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Robert Glashüttner

Videospielkultur, digital geprägte Lebenswelten.

15. 2. 2013 - 17:29

Virtuelles Panzersammeln

Das weißrussische Online-Computerspiel "World of Tanks" hat rund 50 Millionen angemeldete User und ist hierzulande dennoch weitgehend unbekannt. Doch seine Relevanz ist beachtenswert.

Ziemlich überheblich, aber auch mit einer bemerkenswerten Erfolsgeschichte im Gepäck ist Victor Kislyi, CEO der weißrussischen Spieleentwicklerfirma Wargaming.net im vergangenen Sommer in Köln auf die Bühne getreten. Kislyi hatte eine der Keynotes auf der Game Developer Conference Europe gehalten, einer Fachkonferenz, bei der sich üblicherweise fast ausschließlich westliche Spielemacher untereinander austauschen. Geht es um Games-Branchen außerhalb des eigenen Kulturkreises wird vom Westen meist nur Asien in Form von Japan, Südkorea und neuerdings auch China beobachtet. Doch was in Russland und Umgebung in den letzten Jahren in der Branche so passiert ist, hatte man bis zu jenem Sommer weitgehend verschlafen.

Spielejournalist/innen erwischt man beim Thema "Free to Play"-Spielen und allgemein Online-Games sowieso oft am falschen Fuß. Viele spielen MMOs aus Zeitgründen nicht oder verweigern sich ihnen, weil bei den meisten dieser Titel statt Kreativität und Innovation eine Optimierung der immer selben Spielprinzipien sowie Zahlenspielereien (beim Hochleveln, Kämpfen und Gegenstände verwalten, usw.) vorherrschen. Doch der Erfolg gibt dem "Free to Play"-Modell recht, und Victor Kislyi hatte für die aus seiner Sicht hoffnungslos veralteten Kollegen aus dem Westen ein paar Tipps parat, wie sie es besser machen können.

Ein Bildschirmfoto aus dem Computerspiel "World of Tanks".

Wargaming.net

Interaktives Erleben von Militärfahrzeugen

Rund 50 Millionen angemeldete Spieler/innen zählt "World of Tanks", das Zugpferd von Wargaming.net, derzeit. Das ist fünf Mal so hoch wie die User-Zahl des vielerorts immer noch als das wichtigste Online-Rollenspiel angepriesene "World of WarCraft". Erschienen ist "World of Tanks" erstmals im Frühjahr/Sommer 2010, und zwar zuerst in Russland und China. Erst später ist das Game für Europa und Nordamerika adaptiert worden.

Es geht bei "World of Tanks" weniger um das Eintauchen in eine andersartige Welt, wie bei Fantasy-Games, sondern um das Sammeln, Aufrüsten und Kämpfen von und mit unterschiedlichen, historisch korrekten Panzern - die meisten davon aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Manche davon gab es vorher nur auf Papier. Für Militärhistoriker und Ingenieure ist das ebenso interessant wie für Vielspieler/innen, der von den ewigen Orks und Elfen als auch vom ständigen Twitch-Gameplay diverser First-Person-Shooter genervt sind. "World of Tanks" ist eine schlaue Mischung aus militärhistorischer Authentizität und dem bekannten "Player vs. Player"-Spielprinzips, bei dem man sich in zwei von menschlichen Spielern gesteuerten Teams in die virtuelle Schlacht wirft.

Ein Bildschirmfoto aus dem Computerspiel "World of Tanks".

Wargaming.net

Action für jede Altersklasse

Das Beobachten eines langjährigen Vielspielers zeigt: Bei "World of Tanks" geht es in einem ziemlich ausgewogenen Verhältnis sowohl um das Beschäftigen mit dem Sammeln, Aufrüsten und Konfigurieren der Panzer als auch um die Schlachten an sich. Weil sich Panzer meist langsam bewegen, sind diese Battles auch für ältere Gamer jenseits der 30 ideal geeignet. Trotz des militärischen Settings ist "World of Tanks" auch ein verblüffend ideologiefreies Spiel. Hintergrundgeschichte gibt es keine, und die jeweiligen Panzer der diversen Nationen treten kreuz und quer gegeneinander an. Geld verdient Wargaming.net mit dem Verkauf virtueller Garagenplätze, die kostenpflichtig sind, sowie mit den branchenüblichen Premium-Accounts, die das Hochrüsten des Fuhrparks erleichtern und beschleunigen.

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Ein Bildschirmfoto aus dem Computerspiel "World of Tanks".

Wargaming.net

E-Sport und Aufkauf

"World of Tanks" ist mittlerweile auch zu einem eigenen E-Sport-Spiel avanciert: 2012 hat es als neue Disziplin bei den "World Cyber Games" debütiert, darüber hinaus hat Wargaming.net kürzlich eine eigene E-Sport-Liga gegründet. Um die internationale Relevanz und die wirtschaftliche Potenz des weißrussischen Unternehmens zu untermauern, ist jüngst auch die US-Firma Gas Powered Games des bekannten Game Designers Chris Taylor ("Supreme Commander", "Dungeon Siege") übernommen worden. Taylor hat noch vor kurzem auf Kickstarter Geld für seine marode Firma erbeten und nach der eingestellten Kampagne mit den Tränen gerungen. Die Kollegen aus Minsk haben sich darauf hin ein Herz gefasst und gleich die ganze Bude aufgekauft. Auch ein politisch nicht uninteressanter Coup.

Zusammenführung von Kriegsgerät

"World of Tanks" bekommt laufend neuen Content in Form von neuen, virtuell verfügbaren Panzern (derzeit circa 250 Stück, es sollen doppelt so viele werden) spendiert, darüber hinaus wird mit neuen Spielmodi experimentiert. Im Laufe des Jahres 2013 wird das Kriegsgerät dann auch auf die Lüfte und das Gewässer erweitert, mit den Schwesterspielen "World of Warplanes" und "World of Warships". Später ist geplant, alle drei Titel in einen großen Kampf- und Kriegssimulator zusammenzufassen. "Call of Duty" und Konsorten: Macht euch auf was gefasst!