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Paul Pant

Politik und Wirtschaft

21. 2. 2013 - 18:29

Amazon: Ana hat immer des Bummerl

Der Reflex ist immer derselbe: Schuld haben immer die Anderen. Ein Lehrstück, wie sich Politik und Wirtschaft das "Bummerl" Leiharbeit jetzt gegenseitig zuschieben wollen.

Mittlerweile ist aus der Geschichte ums unsaubere Packerl eine große Affäre geworden. Die vagen Vorwürfe gegen Amazon und seine wirtschaftlichen Kumpanen: Zustände wie im Arbeitslager, ein System von Einschüchterung und Misstrauen gegenüber den Mitarbeitern, Arbeitsrechte missachtet oder zumindest unredlich nach unternehmerischen Gutdünken ausgelegt.

Die ARD-Doku hat das am Beispiel Amazon aufgezeigt, wie die systematische Ausnutzung von europäischen Lohnunterschieden und das Auspressen von europäischen Wanderarbeitern funktioniert. Jetzt sitzen alle im berühmten Glashaus und klauben ihre Steinchen zusammen. Abspiel:

Freistoß Amazon

Amazon zeigt sich kleinlaut und bestürzt und will alle Vorwürfe restlos aufklären. "Es ist uns eindeutig nicht gelungen, die Einhaltung unserer hohen Standards auch durch den Dienstleister, der für Unterbringung, Transport und den Einsatz der Sicherheitskräfte verantwortlich war, zu gewährleisten", teilte der Konzern mit.

Sprich: Schuld an der Misere sind irgendwie schon auch der Personaldienstleister Trenkwalder bzw. die ominöse Sicherheitsfirma H.E.S.S., der Verbindungen in die rechte Hooliganszene vorgeworfen werden. Die eigene Schuld sieht Amazon darin, dass man nicht genauer hingesehen hat. Wer hätte so was aber auch ahnen können.

Ein Paket im Amazon-Logistikzentrum rollt über ein Transportband.

dpa/Henning Kaiser

Parade Trenkwalder

Trenkwalder wiederum weist alle Vorwürfe zurück. Man habe schließlich nur Verträge ausgeführt. "Aus administrativen Gründen wurde Trenkwalder von der Firma Amazon gebeten, diese MitarbeiterInnen anzustellen und zu überlassen. Daraus ergab sich für diese MitarbeiterInnen kein Nettolohn-Nachteil", schreibt der Personaldienstleister in einer schriftlichen Stellungnahme. Man war also nur Handlanger und habe alles nach Punkt und Beistrich erfüllt.

Eine schnell angeordnete Prüfung der deutschen Bundesagentur für Arbeit "hat die öffentlich vorgebrachten Anschuldigungen nicht bestätigt", sagt Trenkwalder. Die Aufträge für Unterkunft, Verpflegung, Transport und Sicherheit zu sorgen, seien von Amazon direkt an andere Firmen vergeben worden. Diese Dienstleister hätten keine geschäftlichen Verbindungen zu Trenkwalder. Sprich: Schuld an dem Pallawatsch sind eigentlich die Menschen, die aufgepasst haben und für Ruhe und Ordnung sorgen sollten.

Schild vor dem Firmensitz Trenkwalder in München

EPA/Frank Leonhardt

Mauern von der Sicherheitsfirma

Die Security-Firma H.E.S.S. (Hensel European Security Services) wehrt sich gegen die Kritik, quasi im Alleingang "totalitäre Strukturen" in den Arbeitsunterkünften unterhalten zu haben. Die Mitarbeiter hätten nur in ihrer Freizeit Thor-Steinar-Kleidung getragen, sagt der Firmenchef Patrick Hensel in der Hessisch/Niedersächsischen Allgemeinen Zeitung. Seine Mitarbeiter seien verlässlich und die Firma H.E.S.S. sei ein politisch und weltanschaulich neutrales Unternehmen. Es gebe keine Verbindungen zum Rechtsextremismus. Die Assoziation des Firmennamens H.E.S.S. mit Hitler-Stellvertreter Rudolf Hess ist auch irgendwie an den Haaren herbeigezogen, so sieht es zumindest Herr Hensel. Ein blöder Zufall halt.

