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Todor Ovtcharov

Der Low-Life Experte

20. 2. 2013 - 14:07

Bulgarische Regierung tritt zurück

Bulgarien ist ein Land der Märchen. Ob dieses Märchen ein magisches oder ein erschreckendes Ende haben wird, wird man noch sehen.

Zwei junge Menschen zündeten sich in zwei verschiedenen bulgarischen Städten innerhalb von zwei Tagen selbst an. Menschen in meinem Alter. Das ist ein tragisches Zeichen von Verzweiflung in einem europäischen Land, wo man anscheinend nur so die Gesellschaft auf ein Problem aufmerksam machen kann. In den letzten Tagen wurde Bulgarien von Massenprotesten und sozialen Unruhen überwältigt.

Die Hauptgründe, die die Menschen auf die Straßen trieben, sind unter anderem die hohen Stromrechnungen. Diese Rechnungen sind auch im Westeuropakontext hoch, stellt ihr euch vor, was sie für das ärmste Land der EU bedeuten. Die Armut trieb die Leute auf der Straße. Die Regierung protzte mit Finanzdisziplin. Diese Stabilität wurde aber nur mit enormem Opfern auf Kosten der Bürger erreicht. Die Inflation und das Fehlen von jeglichen Mechanismen zur Steigerung der Löhne ließ die Geduld der Massen schmelzen. Die Spannungen entluden sich in Demos, dem Anzünden von Autos und dem Einschlagen von Fensterscheiben. Gestern wurden viele Protestierende in Sofia von der Polizei verprügelt.

Demonstrierende in Sofia

EPA

Heute gab der bulgarische Premierminister Boiko Borissow bekannt, dass die Regierung zurücktreten wird. Ob das tatsächlich passiert, wird man bis zum Ende des Tages wissen. Dieser Premierminister hat das Land schon mehrmals mit einem Widerspruch zwischen seinen Worten und seinen Taten überrascht. Mehrmals änderte er seine Position über die Senkung der Mehrwertsteuer und über das neue Atomkraftwerk in Belene.

Anscheinend ist Finanzpolitik nicht seine Stärke. Am besten präsentiert er sich in den Medien. Ein großer Mann, Träger eines schwarzen Gürtel in Karate, ein raues und strenges Gesicht und eine einfache und volksnahe Ausdrucksweise. Wie man in Bulgarien über ihn sagt: er hat das Talent, den Anderen das so gut und verständlich zu erklären, was er selbst nicht versteht. Was braucht man mehr, um medienpolitisch erfolgreich zu sein?

Sein Aufstieg ist märchenhaft: Er promovierte an der Feuerwehrabteilung der Polizeiakademie im Kommunismus. Danach gründete er eine Sicherheitsfirma und wurde von der Polizei observiert, da er in Verbindungen mit dem organisierten Verbrechen verdächtigt wurde. Außerdem war er persönlicher Leibwächter vom ehemaligen Diktator Zhivkov und vom ehemaligen König Simeon der Zweite. Genau dieser König brachte Borissow in die Politik, wo er zum Generalsekretär des Innenministeriums ernannt wurde. Mit Ledermantel und Sonnenbrille war er bei jedem Auftragsmord als erster vor den Fernsehkameras. Er pries seine Rolle bei der Verbrecherjagd und beschuldigte das Gerichtswesen, dass die Mafiamitglieder immer noch nicht hinter Gittern sind. Danach wurde er Bürgermeister von Sofia und später Premierminister. Bulgarien ist ein Land der Märchen. Ob dieses Märchen ein magisches oder ein erschreckendes Ende haben wird, wird man noch sehen.

Borissow

APA

Das Land bleibt ohne Regierung in dem Moment, wo es sie am meisten braucht, da die Probleme unbedingt schnelle Lösungen brauchen. Alle Actionhelden beweisen sich doch am Besten in solchen Momenten. Was würde wohl passieren, wenn sich Bruce Willis plötzlich weigert die Welt zu retten? Obwohl Boiko Borissow wie ein Sheriff aus dem Wilden Westen aussieht, zeigte er keine politische Stärke. Was sich jetzt wohl seine Verehrerinnen sagen würden? Leider ist Borissow nicht Humphrey Bogart aus "Casablanca". Wir werden sehen, was weiter passiert. Wie man am Ende von Casablanca sagt: „Maybe not today, maybe not tomorrow, but soon and for the rest of your life...“