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Christian Pausch

Irrsinn, Island, Ingwer.

8. 3. 2013 - 17:30

Stoß im Himmel

Ein vertauschtes Schnitzel sorgt in Dirk Stermanns neuem Roman für einen Weltenbrand, der seinesgleichen sucht.

Stoß im Himmel - so heißt eine kleine Gasse im ersten Wiener Gemeindebezirk, in dem Dirk Stermanns Protagonist Rudi Gluske einen Teil seiner Kindheit verbracht hat, und so heißt auch Dirk Stermanns neuer Roman.

Familiensaga

Dirk Stermann

Ullstein

Ullstein Verlag

Man könnte sagen, dass es ein Familienroman ist: "Mein Buddenbrocks", wie Stermann ihn im Salon Helga nennt. Die Gluskes sind enge Freunde des fiktiven Stermann, der im Roman natürlich auch nicht fehlen darf. Er ist der Chronist dieser Familiensaga:

Aber ich habe auch noch nie eine Familie kennengelernt, die so sturmzerzaust war wie die wunderbaren Gluskes. Von ihnen handelt diese Geschichte. So, wie ich sie aufgeschrieben habe nach diesem ereignisreichen Sommer, nachdem ich alles geordnet habe: Rosas Briefe, die Notizen, die ich mir gemacht habe nach den Gesprächen mit Rudi und Laetitia, und den merkwürdigen "Roman" von Paul Maria Suess.
Ich erinnere mich, dass ich gerade ein Ei im Glas aß, als ich ihren Bruder Rudi Gluske zum ersten Mal traf. Ein weiches Ei im Glas – später hätte ich mich das nicht mehr ohne weiteres getraut.

stermann

Gerald von Foris

Rudi Gluske und seine Schwester Rosa wachsen nach dem Tod der Eltern in Wien bei der Großmutter auf. Diese ist Kettenraucherin und hält sich ebenfalls nicht lange am Leben. Bei der Beerdigung streiten sich die Geschwister und trennen sich, Rudi geht nach Frankreich und lernt die kämpferische Laetitia kennen, Rosa schreibt fortan Briefe an Rudi und plant ein Attentat auf den Zigarettenhersteller Phillipp Morris. Vater Gluske hat den Kindern außerdem eine biologische Waffe hinterlassen, die im Laufe des Romans auch noch zum Einsatz kommt.

Der Schnitzelkrieg...

Als Rudi und Laetitia nach Österreich zurückkehren, finden sie einen Job in einer Schulcafeteria, wo das Schicksal seinen Lauf nimmt: Durch einen Stoß stolpert Rudi mit einem Tablett voller Schnitzel und vertauscht Schweineschnitzel und Hühnerschnitzel, woraufhin die muslimischen Schüler_innen möglicherweise Schwein serviert bekommen.

"Salih fragte mich, ob sein Schnitzel auch wirklich ein Hühnerschnitzel ist, und ich hab gesagt: 'Ja, ziemlich wahrscheinlich.' Und weil er so zögerlich war, aber ich wusste, dass er hungrig war ... Mein Gott, da steht ein hungriger Knirps vor dir, ich hab's einfach nicht mehr sagen können, ob Huhn oder Schwein, verstehst du? Ich hab dann gesagt: 'Ja, das ist ein Huhn.'"
"Und hat er es gegessen?"
"Ja. Ich weiß ja nicht, vielleicht war es ja echt ein Huhn. Möglich. Die Chance liegt 1:7. Ich kann's nicht sagen. Und er hat's gegessen, ich mein, vielleicht schmeckt er den Unterschied ja auch noch nicht, er ist erst seit kurzem Moslem. Erst seit ein paar Wochen. Weißt du, seine Eltern sind so klassisch links, mit allem, was du an Klischees jetzt im Kopf hast. Und nun haben sie Marx oder Trotzki gegen Allah getauscht und ihre Kinder mit auf die Pilgerreise genommen."

Von da an ist die Katastrophe nicht mehr aufzuhalten:

...Proteste der Eltern, Suspendierung des Lehrers, die Medien nehmen sich des Themas an, die Politik, Demonstrationen, erst nur vor der Schule, dann in ganz Österreich. Inzwischen gab es auch die ersten Demos in Teheran und Pakistan. Günther Grass hatte in der Süddeutschen ein Gedicht veröffentlicht. Rushdie hatte sich zu Wort gemeldet, Marine Le Pen auch.

... der Kulturen.

Samstag Abend wird "Stoß im Himmel" im Wiener Rabenhof im Rahmen einer Buchpräsentation offiziell vorgestellt.

"Stoß im Himmel" ist die Karikatur des dänischen Karikaturenstreits im Setting von Wien. Der Roman zeigt wie aus einer Mücke ein riesiger, alles umwälzender Elefant gemacht werden kann. Ob einem die Story gefällt oder nicht, schön an "Stoß im Himmel" ist auf jeden Fall Stermanns Sprache, seine präzise Beobachtungsgabe und die Fähigkeit, jeder noch so banalen Situation eine witzige Komponente abgewinnen zu können:

Neben mir saß ein Volksschulkind. Es las auch das Umsonstblatt, war aber auf einer anderen Seite als ich (...)
Das Mädchen war Brillenträgerin. Sie nahm die Brille ab, zog ein Brillenputztuch aus der Tasche und wischte sich damit über die Augen. Ich hatte noch nie einen Menschen gesehen, der sich die Augen putzt. War aber bei der Feinstaubbelastung in den Städten keine dumme Idee.

Buch gewinnen!

Wir verlosen zwei Exemplare von "Stoß im Himmel" unter allen, die folgende Frage richtig beantworten:

Welcher Markt ist in der Nähe vom Stoß im Himmel?
a) Kohlmarkt
b) Naschmarkt
c) Hoher Markt

Die richtige Antwort schickst du bitte an game.fm4@orf.at. Einsendeschluss ist Montag, 11. März, 14 Uhr. Namen und Adresse nicht vergessen!