Im Zeitungsinterview hält der Firmenchef aber auch fest: die Anwesenheit der grimmig dreinblickenden Securities sei notwendig gewesen. Schließlich habe es mit den fremden Arbeitskräften in der Vergangenheit "unschöne Vorkommnisse mit Gästen gegeben: Schlägereien, Diebstähle und Sachbeschädigungen bis hin zu der Verwüstung von Unterkünften“. Irgendwie sind die nämlich schon nicht ganz ohne, die Wanderarbeiter aus dem Osten, meint er wohl.

Das Firmenschild der Sicherheitsfirma H.E.S.S. (Hensel European Security Services)

dpa/Uwe Zucchi

Inverse Flügelspieler im Angriff aus der Politik

Bundeskartellamt, deutscher Zoll, die Bundesagentur für Arbeit, der Bundestag, Gewerkschaften, die CDU-Arbeitsministerin Ursula von der Leyen, und so weiter und so fort. Die Liste der empörten Politiker und Institutionen ist lang. Die Frage mit der sie sich jetzt alle beschäftigen lautet natürlich: Welche Gesetze hat Amazon alle missachtet und übertreten. In so einem bösen, menschenverachtenden System muss irgendwo der kriminelle Strippenzieher stecken. Und wenn es Trenkwalder ist, dann werde man der Firma halt einfach die Lizenz entziehen, sagt Von der Leyen.

Eine Heerschar von BeamtInnen vom Zoll und Arbeitsministerium ist ausgeschickt worden, um die Verfehlungen zu begutachten, bestimmen und zu brandmarken. Das System funktioniert, so die Botschaft. Dass jahrelang weggesehen wurde und keiner Fragen gestellt hat, wird verschwiegen. Wen wundert es, dass nun Leiharbeit leider sehr oft prekäre Beschäftigung auf Abruf zum Hungerlohn bedeutet und sich nahtlos in gepushte Arbeitsmarkt-"Flexibilisierungen" wie Geringfügige Beschäftigung und die neue Selbstständigkeit einreiht.

Wenn die Verantwortung jetzt zurück an die Wirtschaft gespielt wird, macht man es sich wieder ganz schön einfach. Ein generelles Gesetz das Lohn- und Sozialdumping in allen Branchen in Deutschland verbietet gibt es nicht. Hier ist Österreich schon weiter. Seit 1. Mai 2011 gibt es dazu gesetzliche Bestimmungen. Bei den kleinen Betrieben in der Landwirtschaft (ErntehelferInnen), am Bau mit den unzähligen Subunternehmern und in der Gastronomie sieht man trotzdem auch hierzulande häufig weg.

EPA/Uwe Zucchi

Wer über bleibt

Wenn sich jetzt alles um die Frage der Rechtmäßigkeit dreht, muss die unangenehme Frage nach Systematik nicht mehr gestellt werden. In den gegenseitigen Schuldzuweisungen vergessen viele die ArbeitnehmerInnen und die Realität von LeiharbeiterInnen. Was am Rande des Rückzugsgefechts der ArbeitnehmervertreterInnen noch wahrgenommen wird, ist die Jubel-Aussendung darüber, dass zumindest in einer Amazon-Vertriebsstelle jetzt ein Betriebsrat gewählt werden konnte. Die Missachtung und Unterbindung der Gründung eines Betriebsrates war ihnen eh schon länger ein Dorn im Auge.

Dass die Leiharbeit aber seit den 2000er Jahren in ganz Europa stark zugenommen hat und defakto zu einer Verschlechterung der Situation für tausende ArbeitnehmerInnen geführt hat wird vielerorts als gegeben hingenommen. Auf dem Papier steht natürlich in Deutschland, wie in Österreich, dass LeiharbeiterInnen rechtlich den normalen Angestellten gleichgestellt sein müssen. In der Realität sieht es dann allerdings ganz anders aus. Das weiß jeder der genau hinschaut und jetzt auch die, die sich die Doku über Amazon von der ARD angesehen haben. Rückpass an Politik und Exekutive.