "Notes on Film 06 A/Monologue 01".

Filmstill aus Foret d'Experimentation von Michaela Grill: nicht genau zu definierende Farbschwämme

Michaela Grill

Still aus Michaela Grills "Foret D'Experimentation"

Dass der experimentelle Bereich in Österreich "diese Fülle an Möglichkeiten filmischen Ausdrucks" - wie es Barbara Pichler ausdrückt - aufweist, hänge auch mit den Förderstrukturen zusammen. Über Filmförderung generell wird diskutiert werden (15. März, 16 Uhr, Kunsthaus Graz).

Das Institut Schamlos stellt sich vor

"Austrian Pulp" nennt sich eine Spezialreihe der Diagonale, die erstmals im Programm zu finden ist: Das Fantastische Kino verdient mehr Aufmerksamkeit, geht es nach den Kuratoren Markus Keuschnigg und Paul Poet. Sie betreiben das Institut Schamlos - das erstmal als Idee existiert und nun forciert werden will.

Das Institut Schamlos will sich vernetzen: Geneigte kommen zum Get-Together, 14. März, 16.00, Kunsthaus Graz, Space 04.

Was gibt es da zu sehen? Etwa einen Garagen-Splatter-Film, "I Was A Teenage Zabbadoing", und einen "avantgardistischen Amateur-Hardcore-Porno auf Super 8" (wie das Programm ankündigt) des Wiener Filmemachers Caro B. Er ist im Vorjahr verstorben und galt als Urgestein des Wiener Underground-Kinos. Und schon findet man sich auf einer möglichen Party wieder.

FM4 empfiehlt: Die Diagonale Nightline

Sich bei Herrn Manfred im Kunsthaus zu treffen, das ist für viele Diagonale-BesucherInnen längst kein geheimer Treffpunkt mehr. Der Herr mixt Cocktails und dazu bedienen - salopp ausgedrückt - Christof Kurzmann und Bernhard Fleischmann die Plattenspieler oder modernere Gerätschaften (14. März, 22.00, Eintritt frei). Tags darauf übernehmen Freunde und Blutsverwandte des Instituts Schamlos die musikalische Auswahl: Als DJs beweisen sich unter anderen Sabrina Reiter, Markus Keuschnigg und Thomas Ballhausen. Live spielt dann Modell Doo (15. März, DJ-Sets 22.00, Konzert 23.30, Eintritt frei).

Samstagabend wird es dann spannend, Preise im Wert von €155.000 werden verliehen. Das anschließende Abschlussfest liegt musikalisch in den DJ-Händen von Clara Luzia, Mirjam Unger und Schauspieler Philipp Hochmair.