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Phekt

Geschichten aus dem Hip Hop-Universum und benachbarten Galaxien.

28. 2. 2013 - 13:00

Im Tourbus bei Kendrick Lamar

Kendrick Lamar hat mit "Good Kid, Maad City" eines der besten Alben des letzten Jahres veröffentlicht. Letzte Woche war er live in München. Wir haben ihn zum Interview getroffen - hier nachzuhören und -lesen.

Kendrick Lamar Cover

Interscope

Der 25-jährige Kendrick Lamar aus Compton, Los Angeles hat mit "Good Kid, Maad City" letztes Jahr ein Album veröffentlicht, das zweifellos als "Klassiker" in die Musikgeschichte eingehen wird.

Unter der Schirmherrschaft des kalifornischen Hip Hop-Moguls Dr. Dre beschreibt er in einer sehr bildhaften Sprache das Leben in einer von Perspektivenlosigkeit und Gang-Gewalt geprägten Gegend, ohne den Ghetto-Lifestyle zu glorifizieren oder sich als Gangster zu inszenieren.

Letzte Woche war Kendrick Lamar im Zuge seiner Europa-Tour live in München. Wenige Stunden vor dem Konzert in der ausverkauften Theaterfabrik hab ich ihn im im oberen Deck seines Tourbusses zum Interview getroffen, in das kurzfristig ein Aufnahmestudio eingebaut wurde.

Kendrick Lamar Interview

(aus FM4 Tribe Vibes vom 28.02. - in voller Länge hier nachzuhören!)

Kendrick Lamar live in München

Nora Groth

Kendrick, wir sitzen hier in einem improvisierten Studio in deinem Tourbus. Wie müssen wir uns das vorstellen? Während die anderen feiern oder schlafen, nimmst du neue Songs auf?

Ja, so in etwa. Wir haben hier das Basic-Equipment installiert, um Songs aufnehmen zu können während wir in Europa unterwegs sind. Nach einer Show gehe ich mich duschen, dann chille ich meist im Bus und schreibe neue Texte oder nehme Features auf. Ich trinke nicht und rauche nicht.

Wenn man deinen Terminkalender anschaut, klingt das ziemlich verrückt. London, Berlin, New York, Toronto, Paris, München...und das alles innerhalb weniger Tage. Woher nimmst du deine Energie?

Guter Junge in der waahnsinnigen Stadt: Trishes über Kendrick Lamars Debütalbum.

Die Arbeit an "Good Kid, Maad City" hat mich konditioniert. Wir waren Tag und Nacht im Studio, um ein perfektes Album zu kreieren. Es fühlt sich an, als hätte der Arbeitsprozess nie aufgehört. Ich bin noch immer im selben Modus und hab meine Uhr, egal wo ich bin, auf Los Angeles-Zeit eingestellt. Was mich vielleicht von anderen unterscheidet, ist die Tatsache, dass ich 110% gebe wenn ich etwas wirklich will. Um selbstsicher hinter einem Projekt stehen zu können, muss ich einfach viel Zeit und Arbeit investieren.

Du bist in Compton aufgewachsen. Nun tourst du bereits seit einiger Zeit quer um den Globus. Inwiefern schärft das deinen Blick auf die Welt und welche Inspiration ziehst du daraus?

Compton ist sehr klein. Ich erzähle meinen Homies zu Hause, dass die Welt wesentlich mehr zu bieten hat als die Gang-Kultur und das Denkmuster in Blocks und Straßen. Hier in Europa existieren so viele Kulturen und Sprachen auf vergleichsweise engem Raum, das beeindruckt mich.

Du beschreibst in deinen Songs klar die Umstände, die zu Gang-Gewalt, etc. führen, ohne diesen Lifestyle zu glorifizieren.

Weil ich hinter die Fassade blicke und die Umstände hautnah miterlebt habe. Ich analysiere und reflektiere diesen Lifestyle und möchte den Kids vor Augen führen, dass sie in einer Sackgasse stecken. Und dass ihre Handlungen Konsequenzen nach sich ziehen. Denn die meisten Gang-Mitglieder sterben früh oder landen im Gefängnis. Da gibt es nichts zu glorifizieren. Mit meiner Musik möchte ich aufzeigen, wohin dieses Leben führt.

Kendrick Lamar Interview mit Phekt

Nora Groth

Du benutzt eine sehr bildhafte Sprache, um deine Geschichten zu erzählen. "Good Kid, Maad City" wirkt fast wie ein Film, wenn man das Album in ganzer Länge hört.

Darauf lege ich großen Wert. Ich sehe es als Geschenk des Schicksals, dass ich dieses Talent bekommen habe. Schon als Kind hab ich gerne geschrieben. Als ich später mit Rap-Musik anfing, war ich, wie fast alle, zuerst Freestyle-Rapper. Erst danach hab ich immer mehr Zeit in meine Texte gesteckt und diese bildhafte Sprache entwickelt. Ich bin ehrgeizig.

In der Schule war ich immer derjenige, der seine Essays und Hausübungen am letzten Drücker in der Früh geschrieben hat, während meine Schulkollegen sich tagelang zu Hause vorbereitet haben. Trotzdem hab ich die besseren Noten bekommen. So war das bei mir (lacht).

