Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "No Curry in Little India"

Christian Lehner Berlin

Pop, Politik und das olle Leben

20. 2. 2013 - 13:14

No Curry in Little India

New York State Of Mind. Eine lose FM4-Homebase-Serie über NYC-Persönlichkeiten. Dieses Mal mit dem Stand-Up-Comedian Hari Kondabolu und der Indian-American-Community in Queens.

Weitere New York State Of Mind Folgen u.a. mit David Byrne, Justin Vivian Bond, Occupy Wall Street, Chris Taylor, Daptone Records und Laurie Anderson unter fm4.orf.at/nysom

Wenn man von New York aus nach Korea, Bangladesch oder Ecuador reisen will, braucht man bloß am Times Square in den 7-Train steigen und die U-Bahn von Manhattan nach Queens nehmen. Während der Fahrt wechseln die Schriftzüge der Graffitis und Tags auf den Mauern im Minutentakt ihre Sprachherkunft. Entlang der Route der zum Großteil oberirdisch geführten„purple line“, die durch den wunderbaren Park Flushing Meadows und vorbei am neuen Stadion der Jets führt, drängeln sich Menschen mit Wurzeln in über 100 Nationen. Im östlichsten Borough New Yorks werden an die 140 Sprachen gesprochen.

„Queens ist der ethnisch vielfälltigste Stadtteil New Yorks, vielleicht sogar der Welt“, sagt Hari Kondabolu. Der Stand-Up-Comedian ist in Jackson Heights aka „Little India“ aufgewachsen. Die Neighborhood befindet sich im Herzen von Queens. „Früher sind bloß Einwanderer aus Indien zugezogen, so wie meine Eltern, doch mittlerweile leben Menschen aus ganz Südasien hier.“ Kondabolu erwartet uns auf der 74th Street in der Nähe des 7-Trains. Die Straße wirkt wie eine Filmkulisse. Sari-Geschäfte wechseln mit Bollywood-Music-Shops und einschlägigen Restaurants. Doch Kondabolu betont, dass „Little India“ ein organisch gewachsenes, authentisches Viertel sei, das die Bedürfnisse der lokalen Community erfülle. „Das ist definitiv keine Tourismus-Destination“. Queens hat bisher den Gentrification-Wellen, die über Manhattan und Brooklyn geschwappt sind, vergleichsweise gut standgehalten. Anders gesagt: auf jedes Weißbrot aus Suburbia, das nach einiger Zeit der NY-Eingewöhnung über die Wasserbarrieren des East River oder Maspeth Creek in die ethnischen Communities von Queens findet, kommen mindestens zwei Pakistani, drei Chinesen und vier Mexikaner.

Für Kondabolu lebt hier die Zukunft Amerikas. Der Ausgang der letzten US-Präsidentschaftswahl und die Prognosen der Bevölkerungsforscher geben ihm recht. Gut 80% der 2,2 Millionen Einwohner von Queens haben ihre Stimme Obama gegeben. Die Hälfte der Borough-Bewohner ist nicht in den USA geboren. In 50 Jahren wird es in den USA mehr Latinos, Indian-Americans oder aus China Zugewanderte geben, als Weiße. Apropos. Wäre es bei der Wahl nach den letzeren gegangen, würde der aktuelle Präsident Romney heißen. Nur 39% der Caucasians haben für Präsident Obama gestimmt. Das waren weniger als bei den Wahlen 2008. Sogar die Republikaner, die im November auf eine Partei der alten, weißen Männer dezimiert wurden, signalisieren mitterlweile Bereitschaft in Sachen comprehensive immigration reform.

„Es geht ja nicht um Zahlen“, sagt Hari Kondabolu, „sondern um einen Dialog über den strukturellen Rassismus in diesem Land. Wir müssen uns über diskriminierende Gesetze und Handlungen der Polizei unterhalten und über die Ausbildung unserer Kinder. Auf das wird es ankommen“. Kondabolu pocht auf seine Bürgerrechte, die er mit der Geburt in den USA erworben hat. Nach den Mühen der eingewanderten Elterngeneration sind viele Kinder der Indian-American-Community bestrebt, die Gesellschaft aktiv mitzugestalten. Und damit ist explizit nicht gemeint, sich den hegemonialen Normen anzupassen. Tatsächlich sind „brown faces“ (Kondabolu) nichts Ungewöhnliches mehr in der US-Politik und Popkultur. Kaum eine neue Sitcom ohne Indian-American Cast. Haris Bruder Ashok war MC bei der Ethno-Rap-Combo Das Racist. Von Klientelpolitik will der Gag-Schreiber für den Fun-Sender Comedy Central (Southpark, Daily Show with Jon Stewart, Colbert Report) aber nichts wissen. „Schließlich sind das Resultate gegenseitiger Entwicklung“, meint er mit Bezug auf befreundete Musiker wie MGMT oder Chairlift, mit denen Hari und Ashok das Weslyan-Collgege in Connecticut besucht haben. „Wir sind schon ein bisschen stolz, in vielen gesellschaftlichen Berreich die ersten braunen Gesichter zu sein. Andererseit funktioniert das aber auch deshalb, weil wir für die weißen Kids, mit denen wir aufgewachsen sind, eben keine Fremden sondern Freunde sind.“ Was Hari über das Potential des „neuen Amerika“, die Untiefen der Minderheiten-Comedy und seine Erfahrung mit weißer Schokolade zu sagen hat, ist heute ab 19 Uhr in der FM4-Homebase in einer weiteren Ausgabe von New York State of Mind zu hören.