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Robert Glashüttner

Videospielkultur, digital geprägte Lebenswelten.

21. 2. 2013 - 03:56

Die unsichtbare Konsole

Die Pressekonferenz zur Enthüllung der neuen PlayStation 4 wollte die Zukunft des Gaming präsentieren, ist aber stattdessen in alten Lastern hängengeblieben.

Beinahe das gesamte Games-interessierte Internet war am Tag davor stundenlang ziemlich aufgeregt. Die Vorfreude darüber, was Sony in der "Future of Sony PlayStation"-Konferenz zeigen wird, war groß - ebenso, wie das Wissen, dass eine lustige Popcorn-Unterhaltung bevor stand, die man mit sarkatischen Tweets und amüsierten Postings persönlich ausschmücken würde. Es war klar, dass sich bei der Konferenz alles um die neue Heimkonsole von Sony dreht. Dass sie nun tatsächlich schlicht "PlayStation 4" heißen wird, war dann fast eine kleine Enttäuschung, ebenso wie das Verkünden der Neuigkeit an sich schnell über die Bühne gegangen ist. Der Konzern wollte lieber von der neuen "gaming experience" reden, die angeblich alles umkrempeln wird.

Kein Bilder, kein Preis, aber ein Game-Controller

Bis zum Schluss der zweistündigen Pressekonferenz-Show, live aus New York gestreamt, wurden weder Bilder der Konsole gezeigt, noch ein Preis genannt. Vielleicht, weil man damit bei der PS3 schlechte Erfahrungen gemacht hat: die stolzen 600 US-Dollar haben damals für ziemlichen Wirbel gesorgt. In den ersten Minuten der gegenwärtigen Show erfahren wir immerhin, dass die PS4 etwa über eine "supercharged PC architecture" verfügen wird. Und man konnte den Game-Controller, den mal auch schon vorab im Netz bestaunen konnte, nun in Großaufnahme sehen. Der "Dualshock 4" sieht ähnlich aus wie quasi alle PlayStation-Controller, die davor kamen, plus einem kleinen Touchpad und einem ominösen "Share-"Button.

Die PlayStation-4-Pressekonferenz: Der Game-Controller in Großaufnahme, zentriert zu sehen: der "Share"-Knopf.

Sony PlayStation

Der neue Controller leitet direkt zu einem Kern-Feature der PlayStation 4 über, das tatsächlich interessant werden könnte, wenn es gut implementiert wird. So soll es via der "Share"-Taste möglich sein, Dinge sofort zu teilen - sei es ein Screenshot, eine Nachricht oder das aktuelle Spielgeschehen. In den letzten Monaten ist das Live-Streaming der eigenen Gaming-Session ja nicht nur für viele Profi-Spieler zum Alltag geworden. Auch Otto Normalspieler/in hat über Dienste wie twitch.tv gerne mal etwa die eigenen "Dark Souls"-Erlebnisse seinem Freundeskreis präsentiert. Sonys exklusiver Technologie-Partner wird der Streaming-Dienst Gaikai sein, den der japanische Konzern vergangenen Sommer um dicke 380 Millionen US-Dollar eingekauft hat. "Spectating has become very popular in the industry ... How could we improve the spectating experience?" tönt es von der Bühne. Unter anderem soll es möglich sein, dass ein anderer User in der Freundesliste für mich weiterspielt, wenn ich gerade an einer Stelle im Spiel nicht weiterkomme.

Die PlayStation-4-Pressekonferenz: An der Wand sieht man einen Regiesessel, auf dem "The Director" steht. Daneben ist eine gezackte Sprechblase, in der "Let me guide you" steht.