Was war der Knackpunkt in deiner Karriere, wo aus dem lokalen Rapper K.Dot der international erfolgreiche Kendrick Lamar wurde?

Zum ersten Mal realisiert hab ich das, als ich ein ausverkauftes Konzert in New York gespielt hab. Das war vor etwa 2-3 Jahren. Da wurde mir das Potential bewusst und ich dachte: Damn, meine Musik berührt tatsächlich Menschen von der anderen Küste. Als Rapper aus Los Angeles ist es nicht selbstverständlich, in New York gefeiert zu werden. Dass mittlerweile Leute auf der ganzen Welt meine Musik hören, freut mich besonders. Denn es ist cool, in der eigenen Stadt der Held zu sein. Aber wenn du es im ganzen Land oder gleich weltweit schaffst, dann weißt du, dass du etwas richtig machst.

Lass uns kurz über Sprachprobleme sprechen. Du hattest nun einige Auftritte in Ländern, wo junge Menschen nicht flächendeckend perfekt Englisch sprechen. Trotzdem hängen sie an deinen Lippen und singen die Texte mit. Woran liegt das glaubst du?

Weil Musik Menschen auf einer Ebene berührt, die nichts mit Sprache zu tun hat. Ganz egal welchen Slang du sprichst oder aus welcher Kultur du kommst: Musik bewegt, ob du den Text verstehen kannst oder nur fühlst. Man wird immer den Schmerz, die Zerbrechlichkeit und die Emotion in einer Stimme spüren. "Good Kid, Maad City" repräsentiert genau das. Es geht um Gefühle, Melodien und Stimmungen, die ich mit meiner Stimme erzeuge. Darauf hab ich sehr großen Wert gelegt und ich glaube, das ist ein Mitgrund, warum das Album international so positiv aufgenommen wurde. Meine Stimme funktioniert wie ein Instrument und hat einen hohen Wiedererkennungswert. Es ging bei Hip Hop immer um Originalität, Dinge anders zu machen als die anderen und seinen individuellen Fingerabdruck in der Kultur zu hinterlassen. Das ist mein Zugang, wenn ich ins Studio gehe.

Kendrick Lamar live

Nora Groth

Ich hab gelesen, dass du Künstler wie 2Pac, Jay Z und Nas studiert hast. Du wolltest mit "Good Kid, Maad City" einen Klassiker veröffentlichen und hast dafür die Alben von Kollegen analysiert. Die vielen kleinen Skits, Interludes und Stimmungswechsel auf deiner Platte, sind das alles deine Ideen oder gab es noch ein Mastermind neben dir?

Richtig. Ich wollte sicher gehen, dass ich ein zeitloses Album kreiere, das den höchsten Ansprüchen gerecht wird. Das sind alles meine Ideen. Ich hatte uneingeschränkte kreative Kontrolle über die Platte. Das war mir und meinen Jungs von Top Dawg Entertainment sehr wichtig. Wäre das nicht möglich gewesen, hätten wir niemals den Major-Deal mit Interscope unterzeichnet. Wobei ich natürlich auch das Glück hatte, Feedback von sehr fähigen Menschen zu bekommen. Ich hatte eine Vision und die wollte ich umsetzen. Dr. Dre hat diesen Prozess begleitet und mit seiner Erfahrung unterstützt.

Ich hab alle Beats auf dem Album selbst ausgesucht, alle Konzepte und Hooks geschrieben, entschieden welche Tracks Live-Instrumente brauchen und ein großartiges Team im Rücken gehabt, das mir bei der Umsetzung meiner Vision geholfen hat. Wir haben uns gegenseitig inspiriert.

Mir ist aufgefallen, dass einige deiner Songs auf Samples europäischer Bands basieren. Zum Beispiel "Bitch don't kill my vibe". Dafür wurde eine dänische Gruppe namens "Boom Clap Bachelors" gesamplet. Wer ist dafür verantwortlich?

Das waren die Produzenten. Wir sind vor einiger Zeit auf ein paar dieser Platten gestoßen und haben diesen Sound sehr gefeiert. Ich finde die Musik der "Boom Clap Bachelors" großartig. Zum Glück konnten wir die Rechte klären und so sind diese Songs auf meinem Album gelandet.

Wie geht es bei dir in den kommenden Monaten weiter?

Wir spielen noch ein paar Shows in Europa, dann müssen wir nach Florida, New York (für eine Aufzeichnung bei David Letterman und zwei Konzerte), nach Texas und so weiter. Mein Kalender ist eigentlich schon bis Ende des Jahres voll mit Terminen. Ich freue mich schon sehr auf den Sommer, denn wir spielen auf vielen Festivals. Auch in Europa. Außerdem möchte ich, dass ihr euch die Musik von meinem Kollegen Schoolboy Q anhört. Das ist mir sehr wichtig. Denn in meinem Umfeld gibt es eine Menge talentierter Künstler wie Jay Rock oder Ab-Soul, die auch auf "Good Kid, Maad City" zu hören sind. Hört euch das an.

Kendrick Lamar zu Gast in FM4 Tribe Vibes

Das ganze Interview und Musik von Kendrick Lamars aktuellem Album könnt ihr heute Abend (28.2.13) von 22 Uhr bis Mitternacht in FM4 Tribe Vibes mit Trishes & Dj Phekt hören. Ab morgen ist die Sendung für 7 Tage on demand verfügbar.