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Christian Fuchs

Twilight Zone: Film- und Musiknotizen aus den eher schummrigen Gebieten des
Pop.

24. 2. 2013 - 10:41

A scheene Leich

Wenn in der Hölle kein Platz mehr ist, schmusen sich die Toten auf die Erde zurück: "Warm Bodies" ist die erste ZomRomCom der Filmgeschichte.

Bei diesem Thema muss ich alle ansatzweise vorgegaukelte Objektivität fallen lassen, da wird es höchstpersönlich. Meine erste intensive Auseinandersetzung mit dem Tod fand nämlich durch lebende Tote statt.

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Mit vierzehn Jahren sah ich zum ersten Mal (und am selben Tag gleich erneut) George A. Romeros Jahrhundertwerk "Dawn Of The Dead". Ein Film, der die Welt des Horrorkinos veränderte und auch meine Wenigkeit damals bis in die Grundfesten erschütterte. Und mich gleichzeitig endlos faszinierte. Kein anderer Streifen hat seit seiner Veröffentlichung auch mehr Metalcombos, Industrialbands, italienische B-Regisseure und Nachwuchsfilmer mit Splatterambitionen inspiriert.

Jedenfalls verfolgen mich Zombies seit diesen pubertierenden Tagen. Von der genialen Untoten-Trilogie Romeros ("Night Of The Living Dead" und "Day Of The Dead" dürfen nicht unerwähnt bleiben) über die herrlich schundig inszenierten Fleischfresser des italienischen Spaghetti-Horrors hin zu Danny Boyles "28 Days Later", der alle Genre-Karten aufregend neu gemischt hat.

Dawn Of The Dead

Laurel Entertainment, Inc.

Konnte ich als zorniger junger Splatterbub von all den dazugehörigen Exzessen nicht genug kriegen und inszenierte sogar eigene Super-8-Machwerke, in denen Gummigedärme und Kunstblut eine essentielle Rolle spielten, zog mich später der Subtext dieser Filme in seinen Bann.

Nicht nur die Konsumkritik in "Dawn Of The Dead" ist augenscheinlich, wo die verfaulenden Toten an Shopping-Zombies in Einkaufszentren und Fußgängerzonen erinnern. Regisseure wie Romero oder Boyle oder die Macher der TV-Erfolgsserie "The Walking Dead" erzählen auch überdeutlich von faschistoiden Bürgerwehren und eiskalten Militärs, die im postapokalyptischen Chaos die Macht ergreifen. Für einige Kulturtheoretiker ist das Zombiekino ohnehin nur eine einzige Metapher, wahlweise für lobotomierte Kapitalismusopfer, unterdrückte Unterschichten oder das Fremde und Andere in Migrantenform.

Warm Bodies

Concorde Verleih

Warm Bodies

Splatter und Schenkelklopfen

Seitdem "28 Days Later", der spanische Wackelkamera-Schocker [●REC] und das sehr solide "Dawn Of The Dead"-Remake von Zack Snyder in den Nullerjahren die Kadaver wieder reanimierten, nimmt das Phänomen allerdings inflationäre Züge an.

Shaun Of The Dead

Studio Canal

Unzählige lebende Leichname sind zuletzt über die Leinwand und vor allem über die Bildschirme getorkelt, gestolpert und gerannt. Das im wahrsten Sinne des Wortes nicht totzukriegende Zombiegenre wird dabei immer öfter auch der Lächerlichkeit preisgegeben. Am besten ist der Mix aus Splatter und Schenkelklopfen bis dato dem genialen britischen Komikerteam Edgar Wright, Simon Pegg und Nick Frost gelungen. Ihr gemeinsames Kinodebüt "Shaun Of The Dead", einer der lustigsten Filme der letzten Dekade, brillierte auch mit dem schönen Werbespruch: "Eine romantische Komödie. Mit Zombies."

Tatsächlich aufgegriffen wird dieser Slogan aber erst jetzt. Auch in "Warm Bodies", dem neuesten Beitrag zur Untoten-Invasion, werden die einschlägigen apokalyptischen Klischees durch den blutigen Kakao gezogen. Aber der Film von Jonathan Levine ist mehr als eine ZomCom. Er ist die erste richtige ZomRomCom der Filmgeschichte.

Nicholas Hoult, der in der phänomenalen Melancholie-Studie "A Single Man" mit seiner scheuen Verträumtheit ebenso betörte wie in "X-Men: First Class", spielt den blassen jungen Antihelden. R nennt er sich in seinen bruchstückhaften Gedanken, an den Rest seines Namens versucht er sich vergeblich zu erinnern. Der schnuckelig aussehende Bub mit der hübschen Emofrisur hat nämlich einen kapitalen Schönheitsfehler: Seine eisige Körpertemperatur und sanfte Fäulnis.

Warm Bodies

Concorde Verleih

Warm Bodies

Von Romero zu Romeo

Während des ersten Drittels kann man "Warm Bodies" auch als eingefleischter Zombiefan nicht böse sein. Im Gegenteil, es macht schon Sinn, dass der leichenhafte Zustand des Protagonisten hier einmal nicht für blanken Terror sorgt oder einen politischen Subtext birgt. Sondern einfach nur auf humorvolle Weise die männliche juvenile Entfremdung symbolisiert, das tollpatschige und asoziale Geektum in seiner radikalen Ausformung.

Aber weil "Warm Bodies" ein Streifen ist, hinter dem die Produktionsfirma der "Twilight"-Saga steht, ist R nicht nur ein putziges Bilderbuchexemplar eines geeky Schüchterlings. Er ist auch ein Zombie mit einem noch nicht vollständig abgestorbenem Herzen. Und als er das Gehirn eines Teenager-Soldaten verspeist, übernimmt er auch dessen Gefühle für die blonde Julie (Teresa Palmer), die den Untoten-Angriff überlebt.

Warm Bodies

Concorde Verleih

Was den Film des grundsätzlich durchaus talentierten Regisseurs Jonathan Levine ("All The Boys Love Mandy Lane", "50/50") ab diesem Augenblick schwierig macht, ist nicht die Idee, dass sich ein Zombie verliebt. Dieser Ausgangsposition könnte man sowohl rabenschwarze Komik abgewinnen als auch eine drastische Form der Romantik. Und das auch ohne gleich sämtliche Grenzen so tabubrecherisch zu überschreiten wie Bruce La Bruce in seinem Low-Budget-Werk "Otto; or, Up with Dead People" oder Jörg Buttgereit mit seinen berüchtigten "Nekromantik"-Streifen.

Aber "Warm Bodies" ist eine Mainstream-RomCom als Zombiefilm verkleidet und da darf dann R(omeo) seine angebetete Julia nicht mit einem strengen Geruch verstören, noch verliert er zwischendurch einmal ein paar Hautfetzen. Es geht einfach viel zu keimfrei zu in diesem Film, der für eine Kinogegenwart gemacht ist, in der auch Vampire ihren Biss verloren haben und verträumt im Sonnenlicht glänzen.

Zugegeben, einige Pointen sind gelungen und dem Charme des feschen Pärchens Nicholas Hoult und Teresa Palmer erliegt man gerne. Aber im Grunde ist der brave, biedere "Warm Bodies" der Grabstein für sämtliche schaurigen und subversiven Zombiemythen. Wenn in der Hölle kein Platz mehr ist, schmusen sich die Toten auf die Erde zurück.

Warm Bodies

Concorde Verleih

Warm Bodies