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Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

19. 2. 2013 - 17:48

Teenage Wonderland

Viel geschieht auf dem neuen Album des isländischen Musikers Sin Fang. "Flowers" hat er es genannt: Er reicht Blumen in Stunden der Euphorie und in Stunden der Trauer.

"Flowers" ist ein komischer Hybrid: Das dritte Album von Sin Fang atmet schüchtern Intimität, Stubenhockercharme und Heimwerker-Zurückhaltung, versprüht dabei aber gleichzeitig aufgeregt Grandezza, das grellste Gel der Catchiness und schon auch ein bisschen höflichen Größenwahn. Die ersten beiden Alben seines Projekts Sin Fang (das erste wurde noch unter dem Namen Sin Fang Bous veröffentlicht) hat der isländische Musiker Sindri Már Sigfússon noch deutlich vertrackter und weirder angelegt, sie auch eher in Lo-Fi-Haltung ohne große Politur aufgenommen, mit "Flowers" sucht und findet er jetzt den großen Pop und das prunkvollste Geschmeide.

Deswegen ist die Platte aber keineswegs irgendwie langweiliger oder allzu stromlinienförmig geworden. Es passiert hier viel, es knallt und brummt an jeder Ecke, die Ideen purzeln durch die Gegend und tricksen sich aus, einzig die Stücke sind hier und heute traditionell songförmiger gestaltet, mit schönen Strophen, schönen Refrains zum Mitsingen und vierzig schönen Bridges.

Sin Fang hat sich die Songs für "Flowers" daheim im Schlafzimmerstudio zusammengepuzzelt und auch schon demohaft vorbereitet, um sie dann im Studio des Produzenten Alex Somers, der für gewöhnlich Sigur Ros und deren Sänger Jonsi an den Reglern betreut, üppig auszugestalten und zu feinstem Pomp aufzublasen. Somers begnügt sich jedoch nicht mit seiner Rolle hinter dem Mischpult, sondern greift eifrig zu den Instrumenten und mischt sich ebenso ins Songwriting ein.

Sin Fang

Ingibjörg Birgisdóttir

Sin Fang

So haben Sin Fang und Somers so ziemlich alles, was es hier an hundert Pianos, Synthesizern, Gitarren, Elektronik, Drum-Machines, Effekte-Rauschen und eventuell auch Triangel und Rassel zu erleben gibt, selbst eingespielt – das Schlagzeug hat ein Freund beigesteuert. Und dann gibt es da noch kaum bescheidene Streicher und Bläser, die die Platte in ein noch fernes Land fiedeln und tröten, wo der Honig fließt und das Leben ein Zuckerkick ist. Es ist ein süßlicher Folk-Pop, der schon auch mal gar traurig und melancholisch werden kann, versetzt mit elektronischem Knistern und Beats, die lieb poltern und rumpeln.

Cover Sin Fang

Ingibjörg Birgisdóttir

"Flowers" von Sin Fang ist bei Morr Music erschienen

Der Überschwang, nach oben und nach unten, die Gefühlswallungen, die Euphorie und die Trübsal in der Musik, wird auch in den Texten transportiert. "Flowers" beginnt mit dem Stück "Young Boys", das auch schon vor Erscheinen des Albums als Vorabsingle zu hören war, der Titel und die ersten Zeilen fassen schon relativ gut zusammen, wovon diese Platte noch handeln wird: "We Were Young Boys, Smoking In The Woods, I Showed You How, I Showed You How." Rauchenlernen. Als 13-Jähriger. Nur eine Erfahrung, die einem das Teenager-Leben veredelt. Die Platte dreht sich um den ganzen Blödsinn und die wunderlichen und herrlichen Emotionen, Einbildungen und Geschichtchen, die man als jugendlicher Mensch so durchmachen kann, darf und muss. Es ist alles sehr dramatisch.

So ist diese wirklich ganz wunderbare Platte ein Album geworden, das bombastisch vorlebt, wie guter Pop klingen kann, wenn Pop das ist, was man machen will. Zehn Hits sind auf "Flowers" zu hören, aus denen einzig mitunter der unbedingte Wille zum Pop und die Konstruiertheit etwas zu deutlich sprechen und deren Opulenz und Einfallsreichtum bisweilen einen Hauch zu sehr gesucht erscheinen. Es ist alles ein bisschen viel. Irgendwann ertönt dann auch noch eine kurze funky Percussion-Rassel- und- Klopf-Einlage. Es wird immer ein klitzekleines bisschen zu sehr gefühlt, gefreut und gelitten. Aber so ist das wohl als Teenager.