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Irmi Wutscher

Gesellschaftspolitik und Gleichstellung. All Genders welcome.

19. 2. 2013 - 13:27

Kultur am AdW

Steffi, Nicole und Gerald richten ein Kulturzentrum in einem ehemaligen Armaturenlager im 20. Bezirk ein.

Labor Leben - Eine Versuchsreihe. Jeden Dienstag auf FM4 und im Interview Podcast.

In unserer Sendereihe Labor Leben portätieren wir Menschen und deren ungewöhnliche Selbstversuche. Jede Woche stellen wir außergewöhnliche Projekte vor - zum Beispiel das Vorhaben, keinen Zucker zu essen oder darauf zu verzichten sich die Beine zu rasieren.

Leerstehende Räume in der Stadt sinnvoll nutzen, das hat sich der Verein MIK - Mobile Initiative Kultur zur Aufgabe gemacht. Derzeit haben Steffi, Nicole, Gerald und Heli von MIK ein leerstehendes Armaturenlager im 20. Bezirk zur Zwischennutzung gefunden. Dort versuchen sie ein Kulturzentrum einzurichten. Sie haben es flansch:werk Zwischenbrücken genannt. Flansch als Reminiszenz an die frühere Nutzung des Raumes, denn ein Flansch ist ein Verbindungsstück zwischen zwei Rohren. Und Zwischenbrücken, das ist das Stadtgebiet zwischen dem 2. und dem 20. Bezirk in Wien.

Nicole, Gerald und Stefanie von Flansch:werk Zwischenbrücken

Irimi Wutscher

Nicole, Gerald und Steffi

Derzeit geht es vor allem darum Programm aufzustellen und gleichzeitig Förderungen dafür zu bekommen. "Wir versuchen verschiedene Projekte ins Leben zu rufen, unter anderem Frauenprojekte, interkulturelle Projekte…", sagt Gerald und Steffi ergänzt: "Ein ganz großer Schwerpunkt ist das Selbermachen. Nicht nur im Sinne von Design- und Produktgestaltung, sondern auch Gestalten als Prozess und als soziale Teilhabe."

flansch:werk Zwischenbrücken

Werkstatt, Kultur- und Sozialraum, 1200 Wien

Ein erster großer Erfolg war der Weichnachtsmarkt, vergangenen Dezember: "Das war ein DIY-Weihnachtsmarkt, mit Workshops. Man konnte also nicht nur konsumieren, sondern auch produzieren", erklärt Gerald. Die zwei Tage war das flansch:werk richtig voll. Und auch binnen weniger Wochen hatten sich so viele AusstellerInnen gemeldet, dass sogar welche abgewiesen werden mussten. "Es scheint, als ob das Umfeld hier auch danach lechzt, dass direkt in ihrer Umgebung etwas passiert!", meint Steffi dazu.

Auch jetzt gibt es regelmäßig Programm: Lesungen und Theaterstücke finden im flansch:werk statt, monatlich gibt es eine Textilwerkstatt, wo genäht, gehäkelt und gestrickt wird. Und beim Workshop "Frauen bauen" sollen sich Frauen im Tischlern versuchen. Auch ein interkulturelles Fest und ein weiterer DIY-Markt sind geplant.

Textilwerkstatt im flansch:werk, Frauen an Nähmaschinen

flansch:werk

Jeden zweiten Freitag: Offene Textilwerkstatt

"Wir wollen den Stadtraum, das Umfeld, wo wir leben, mitgestalten", erklärt Steffi. "Wir selber leben am Nordbahnhofgelände, wo sehr viele neue Wohnungen gebaut werden und wo es einfach gar nichts gibt. Also man kann sich nicht wirklich mit seinem Grätzl indentifizieren. Wir haben ein Bedürfnis danach, mitzugestalten und selber Räume zu schaffen."

Der Verein MIK hat sich generell zur Aufgabe gemacht, vergessene Stadträume zu urbanisieren. Zu dem Preis, dass die Veranstaltungen nicht immer das große Publikum anziehen: "Wir haben schon viel veranstaltet, da waren oft nur fünf Leute da, weil wir uns immer sehr unpopuläre Gegenden ausgesucht haben, die die meisten WienerInnen als 'Arsch der Welt' empfinden", lacht Steffi. "Das ist aber immer die Herausforderung: Zwischenbrücken ist auch so eine Gegend, die niemand kennt oder wahrnimmt."

Nicole mit Besen in der Hand

flansch:werk

Beim Aufäumen vergangenen Herbst

Ob das Projekt in Zwischenbrücken aufgehen wird, lässt sich derzeit noch nicht sagen. "Es gibt kein Endziel, wo wir sagen können: So, jetzt lehnen wir uns zurück, jetzt haben wir alles erreicht", sagt Nicole.

Momentan sind Gerald, Nicole, Steffi und Heli vor allem damit beschäftigt, Förderungen aufzustellen, um überhaupt die Miete aufzubringen oder die alten Lagerräume halbwegs zu beheizen. Überhaupt stehen sie vor dem Problem, dass sie kaum inhaltlich arbeiten, sondern derzeit ihre Energie fast ausschließlich für Organisatorisches draufgeht. Dazu sagt Steffi: "Gerade merken wir das sehr stark: Es gibt sehr viel unangenehme Arbeit: Förderanträge ausfüllen, Konzepte schreiben, oder überhaupt hier mal putzen und das Klo reparieren. Das wird alles nicht entsprechend honoriert und man sieht es auch nicht, es ist unsichtbare Arbeit!"
Im Endeffekt wäre es schön, sagen Steffi, Nicole und Gerald beim Interview, wenn sich aus dem Bedürfnis heraus, die Stadt mitzugestalten ein Beruf entwickelt. "Das ist total wichtige Arbeit, die eigentlich die Stadt leisten sollte. Menschen die sich dafür einsetzen werden oft nicht bezahlt und beuten sich selbst aus."

Auch wissen die vier nicht, wie lange sie in den Räumlichkeiten bleiben können, bei Zwischennutzungen weiß man ja nie, was die BesitzerInnen mit den Häusern sonst vorhaben. "Ein paar Jahre werden wir aber hoffentlich schon bleiben", sagt Nicole. "Schön wäre es, wenn alles funktioniert und wie für immer hier sind!"