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Rainer Springenschmid

Punk & Politik, Fußball & Feuilleton: Don't believe the hype!

26. 2. 2013 - 15:10

Das "System Kärnten"

Ein Interview mit der Politikwissenschafterin Kathrin Stainer-Hämmerle über die Situation in Kärnten vor den Landtagswahlen.

Am Sonntag wählt Kärnten einen neuen Landtag, und es wird wohl spannend. Dieser Tage hat eine Umfrage die Kärntner Politik aufgeschreckt, laut der die FPK bei den Landtagswahlen am Sonntag doch wieder stärkste Partei werden kann. Eine Mehrheit für SPÖ, ÖVP und Grüne erscheint laut dieser Umfrage keineswegs gesichert. Alle anderen Umfragen sehen zwar nach wie vor SPÖ, ÖVP und Grüne vorne. Aber nach den Skandalen des letzten Sommers und dem Kasperltheater rund um die Auflösung des Landtags und den Neuwahltermin überrascht es dann doch, dass es am Sonntag durchaus noch spannend werden kann.

"Kärnten ist halt anders", sagen die Kärntnerinnen und Kärntner gerne dazu. Ich habe mich genau darüber mit der Klagenfurter Politikwissenschaftlerin Kathrin Stainer-Hämmerle unterhalten.

Kathrin Stainer-Hämmerle bei einer Podiumsdiskussion im Parlament

© Parlamentsdirektion/Bildagentur Zolles KG/Mike Ranz

Sie stammen aus Vorarlberg und leben jetzt schon einige Zeit in Kärnten. Was ist Ihnen denn, als Sie nach Kärnten gekommen sind, als erstes aufgefallen?

Stainer-Hämmerle: Aus politischer Sicht muss ich sagen, diese hemmungslose Polit-PR habe ich vorher noch nirgends in diesem Ausmaß gesehen. Dass jede Aussage, jede Projektidee, jede Vision der Politik mit Plakaten, Inseraten, Broschüren und so weiter begleitet wird und so viele Politikerköpfe abgebildet sind. Das hat sich dann aber auf den Rest von Österreich ausgeweitet. Insofern ist Kärnten ein bisschen ein Sonderfall gewesen, aber auch ein bisschen Vorreiter, quasi eine Avantgarde für derartige Entwicklungen in Österreich. Die Auswirkungen sieht man jetzt flächendeckend. Wenn es jetzt auch in Wien um die Inseratenaffäre geht - da war Kärnten ein wenig früher dran, es war ein bisschen hemmungsloser, skrupelloser, vielleicht auch übertriebener - aber leider nicht so viel anders.

Ein Kärntner Kollege von mir hat gemeint, in Kärnten herrscht eigentlich seit eineinhalb Jahrzehnten permanenter Wahlkampf.

Stainer-Hämmerle: Das stimmt schon. Die Kärntner und Kärntnerinnen sind eigentlich seit Jahren einem dauermedialen Feuerwerk von politischen Parteien ausgesetzt. Da hat es wenig sachliche Diskussionen oder Visionen gegeben. Das war wirklich ein Dauerwahlkampf, allerdings von Werbern inszeniert und nicht so sehr von inhaltichen Ideen getragen. Begleitet war das von einer sehr gönnerhaften Politik, einer "Brot und Spiele"-Politik, in der auch außerhalb von Wahlkämpfen zuhauf Geschenke verteilt wurden, hauptsächlich Geldgeschenke, aber da gab's auch Schulhefte für Kinder oder billige Landestankstellen. Alle möglichen Formen von kleinen Zuwendungen an die einzelnen Gruppen im Volk.

Das erscheint wie eine Art von Politik, die auch Silvio Berlusconi in Italien betreibt.