Sony PlayStation

Es geht um den Gamer, nicht ums Wohnzimmer

"Große" Spielkonsolen haben die Games-Hardware-Hersteller seit Jahrzehnten im Wohnzimmer verortet, dort, wo eben auch Fernseher, Videorekorder und die Hifi-Anlage stehen bzw. standen. Dass das in Zeiten von Smartphones und Tablets technischer Schnee von gestern ist, hat nun auch Sony erkannt und verspricht, dass die jeweiligen Spiele und der aktuelle Spielstand mühelos vom Hauptbildschirm der PS4 zur PS Vita, einem Tablet, Android-Smartphone, usw. übertragen werden können. Rückwärtskompatibel wird die neue PlayStation aber nicht sein, doch auch das möchte man mit Gaikai via Cloud-Gaming lösen, Details wurden dazu aber noch keine verraten.

Es soll mit der vierten Generation der PlayStation endlich auch möglich sein, Games schon dann zu spielen, wenn sie noch heruntergeladen werden. Das war lange fällig - ich ärgere mich jedes Mal, wenn ich ein PS3-Spiel nicht nur mühselig runterladen, sondern dann immer auch noch installieren muss. Von der Unmittelbarkeit der Zeit der Cartridge-Konsolen aus den 90ern ist das mittlerweile meilenweit entfernt.

Die PlayStation-4-Pressekonferenz: Ein Game-Controller in Großaufnahme.

Sony PlayStation

Auf zu den Spielen!

Nach dem ersten Teil der Präsentation geht es über in den Reigen der Spielepräsentationen. Wie bei großen Gaming-Pressekonferenzen üblich, werden zuerst die First-Party-Titel präsentiert, also jene, die von Sony-eigenen Studios produziert werden. Das allererste Spiel, das gezeigt wird, stammt vom Team des hausinternen Game-Design-Consulters Mark Cerny, einem Industrieveteranen, der mit dem famosen Kugelrollspiel "Marble Madness" 1984 erstmals bekannt wurde. "Knack" sieht aus wie ein von Pixar gerendertes Action-Adventure im "Ratchet & Clank"-Stil und lässt keine Rückschlüsse auf technische Besonderheiten der PS4 zu.

Der nächste Titel ist ein neuer Teil der ziemlich langweiligen und unsympathischen "Killzone"-Reihe, mit der Sony seit Jahren halbherzig versucht, "Halo" den Kampf anzusagen. Der Trailer ist unangenehm lang, der bekannte Games-Akademiker Ian Bogost twittert dazu passend: "Good to see the PS4 will continue to support shooting people in the head at close range."

Als der nächste Titel eine Abfeierung des gepflegten Autofetisches wird, bei dem der Moment, wenn der Avatar in einen sündteuren (Cyber)Boliden einsteigt, mit erregter Stimme gepriesen wird, steigt der Peinlichkeitsmeter in fragwürdige Höhen. "Painstakingly measured" sei hier alles und authentisch und überhaupt. Wie lange gibt es jetzt schon die "Gran Turismo"-Serie, die ja eh Sony gehört? "DriveClub", wie das Spiel heißt, sei aber schon vor neun Jahren als Marke geschützt worden, und endlich konnte man das Spiel auch entwickeln, frohlockt der Producer. Langweilig?

Surveillance und Anti-Surveillance

Die Seltsamkeiten gehen weiter, als sich nach der "share everything!"-Affirmation zwei vorgestellte Spiele pseudokritisch mit dem Überwachungsstaat auseinandersetzen. "inFamous: Second Son" rächt sich via düsterer Superhelden an den vielen Überwachungskameras dieser Welt, ähnlich ist es bei "Watch Dogs".

