Erstellt am: 25. 2. 2013 - 18:16 Uhr
Future Pop
Man muss sich für etwaige Verirrungen im Musikgeschmack der eigenen Vergangenheit nicht schämen. Es gibt nur cool und uncool und wie man sich fühlt. Die erste große musikalische Liebe des heute 21-jährigen Beatmakers Harley Streten aus Sydney war - da war er selbst gerade einmal um die acht, neun Jahre alt - Trance Musik. Jene schwülstig-melodiöse elektronische Tanzmusik, die gerne unter Zuhilfenahme von süßlichen Harmonien versucht eine besonders bedeutsame Gefühligkeit im Körper des Tänzers zu erwecken. Und die seit jeher nicht mit allzu hohem Prestige besetzt ist.

Flume
Im Geiste hat sich Streten, der seit gut einem Jahr unter seinem Künstlernamen Flume für Furore sorgt, längst schon vom Trance verabschiedet, unterschwellig hallen Spuren davon immer noch in seinen wunderhübsch putzigen, kleinen Beat-Skizzen nach. Das Weiche und Geschmeidige, der unbedingte Wille zur Catchiness, der ganz einfache, intuitive Einstieg hinein in eine Musik, die man sich nicht erst mühsam erarbeiten muss – das hat sich Flume gemerkt.
Mit seinem in Australien bereits im November 2012 erschienen Debütalbum, das sich wie der Künstler selbst schlicht „Flume“ nennt und das jetzt mit berechtigtem Pomp und Trara im Rest der Welt neuveröffentlicht wird, konnte sich der Musiker in seiner Heimat schon mühelos auf den Platz 1 der itunes-Album-Charts schieben – und dort so auch - kleines, eventuell nicht aussagekräftiges Detail am Rande - die Boyband One Direction auf den zweiten Platz verweisen.

Flume
Flume hat sich vieles von dem, was in den letzten zehn Jahren so an futuristischen Beatvermessungen durch die Welt gepoltert ist, einverleibt, auf eine Formel heruntergebrochen und als höchst eingängige, kleine Nuggets als neuer Pop in Form gebracht: Die Dubstep-Zersetzungen von James Blake, Pariah oder Mount Kimbie, inklusive R’n’B und Soul heilig sprechender Vocal-Schnipsel, vertrackte Rhythmus-Exkurse von Flying Lotus, Four Tet oder Hudson Mohawk, House der französischen Schule mit leicht käsigem Touch, HipHop im Geiste von – wieder einmal – J Dilla - all das hat in Flumes Debüt-Album hineingewirkt.
Die einem Mythos gleich verbreitete Geschichte, nach der der damals 13-jährige Streten seine ersten produktionstechnischen Gehversuche mit einem simplen Musikprogramm unternommen haben soll, das als Gimmick einer Packung Cornflakes beigelegt war, ist auch wirklich nur allzu lieb, um sie zu verschweigen. So ist Flumes Debütalbum mit seiner feinen Versammlung von Rumpel- und Easy-Listening-Elektronik, Synthie-Pop, einem Funken HipHop und Pop-Step durchwegs von einer angenehmen Naivität geprägt, trägt aber auch die Handschrift eines Menschen, der weiß, wie das geht: Einen Hit basteln.
Die Stücke, die Flume hier mithilfe von verpitchten und durch die Mangel gedrehten Stimm-Samples und einer Handvoll echter Gastsängerinnen und Gastsänger an einzig seinem Laptop zusammengebaut hat, werden und sollen sehr bald Reklame für Shampoo und große Dj-Kopfhörer, romantisch-quirky „Indie“-Komödien sowie Teenager- und Erwachsenen-Träume vertonen.
Nun ist „Flume“ von Flume bei weitem kein perfektes Album. Es ist ein sehr gutes Album, eine kleine Fingerübung eines äußerst talentierten jungen Mannes, der gerade erst dabei ist, seine Werkzeuge so richtig kennenzulernen. Zu den abenteuerlichen Versuchsanordnungen eines James Blake verhält sich Flume mitunter noch wie seinerzeit Moby mit seinem Megaseller „Play“ oder gar auch Fatboy Slim zu strengem Minimal Techno.
Für Flume geht es – noch - nicht um die experimentelle Auslotung neuer Sounduniversen, er arbeitet schlicht mit den Formen und Bausätzen, die ihm seit jeher als Popmusik bekannt sind; mit denen er aufgewachsen ist und die ihm ganz natürlich scheinen. Die strikte Trennung zwischen, vielleicht darf man es noch einmal sagen, „Underground“ und „Mainstream“ gibt es ohnehin so, wie man sie einmal meinte zu kennen, nicht mehr und für Flume schon gar nicht. Es ist kein Wunder und auch ganz wunderbar, dass das, was Flume da so in seinem Kinderzimmer schnitzt, jetzt schon so immens erfolgreich ist, und wohl mit großer Wahrscheinlichkeit noch viel erfolgreicher werden wird. Die ist die Gegenwart, wenn nicht gar fast schon ein bisschen die Zukunft.