Stainer-Hämmerle: Ich sehe da mehrere Parallelen. Also einmal dieses sehr hartnäckige Wegleugnen der Vergangenheit. In Kärnten hat man bei Diskussionen mit Dörfler öfter gesagt, er reagiere wie Pippi Langstrumpf: Er macht sich die Welt, wie es ihm gefällt. Eine Darstellung der Ereignisse, die geprägt ist vom Ausblenden mancher Fakten ähnlich wie bei Berlusconi.Wir haben auf der anderen Seite relativ schwache Gegner, auch wie in Italien und diese Unbekannte: Beppe Grillo oder hier Team Stronach - wie schneidet eine Partei ab, die von sich behauptet, keine Partei zu sein?

Das sind jetzt die ersten Wahlen ohne Jörg Haider. Welche Rolle spielt denn Jörg Haider derzeit noch in Kärnten und in diesem Wahlkampf?

Stainer-Hämmerle: In meinen Augen spielt er schon eine Rolle. Er ist der große Abwesende. Die Vereinnahmungsversuche, die sind kritisiert worden, vor allem der von Kurt Scheuch mit seinem Haider-Brief in den Himmel, das war eigentlich eine Bauchlandung. Aber auf der anderen Seite ist es immer noch nicht möglich, Kritik an Haider zu üben. Da finde ich schon, dass er immer noch eine tragende Rolle spielt, weil durch seinen Tod verhindert er eine offene Diskussion darüber, was in Kärnten passiert ist, was dieses "System Haider", das oft zitiert wird, wirklich ausgemacht hat, wo noch Überreste sind und so weiter. Denn das Totschlagargument jeder Diskussion ist, Haider ist tot, er kann sich nicht mehr verteidigen, wir können ihn nicht mehr befragen. Und wie es in Österreich oft ist, man sagt einem Toten nichts Schlechtes nach.

Wenn wir noch einmal ganz zum Anfang zurück blicken, auf den Satz "Kärnten ist anders". Wenn das ein Kärntner oder eine Kärnterin gesagt hat, hab ich das immer auch als eine gewisse Schicksalsergebenheit verstanden. Es ist halt anders hier, da kann man nichts machen. Verstehen Sie diesen Satz auch so?

Stainer-Hämmerle: Man muss jetzt schon zur Verteidigung der Kärntner sagen, dass es in diesem Land eine ganz spezielle Kultur gab, nämlich jegliche Kritik an einer Partei mit Landesverrat gleichzusetzen. Und es gab auch immer mächtige Parteien, die Druck ausgeübt haben auf Kritiker, auf verschiedenen Ebenen, das muss man auch sagen. Das hat nicht mit der FPÖ und Jörg Haider begonnen. Das war schon zuvor in Kärnten so, unter der absoluten Herrschaft einer SPÖ. Da gab es 1989 ein großes Aufatmen, als es endlich gelungen ist, diese Vorherrschaft zu brechen, und auch die Hoffnung in Jörg Haider, der versprochen hat, es anders zu machen. Es ist dann halt nicht anders gekommen.

Mir ist aufgefallen, dass Jugendthemen in der Politik offenbar eine geringe Rolle spielen und es anscheinend auch wenig junge, politisch Engagierte gibt in Kärnten. Man kennt aus der Außenperspektive nur die, die auswandern.

Stainer-Hämmerle: Das liegt natürlich einerseits daran, dass es zwar in Klagenfurt eine Universität gibt, aber keine mit einem Vollangebot. Das wäre prinzipiell für das Land keine Katastrophe, sofern die Möglichkeit besteht, nach dem Studium zurückzukommen. Es gibt aber schon Themen für die Jugend, der berühmte "Jugendtausender" wird nach wie vor ausgezahlt. Es gibt auch junge Nachwuchspolitiker in den einzelnen Parteien. Aber es wird noch einige Zeit dauern, bis wieder eine Diskussionskultur entsteht in diesem Land. Davon sind wir im Moment noch weit entfernt. Sie müssen sich nur einmal in eine Landtagssitzung hineinsetzen, um zu verstehen, warum junge Menschen nicht in die Politik gehen oder etwas dazu beitragen wollen. Derzeit ist die Gefahr viel zu groß, dass die da nur diffamiert und beschimpft werden, und das macht auch wirklich keinen Spaß.