Die Überraschung folgt, als die Konferenz zum Thema Indie-Entwickler wechselt. Man erwartet ein erstes Portfolio, präsentiert von einem smarten Sony-Sprecher. Stattdessen kommt doch tatsächlich Jonathan fucking Blow ("Braid") auf die Bühne, einer der besonders ernsthaften und kritischen Köpfe der Videospielwelt. Auf Twitter raunt man ein paar Sekunden später, dass Blow nun wohl sein Fett von den anderen Indies abbekommen wird, wenn er sich hier als Teil der corporate show von Sony inszeniert. Blow meistert seinen Auftritt aber solide, macht einen kurzen Seitenhieb auf die virtuellen Explosionen, die vor ihm kamen und redet dann auch schon über sein kommendes Puzzle- und Umgebungserkundungsspiel "The Witness", das nun also exklusiv für PlayStation erscheinen wird. Böse Finger tippen abschätzige Vergleiche mit der "Myst"-Serie ins Netz. So schlimm wird's schon nicht werden.

Die PlayStation-4-Pressekonferenz: Ein Bildschirmfoto aus dem Videospiel "The Witness": Man sieht einen in Ockertönen gehaltenen Wald und einen Baumstumpf, in dem ein Plattenspieler steht.

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Das Intro-Bild zum "The Witness"-Trailer: unorthodox, wie es Jon Blow mag.

Die Third-Party-Entwickler, die also nicht exklusiv für Sony-Hardware entwickeln, kommen erst im letzten Drittel der Show. Das ist interessanterweise auch der einzige Part, in dem Japaner auf der Bühne stehen, obwohl diese ja naturgemäß das Herz von Sony darstellen. Hier gibt es wenig Aufregendes, teilweise werden sogar alte Trailer ausgegraben, die man auf der E3 im Vorjahr schon sehen konnte. Media Molecule ("LittleBigPlanet") gesteht, dass es in den PlayStation-Move-Controller verliebt sei und präsentiert ein merkwürdig, aber auch interessant aussehendes Puppentheater-Spiel. Activision und Bungie sprechen kurz über die neue Shooter-Serie "Destiny".

Ungewöhnlich wird es, als plötzlich Chris Metzen von Blizzard Entertainment auf die Bühne kommt. Old-Schooler glauben schon an eine Rückkehr des 90er-Jahre-Klassikers "Rock'n'Roll Racing", ich hoffe auf eine Wiederbelebung von "StarCraft: Ghost" - doch dann wird doch nur "Diablo III" auf die Konsole gebracht. Na, bitte schön.

Die PlayStation-4-Pressekonferenz: Zwei Spieler steuern mit PlayStation-Move-Controllern zwei virtuelle Figuren und eine pinke Gitarre.

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Perfomativ! - Das neue Media Molecule-Spiel.
Die PlayStation-4-Pressekonferenz. Chris Metzen von Blizzard steht vor einer großen Blizzard-Projektion.

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Ob das was wird?

Weiße Männer, Marketing-Phrasen, laute Explosionen. Eine neue Ära des Gaming ist zumindest mal in der Präsentation der nächsten Konsolengeneration bei Sony weit und breit nicht zu sehen. Dass die PlayStation 4 selbst nicht gezeigt wurde und es noch keine Preisankündigung gibt, ist per se kein schlechtes Zeichen - der bisher vorgestellte Spielekatalog macht hingegen skeptisch. Die Titel sehen in technischer Hinsicht nicht anders aus als auf der PS3. Höchstens mittelmäßig interessante Serien werden weitergeführt anstatt die neue Konsole für frische Ideen zu nutzen. Der Bereich der Casual- und Mobile Games ist komplett unerwähnt geblieben obwohl erst vor wenigen Monaten dafür das eigene "PlayStation Mobile"-Label geschaffen wurde.

Einzig mit dem Spielerlebnis an sich, mit einer hoffentlich gestärkten Unmittelbarkeit und den diversen "Share"-Features, hat die noch junge Ankündigung der PS4 bisher überzeugen können. Aber das ist ja erst der Anfang der Ankündigungen. Microsoft ist als Nächstes dran, und dann sind da ja auch noch all die Quereinsteiger, die uns 2013 begeistern wollen.

Die PlayStation-4-Pressekonferenz. An der Wand steht "PS4 coming holiday 2013".

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